Flugzeug-Unglück Rundflüge mit Ju-52 in NRW abgesagt

Mönchengladbach · In der Schweiz rätseln Experten über die Ursache des Absturzes einer Junkers Ju-52. Beim schwersten Unglück der Schweizer Luftfahrt seit 2001 starben 20 Menschen. Flüge ab Mönchengladbach fallen erst einmal aus.

 Oldtimer am Flughafen Mönchengladbach bieten eine schöne Kulisse für die „Tante Ju“ genannte Ju-52 im Hintergrund.

Oldtimer am Flughafen Mönchengladbach bieten eine schöne Kulisse für die „Tante Ju“ genannte Ju-52 im Hintergrund.

Foto: Theo Titz

Nach dem Absturz einer Ju-52 in den Schweizer Alpen stellt die Ju-Air den Flugbetrieb bis auf Weiteres ein. Das teilte der Eigentümer des historischen Flugzeugs auf seiner Homepage mit. Deshalb würden bis Ende August auch die Rundflüge mit der „Tante Ju“ in Nordrhein-Westfalen abgesagt, sagte Friedrich Karl François, dessen Firma über das Internetportal ju52rundflug.de die Flüge vermittelt. In Mönchengladbach und Essen/Mülheim waren zwischen dem 24. und 27. August mehrere Rundflüge und ein Flug in die Schweiz geplant. Dafür sollten Flugzeuge der Ju-Air eingesetzt werden.

Die von den abgesagten Flügen betroffenen Kunden würden informiert, sagte François auf Anfrage unserer Redaktion weiter. Dass der Flugbetrieb nach einem Unglück zunächst eingestellt werde, sei „ganz normal“. Die Unglücksursache müssten die Ermittler vor Ort untersuchen. François betonte: „Die Ju-52 ist kein unsicheres Flugzeug.“ Bei dem Unglück am Samstag waren die drei Crew-Mitglieder und die 17 Passagiere gestorben. Sein Team sei „tief traurig“, sagte François.

Die Ursache des Absturzes ist bislang unklar. Auf die Ermittler wartet eine schwierige Aufgabe. Anders als moderne Flugzeuge hatte die 79 Jahre alte Maschine vom Typ Junkers Ju-52 keine Blackbox an Bord, die Gespräche im Cockpit und technische Daten wie Flughöhe, Geschwindigkeit und mögliche Geräteausfälle aufzeichnet und bei Abstürzen in der Regel intakt bleibt. Zudem gibt es in Bergtälern wie dem, in dem die Maschine abstürzte, nur wenige Radaraufzeichnungen, wie Daniel Knecht von der Schweizer Behörde für Flugunfalluntersuchungen (Sust) berichtete. Damit gibt es keine technischen Aufzeichnungen zu dem Unglücksflug, die den Experten beim Erkunden der Absturzursache helfen könnten.

Die Ju-52 gilt auch 86 Jahre nach ihrem Erstflug als sehr sicheres Flugzeug, worauf schon ihr Spitzname „Tante Ju“ hinweist: eine gemütliche, wartungsarme und zugleich verlässliche Maschine, die unkompliziert zu fliegen ist. Überliefert ist der erste Unfall im Sommer 1932, der ihre Robustheit beweist: Ein Schulflugzeug rammte bei München eine Ju-52, riss ihr große Teile der linken Tragfläche heraus und fast den Backbordmotor – und trotzdem gelang dem Piloten noch eine sichere Notlandung auf einem Kornfeld. Die Ju-52 war – wie heute die Boeing 737 oder der Airbus A 320 – ein Standardflugzeug der damaligen Verkehrsluftfahrt und bei 30 Airlines in 25 Ländern im Einsatz, unter anderem bei British Airways. 4845 Exemplare wurden gebaut, nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen das noch bis 1952 Firmen in Frankreich und Spanien.

Ihre Geschichte ist aufs Engste verbunden mit der deutschen Lufthansa: Die Propellermaschine, noch in einmotoriger Version als Ju-52/1m, sollte eigentlich ein Frachtflugzeug werden. Doch die Lufthansa wollte sie, verstärkt um zwei Motoren als Ju-52/3m, unbedingt als Passagierflugzeug verwenden und setzte sich mit dieser Forderung durch. Wer heute an Sommerwochenenden über dem Niederrhein ihr sonores Brummen hört und dann die Ju in niedriger Höhe scheinbar in Zeitlupe dahinzuckeln sieht (ihre Reisegeschwindigkeit beträgt nur 180 km/h), der mag sich kaum vorstellen, dass sie einst im internationalen Flugverkehr Maßstäbe setzte und als Mutter aller modernen Verkehrsflugzeuge bezeichnet werden darf.

