Die Kunst des Superlativs Wie Rheinländer es mit der Angeberei halten

Meinung | Düsseldorf · Im Rheinland versteht man sich aufs Übertreiben. Doch muss der rheinische Superlativ einen wahren Kern haben, denn eins mögen Rheinländer gar nicht: grundlose Angeberei.

Egal, wie imposant: Im Nachhinein wird der eigene Fang schnell größer und schwerer.

Egal, wie imposant: Im Nachhinein wird der eigene Fang schnell größer und schwerer.

Foto: dpa/Stefan Sauer

So ein bisschen Strunzen schadet doch nicht. Die kleinen Angebereien, die leichten Übertreibungen sind dem Rheinländer eigen. Hierzulande besteht ein latenter Wettbewerb um alles und nichts. Die Düsseldorfer sagen: Mr kann och mit Rievkohke Wengk maake. Und fügen selbstbewusst hinzu: Mer stronze net, wer hant. Ob also Grund zum Prahlen besteht oder auch nicht, beschönigt wird immer. Kleine Schwächen oder größere Malheurs (wie jetzt im Frauenfußball) werden kaschiert, kleinste Erfolge ausgiebig gefeiert.

Bei diesem rheinischen Superlativ gibt es Disziplinen, die sonst keiner kennt. Da geht es um Ausdauer (beim Parademarsch oder an der Theke), um Größe und Gewicht (geernteter Früchte oder gefangener Fische) oder auch außergewöhnliche Fähigkeiten (wie das Ohrenwackeln). Die Bläck Fööss, seit einem halben Jahrhundert Sensor kölscher Lebensart, haben in ihrem Liedchen über die „Lück wie ich und du“ die vielen Schwachheiten des Lebens besungen und dem dolle Kähl, der große Sprüch am Kloppe ist, eine eigene Strophe gewidmet. Köstlich. Die Wenkmaker und Schumschläjer, also Windmacher und Schaumschläger, kommen beim Theken-Diskurs nach jedem Bierchen mehr in Fahrt und gelangen schon bald zu ungeahnten Größen.

Die Kunst aber besteht darin, nicht als aufdringlicher Stronzebüdel oder gemeiner Jrooßkotz enttarnt zu werden. Ein Körnchen Wahrheit muss gegeben sein. Die These, warum der eine oder die andere viel besser, schöner, stärker, klüger, reicher oder sonstwie besonders ist, muss zumindest plausibel klingen.

Im Dorf mit K gibt es beim Wirt meines Vertrauens (für ihn und für uns) viel zu hören. Wenn’s ihm zu bunt wird (da glöffste doch selbst net), wo möglich sogar Knies (Streit) droht, tut er das, was schon sein Vater Albert bestens konnte: Er sorgt für Ruhe (jetzt ist es aber jood), Prost zusammen. Der Deckel (auf dem die Bierrechnung steht) verrät schließlich, wer (nach Strichen) Sieger im Stronzen ist. Jeder Schrom eine Spitzenleistung. Nachweislich.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur unserer Redaktion. Er wechselt sich mit der Politikredakteurin Dorothee Krings wöchentlich ab.

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