Rheinische Lösung Nicht ärgern, bloß wundern

Meinung | Düsseldorf · Rheinländer lassen sich gern begeistern, besitzen aber auch eine gesunde Skepsis. Dem Übernatürlichen gehen sie auf den Grund – auch wenn es mehrere Anläufe braucht.

Wer so protzig auftritt wie einst Kaiser Wilhelm, wird im Rheinland gern als “decke Wellem” belächelt.

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Der Rheinländer lässt sich gern begeistern. Auch kleine Angebereien werden toleriert, wenn sie sie nicht allzu doll übertrieben sind. Wer aber diese feinen Grenzen nicht kennt, wird mit dem prunksüchtigen Kaiser Wilhelm verglichen und als decke Wellem tituliert. Wer aber mit ehrlichem Stolz vorträgt, was er alles geschafft (getrunken, gegessen, erlebt) hat, kann sich über die höchste Anerkennung an jeder Theke freuen: „Da mösse mer ene drop drenke.“ Und schon wird der nächste Rekord gebrochen: Dat schmeck noh mieh.

Die Düsseldorfer Mundartlegende Heinrich Spohr hat viele dieser Sprüche aufgeschrieben. Aber alles glaubt der Rheinländer nicht: Dat kannste anger Lütt vertälle. Niemand lässt sich gern verdommdeuvele (für dumm verkaufen). Das will auch ich nicht versuchen, obwohl ich als kleiner Horst mancher Faszination erlegen war. Das fing schon im Kindergarten an, wo die frommen Schwestern einen Zauberer eingeladen hatten, uns Kinder zu begeistern. Unser Magier arbeitete mit Kochtöpfen. Aus diesen flatterten nach entsprechender Zauberformel weiße Tauben. Das wollte ich nachmachen und ließ mir von der lieben Ordensschwester den Spruch aufschreiben. Zu Hause musste Oma den Zauberspruch vorlesen, ich wiederholte ihn, aber nichts passierte. Am nächsten Tag hakte ich im Kindergarten nach, weil ich glaubte, beim Aufschreiben wäre ein Fehler passiert. Auch der zweite Versuch scheiterte. Da hatte ich was gelernt: Net ärgere, bloß wondere.

Danach habe ich immer ganz genau hingeschaut und oft mehrfach nachgefragt. Erstes Opfer war unser Friseur. Der wollte den Wibbelstitz Horst zum ruhigen Sitzen animieren. Er versuchte es rabiat: „Sonst schneide ich dir das Öhrchen ab und koche für mich und meine Mutter Suppe davon.“ Das hat mich kaum beunruhigt, denn der Mann war an sich wirklich lieb. Ich wollte vielmehr wissen: „Wie macht Ihr das denn?“ Er hat mir das Rezept nicht verraten. Wenn heute von Schweineöhrchen die Rede ist, denke ich an den Friseur aus Kindertagen. Wie sagt der Kölner: Uns Erennerung ist et einzige Paradies, us dämm er net verdrieve werde könne.