Denn in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts war Fliegen noch schier unerschwinglicher Luxus, zugleich aber sehr unkomfortabel: Die wenigen Passagiere saßen, dick vermummt wie die Piloten in einer offenen Doppeldecker-Maschine, die teils stoffbespannt war. Der Konstrukteur Hugo Junkers erfand 1919 mit der Ju F 13 das erste Ganzmetallflugzeug der Welt – ein einmotoriger Eindecker, der eine geschlossene Passagierkabine besaß. Die charakteristische robuste Wellblech-Beplankung verwendete er auch bei der Ju-52, in der die Piloten erstmals wettergeschützt in einem modernen Cockpit saßen.

Die legendäre „Tante Ju“ ist auch mit den dunklen Kapiteln der deutschen Geschichte verwoben: Adolf Hitler erkannte ihre Vorteile gegenüber Auto und Bahn und nutzte eine Ju-52 mit dem Kennzeichen D-2600 als seine Privatmaschine, um schneller zu Redeauftritten im „Dritten Reich“ zu gelangen. Im spanischen Bürgerkrieg wurde die Ju zum Behelfsbomber: Soldaten schaufelten Stabbrandbomben aus ihrem Rumpf – die von Picasso mahnend in Szene gesetzte Vernichtung der baskischen Stadt Guernica zeigt das Ergebnis. Ju-Transporter waren an allen Kriegsschauplätzen im Einsatz, auch 1941 bei der Eroberung Kretas aus der Luft, bei der 271 Maschinen abgeschossen oder bei der Landung zerstört wurden.

Der Ingenieur Hugo Junkers war da längst als Nazi-Gegner enteignet worden, angeblich deshalb, weil er Hermann Göring, den Reichskommissar für Luftfahrt, zehn Jahre zuvor nicht als Mitarbeiter hatte einstellen wollen. So hatte der Konstrukteur mit den späteren Junkers-Flugzeugen, darunter dem gefürchteten „Stuka“, dem Sturzkampfbomber Ju-87, nichts mehr zu tun. Obwohl die Junkers-Werke in Dessau in Sachsen-Anhalt errichtet wurden, ist der Name Hugo Junkers eng mit Mönchengladbach und dem heutigen Stadtteil Rheydt verbunden. Dort kam er 1859 zur Welt, dort ging er zur Schule.

Junkers war ein genialer Tüfler: In vielen Nachkriegshaushalten befanden sich etwa seine Gasbadeöfen, er erfand den ersten Durchlauferhitzer. Ein Hugo-Junkers-Gymnasium, ein Hugo-Junkers-Park und eine Hugo-Junkers-Straße erinnern in Mönchengladbach an den 1935 in Bayern Verstorbenen – und der neue Junkers-Veranstaltungshangar am Flughafen. Er ist die Heimat der zurzeit nicht flugfähigen Ju-52 „HB-HOY“.

 Im Inneren der Ju-52 geht es für die maximal 17 Passagiere recht beengt zu – und ziemlich laut.

Im Inneren der Ju-52 geht es für die maximal 17 Passagiere recht beengt zu – und ziemlich laut.

Foto: Baum, Andreas (abau)

Ersatzweise startete deshalb eine andere Maschine von Ju Air, die „HB HOP“, von Mönchengladbach aus und war stets ausgebucht. Insgesamt gibt es weltweit jetzt nur noch sieben flugfähige „Tante Ju“, darunter die D-AQUI in Diensten der Lufthansa-Stiftung. Sie ist, 1936 in Dessau gebaut, das älteste noch im kommerziellen Luftverkehr eingesetzte Verkehrsflugzeug der Welt. Weitere Ju-52 fliegen in Frankreich, den USA und Südafrika. In Diensten der Ju-Air verbleiben die HB-HOP und die HB-HOS. Doch der rätselhafte und tragische Absturz hat hinter weitere Aktivitäten zunächst ein dickes Fragezeichen gesetzt.

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