Gründer des Reiseführers „Landvergnügen“ „Der schönste Ort ist eigentlich direkt vor der eigenen Haustüre“

Interview | Düsseldorf/Berlin · Mit dem alternativen Stellplatzführer „Landvergnügen“ können Camper eine Nacht kostenfrei auf Bauernhöfen übernachten und dabei das Landleben und die Höfe kennenlernen. Auf die Idee kam Gründer Ole Schnack bei einer Wohnmobil-Tour mit seiner Familie in Frankreich.

 Ole Schnack, Gründer und Geschäftsführer von Landvergnügen.

Ole Schnack, Gründer und Geschäftsführer von Landvergnügen.

Foto: Landvergnügen

Für zwei Monate gehen die RP-Reporterinnen Marie Ludwig und Maren Könemann im Sommer auf Tour – im E-Bulli, mit Übernachtung im Dachzelt. In den #RheinStories (unten mehr über das Projekt) nehmen sie unsere Instagram-Follower mit auf eine nachhaltige Reise zum rheinischen Lebensgefühl und den spannendsten Geschichten der Region. Dabei übernachten sie auf Bauernhöfen – unter anderem auf solchen, die auch bei „Landvergnügen“ dabei sind. Deshalb haben die beiden den Kopf hinter dem Projekt für Tipps für ihre Tour gesprochen.

Ole, warum eigentlich Bauernhöfe und nicht Campingplätze?

Ole Schnack Ich bin schon immer ein Camper gewesen, war früher vor allem mit dem Zelt unterwegs in Skandinavien für Kanutouren. Das ist für mich eigentlich Camping pur, wenn du in der Natur bist und diese Einsamkeit, Ruhe und Reduziertheit spürst. Dann war ich irgendwann das erste Mal auf dem Campingplatz und habe gedacht: Oh Gott! So eng nebeneinander zu stehen – das finden die schön?

Also du bist nicht so der Campingplatz-Typ?

Schnack Ich finde Campingplätze meistens nur dann schön, wenn sie keine Sterne haben, wenn sie kein Unterhaltungsprogramm, kein Schwimmbad, keine Wasserrutsche und keine Hüpfburg haben – wenn es kleine Natur-Campingplätze sind.

Auf was für Höfen kann man denn bei Landvergnügen stehen?

Schnack Wir haben so einiges: Weingüter, Brauereien, Käsereien, Schnapsbrenner, Ölmühlen, Straußenfarmen, Alpakahöfe – sogar Cranberry-Farmer in der Lüneburger Heide oder Trüffel-Züchter aus Sachsen. Das ist schon sehr besonders.

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf das Landvergnügen aus?

Schnack Momentan haben wir ja quasi einen verordneten Deutschlandurlaub. Ob das Campingplätze sind, Hotels oder Ferienunterkünfte – in ganz Deutschland wird gebucht, was gebucht werden kann. Auch unsere Höfe.

Wo kommt deiner Meinung nach dieser Drang der Menschen her zum Campen, zum in die Natur gehen, zum Draußensein und zu diesem „Back-to-the-roots”-Bedürfnis?

Schnack Ich glaube, das ist eine Antwort auf die schnellen Zeit, in der wir gerade leben. Es ist eine hektische Zeit in einer hyper-digitalen Welt. Mit einem Mausklick ist man in China, mit dem nächsten in den USA. Dann kauft man online mal eben was in England ein, parallel skypt man mit seinen Freunden in Frankreich. Die Welt ist schnell. Ich würde fast sagen, sie ist zu schnell für uns. Und wir suchen eben Haltepunkte, an denen wir uns wieder spüren und entschleunigen können.

Beim Urlaub mit dem Wohnmobil?

Schnack Ja, dazu gehört auch die Sehnsucht nach Natur, nach Authentischem, nach Analogem. Auch auf Campingplätzen sind heute nicht mehr nur Dauercamper, Spießertum, Gartenzwerge, sondern es gibt ganz tolle, neue Ideen. Da hat sich ja ein richtiger Vanlife-Trend in Gang gesetzt. Es ist einfach eine tolle Art Urlaub zu machen.

Foto: Landvergnügen

Geht es dir beim Konzept hautpsächlich um Ferien auf dem Bauernhof wie bei Michel aus Lönneberga, oder sollen Gäste auch die härteren Bedingungen der Landwirtschaft zu sehen bekommen?

Schnack Unsere teilnehmenden Betriebe sind zu 95 Prozent echte Erzeuger. Das ist kein Streichel-Ferienparadies mit zwei Kaninchen für die Kinder und dann steht noch ein Pony auf der Weide, sondern das sind echte Landwirte. Da wird gearbeitet, da ist ein Stall, da ist Dreck, da fahren Landmaschinen.

Es riecht also auch mal nach Mist. Verstehen das alle Gäste?

