Prozess in Wuppertal Das Schweigen der „Scharia-Polizei“

Wuppertal · Erneut müssen sich sieben Mitglieder der „Scharia-Polizei“ vor Gericht verantworten. Zur Sache wollen sie sich aber nicht äußern. Ihr mutmaßlicher Anführer Sven Lau ist wieder auf freiem Fuß. Er soll aussagen.

 Ein Mann schaut auf die Berichterstattung über die „Scharia-Polizei“ im Internet. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte ein Urteil des Gerichts in dem Fall aufgehoben.

Ein Mann schaut auf die Berichterstattung über die „Scharia-Polizei“ im Internet. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte ein Urteil des Gerichts in dem Fall aufgehoben.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die vier jungen Männer mit Kapuzenpullovern und Lederjacken fallen nicht weiter auf. Das Quartett steht am Montagvormittag vor einem Drogeriemarkt in einem Wuppertaler Einkaufszentrum. Sie sind gut gelaunt, lachen, scherzen. Von den vorbei gehenden Passanten werden sie kaum wahrgenommen. Anders als vor fünf Jahren, als sie mit sieben anderen Personen in orangefarbenen Warnwesten mit der Aufschrift „Shariah Police“ durch Wuppertal gezogen sind und in ganz Deutschland über sie berichtet wurde. Nach einer kurzen Unterhaltung verlassen die Männer das Einkaufszentrum und gehen auf die andere Straßenseite zum Landgericht, wo ihnen und drei weiteren Mitgliedern der längst aufgelösten „Scharia-Polizei“ vor der sechsten großen Strafkammer erneut der Prozess gemacht wird.

Als sie in den Verhandlungssaal kommen, verdecken sie ihre Gesichter mit Aktenordnern, einer zieht eine Kapuze über den Kopf. Sie wollen nicht fotografiert und gefilmt werden. Reden will auch keiner von ihnen über den Abend des 3. Septembers 2014, als sie mit Sven Lau, dem mutmaßlichen Initiator der Aktion, unangemeldet als „Scharia-Polizei“ durch Teile der Wuppertaler Innenstadt gingen. Den Rundgang haben sie selbst gefilmt und anschließend ins Internet gestellt . Die „Scharia-Polizei“ sei gegründet worden, erklärt Lau damals in dem Video, um Glaubensbrüder und Abtrünnige von Casinos, Bordellen und Häusern, in denen Drogen verkauft würden, fern zu halten. „Wir sind nicht hier, um euch zu ärgern“, sagt Lau in einer Sequenz.

Das hätten sie aber in der Form nicht tun dürfen, meint die Staatsanwaltschaft. Die Anklagebehörde wirft ihnen einen Verstoß gegen das sogenannte versammlungsrechtliche Uniformverbot vor – das heißt, sie hätten nicht unangemeldet in den Westen durch die Stadt gehen dürfen. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft waren die Angeklagten zum Tatzeitpunkt Angehörige der salafistischen Szene oder standen dieser nahe. Eines der Ziele der Salafisten sei es, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und das geltende Rechtssystem abzuschaffen, um es durch die Scharia als Rechtsordnung zu ersetzen, so die Staatsanwaltschaft.

Am Freitag soll Sven Lau aussagen, der erst am vergangenen Freitag vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. Der ehemalige Salafistenprediger war als Terrorhelfer zu einer fünfeinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, von der er nur zwei Drittel absitzen musste. Das Verfahren gegen ihn im Zusammenhang mit der „Scharia-Polizei“ war eingestellt worden, weil die Vorwürfe in der anderen Verhandlung, in der verurteilt wurde, schwerer wogen. Die Aktion der „Scharia-Polizei“ bezeichnete Lau damals nur als eine Art Werbegag, auf den viele hereingefallen seien. „Der Name war vielleicht sehr provokant. Vielleicht war es auch ein Fehler von uns“, räumte er ein.

Der Fall wird bereits zum zweiten Mal vor dem Wuppertaler Landgericht verhandelt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte eine Neuauflage angeordnet, nachdem die zweite große Strafkammer des Landgerichts die Angeklagten vor drei Jahre frei gesprochen hatte. In der Urteilsbegründung hieß es, dass die Warnwesten keine gleichartigen Kleidungsstücke darstellen würden, die als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung getragen werden. Zudem nahm die zweite Kammer an, dass es den Angeklagten an Vorsatz fehlte, weil diese sich eines strafbaren Handelns nicht bewusst gewesen seien. Der BGH hatte die Freisprüche aufgehoben und gerügt, dass das Gericht darauf abgehoben habe, dass sich keiner der Zeugen des Geschehens eingeschüchtert gefühlt hatte. Es genüge, wenn die Aktion grundsätzlich dazu geeignet gewesen sei, jemanden einzuschüchtern, so der BGH.

Drei Angeklagte sind bereits vorher wegen Diebstahls, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung bei der Polizei bekannt. Die meisten sind heute arbeitslos und verfügen nur über geringe schulische Bildung. Ein Angeklagter fuhr jedoch mit einem schwarzen Audi-Geländewagen am Gericht vor. Im Fall einer Verurteilung drohen den Angeklagten bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe.

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