Serie: Infrastruktur in NRW Schifffahrt kritisiert veraltete Kanäle
Duisburg · Das eigentlich gute Kanalsystem in NRW kann wegen baufälliger Schleusen und Brücken nicht adäquat genutzt werden, klagen Binnenschiffer. Auch bei den Zu- und Abfahrten der Häfen gibt es Verbesserungsbedarf.
Die Zahlen muten beeindruckend an. Rund 7350 Kilometer lang ist das Netz der Wasserstraßen in Deutschland, wenn man Flüsse und Kanäle zusammennimmt. Rund 220 Millionen Tonnen Fracht wurden im Jahr 2012 bundesweit per Schiff transportiert, 120 Millionen Tonnen davon wurden über nordrhein-westfälische Häfen umgeschlagen. In NRW spielt die Binnenschifffahrt eine große Rolle — der Rhein fließt 226 Kilometer durch das bevölkerungsreichste Bundesland. Dennoch hat der Schiffsverkehr in NRW mit großen Problemen vor allem bei den Kanälen zu kämpfen. Dies sei in erster Linie auf eine veraltete Infrastruktur zurückzuführen, beklagt die Initiative "Damit Deutschland vorne bleibt". Auf einer NRW-Länderkonferenz am 10. April in Düsseldorf diskutieren Experten, Politiker und Bürger über Lösungsansätze.
Der Rhein ist dabei zugleich die wichtigste Wasserstraße und das kleinste Sorgenkind. Laut Georg Hötte, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB), ist die Versorgung über den Strom für die Montan-, Kohle- und Chemieindustrie in NRW überlebenswichtig. "Bis Duisburg herrschen gute Fahrwasserverhältnisse, aber wir wünschen uns natürlich, dass die Fahrrinne bis Leverkusen und Köln vertieft wird", sagt Hötte. Auch der Duisburger Hafen "duisport" setzt sich laut Sprecher Julian Böcker für eine Rheinvertiefung ein. "Alles, was die Binnenschifffahrt stärkt, unterstützen wir", sagt Böcker. Schließlich sei der Fluss sowohl ökonomisch wie ökologisch eine wichtige Alternative zur Straße, wo etwa Mautkosten anfallen, die noch dazu steigen können.
Als regelrechte Baustelle aber bewertet BDB-Präsident Hötte das "eigentlich gute" Kanalnetz in NRW. "Wir haben es hier teils mit Schleusen und Wehren zu tun, die mehr als 100 Jahre alt sind", erklärt Hötte. Für die modernen, oft 110 Meter langen Schiffe seien viele dieser Anlagen zu kurz. An manchen Schleusen würden sich zudem lange Staus bilden, weil sie an der Kapazitätsgrenze operieren oder baufällig sind. Der Wesel-Datteln-Kanal beispielsweise sei für acht Millionen Tonnen Güter ausgelegt, heute würden aber schon zwölf bis 14 Millionen Tonnen transportiert. Hötte: "Und erwartet werden mittelfristig 20 Millionen Tonnen." Hier müsse der Bund eingreifen. Die Binnenschiffer veranschlagen eine Finanzierungslücke von rund 500 Millionen Euro im Jahr, um das Kanalsystem den Anforderungen anzupassen. Zudem kritisieren sie, dass der Bund plane, einen Teil des Wasserstraßennetzes aufzugeben, um die hohen Aufwendungen für den Unterhalt zu sparen.
Ein wichtiges Thema seien auch die Kanal-Brücken, sagt Hötte. Binnenschiffe müssten zwei bis drei Lagen Container übereinander transportieren, um wirtschaftlich zu operieren. Die Brücken über die Kanäle seien aber oft nicht hoch genug, damit die Schiffe darunter herkommen könnten. "Deshalb müssten die Bauwerke angehoben werden", sagt Hötte. Bei den Planungsverfahren sei die Landesregierung gefordert, diese Maßnahmen anzustoßen. Für Böcker vom Duisburger Hafenbetreiber "duisport" spielen Brücken auch eine wichtige Rolle. "Der Hafen muss gut erreichbar sein", sagt er, "daher zählt es zu unseren Prioritäten, eine reibungslose Zu- und Abfahrt zu gewährleisten." Gerade dort gebe es jedoch oft Engpässe, so dass dieser Hinterland-Verkehr mehr Probleme verursache als die Wasserwege. "Wir sind auf einen trimodalen Güterverkehr angewiesen", erklärt Böcker. Trimodal meint, dass der Übergang zwischen Straße, Schiene und Wasser hindernisfrei möglich ist. Schwächelt die Infrastruktur in einem der Bereiche, wirkt sich das auf die Effizienz aus.
Im Gegensatz zu den Verkehrswegen Straße und Schiene, wo in den kommenden Jahren ein bedenklicher Zuwachs zu verzeichnen sein wird, sind die Kapazitäten der Wasserwege laut Experten noch nicht ausgeschöpft. Dabei wäre eine teilweise Verlagerung des Verkehrs hin zum Wasser entlastend: Die Zuladung eines modernen Güterschiffs entspricht der von 150 Lastwagen.