Schnack Die meisten ja, aber ich hatte auch mal einen Anruf von einer Dame, die mir sagte: „Herr Schnack, ihr Konzept taugt nix!“ Ich fragte dann, was passiert sei, und sie entgegnete: „Da war alles fliegenverseucht. Alles voller Fliegen!“ Und ich: „Wo waren Sie denn?“ Sie: „Auf einem Ziegenhof.“ Und ja, da gibt es Fliegen, das ist Natur. Und das ist auch gut so! Ich habe der Dame dann gesagt: „Ich glaube, Landvergnügen ist nichts für sie.“ (lacht)

Du machst Landvergnügen ja schon seit 2014. Gab es in der Zeit eigentlich auch Höfe, die mangels Nachwuchs ihren Betrieb aufgeben mussten?

Schnack Das Höfesterben, von dem überall berichtet wird, sehen wir bei Landvergnügen auch. Zehn Prozent der Höfe melden sich nach einem Jahr wieder ab und rund 30 Prozent kommen neu dazu. Abmeldungen gibt es unter anderem auch, weil ein Betrieb die Nachfolge nicht gesichert hat und aufgeben muss. Aber andersrum sehen wir auch ganz viele tolle Geschichten, wie Betriebe an die nächste Generation übergeben werden.

Was bekommt man beim Campen, was man sonst nirgends sonst beim Urlauben bekommt?

Schnack Camping an sich ist eine schöne Sache, weil man runterkommt und Natur um sich hat. Ein Landvergnügen-Stellplatz zeichnet sich dadurch aus, dass man ein Land oder seine eigene Region noch schöner kennenlernen kann, weil man mit Menschen in Kontakt kommt, die dort wohnen und leben. Man ist ja Gast auf einem privaten Hof. Das werdet ihr auch erleben: Wenn ihr 50 Kilometer von eurer Heimat wegfahrt und den ersten Hof ansteuert, werdet ihr sicher sagen: „Krass, das wusste ich gar nicht, dass es hier so schön ist.“

Also man braucht gar nicht weit wegfahren?

Schnack Genau, es gibt dieses Buch von Janosch „Oh, wie schön ist Panama“. Mit dem kleinen Tiger und dem kleinen Bär und die beiden wollen nach Panama, weil es da so schön sein soll. Im Prinzip laufen sie dann einmal im Kreis und kommen wieder zuhause an. Sie stellen fest: Der schönste Ort ist eigentlich direkt vor der eigenen Haustüre und man muss eigentlich gar nicht weit weg fahren.

Und kürzere Fahrtzeiten beruhigen auch die Kinder auf dem Rücksitz.

Schnack Beim Wohnmobil fahren zählt im Grunde immer: Der Weg ist das Ziel! Ich bretter’ also nicht 2000 Kilometer irgendwohin und dann habe ich Urlaub, sondern ich steige ein und bin eigentlich schon da. Ich kann jederzeit anhalten und ich hab mein Zuhause mit dabei. Wenn meine Kinder mit mir im Bus fahren und fragen: „Papa, wann sind wir da?“ – der Klassiker – dann sage ich: „Wir sind schon da!“

Hast du noch Tipps, was wir auf jeden Fall mit auf unsere #RheinStories-Reise mitnehmen sollten?

Schnack Ihr nehmt am besten keinen Schlafsack mit, sondern eine richtig schöne Bettdecke – und euer Lieblingskissen! Ihr wollt euch im Bulli ja richtig wohlfühlen. Dann finde ich wichtig, dass die Küche gut ausgestattet ist. Ein scharfes Messer und kein Taschenmesser zum Brot schneiden. Und eine Lampe mit warmem Licht, die euch eine schöne Atmosphäre am Abend zaubert.

Okay, das war alles?

Schnack Damit ihr ungehemmt reisen könnt, solltet ihr autark sein – und dazu gehört auch eine Toilette an Bord.

Puh!

Schnack Ja, da lacht ihr. Das kann aber auch mal ganz gesellig sein, so morgens an der Toiletten-Entsorgungsstelle auf dem Campingplatz (lacht). Die Idee haben nämlich natürlich noch ganz viele andere Leute. Und dann steht man so in der Schlage mit seinem Toiletten-Wägelchen und kommt ins Gespräch: „Och, was gab’s denn gestern bei euch zu essen?“ „Wir haben gegrillt, war sehr schön – sehr schön!“ Und vorne ist dann jemand, der lautstark Dinge in diesen Gulli gießt – flopp, flopp, flopp. Wenn man das noch nie gemacht hat, ist das stark befremdlich. Letzten Endes ist es ein bisschen so wie Gulli sauber machen, aber irgendjemand muss den Job ja machen. Ihr könnt ja bei euch beiden dann überlegen, wer für die Toilette zuständig ist.

Also wer die Scheißebeauftragte ist? (lachen) Ohje, mal gucken, ob wir nicht doch noch eine Toilettenlösung an den Höfen finden. Aber ist ein guter Tipp!

Schnack Ene mene miste, es rappelt in der Kiste, ene mene meck und du bist weg!

Und wer ist’s ?

Schnack Ne tut mir leid, ihr müsst euch den leider teilen, den Job! Immer abwechselnd!

Na gut. Ole, danke für deine Zeit!

Schnack Ich freu mich, euch zu folgen. Und gute Fahrt!

(mkoe/malu)
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