Rheinische Lösung Was in den Kartoffelferien zählte

Meinung | Düsseldorf · Im Herbst bekamen Kinder früher schulfrei, um bei der Kartoffelernte zu helfen. Welche Fähigkeiten dann gefragt waren und warum die Rheinländer kaum etwas so schätzen wie die Knollen aus der Erde.

Kartoffeln der Sorte Annabelle.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Zu meiner Jugendzeit gab es sie noch – die Kartoffelferien. Damit genügend Helfer für die Kartoffelernte zur Verfügung standen, bekamen die Kinder schulfrei. Auch ich war im Ernteeinsatz, den meine Oma organisierte. Sie war mit mir aber nicht so zufrieden. Ich plapperte zu viel und sammelte zu wenig. Wie Opa, schimpfte sie dann. Der nämlich verdrückte sich gerne bei der Gartenarbeit, hörte vermeintlich im Haus das Telefon klingeln und war verschwunden.

Der beste Sammler, Raapkönig, war Werner aus der Nachbarschaft, nur wenig älter als ich, aber deutlich geschickter. Der konnte mit beiden Händen gleichzeitig zulangen, während ich die Einhandmethode bevorzugte.

Die Zeit der Kartoffelferien ist vorbei, die Kartoffel aber als rheinische Leibspeise geblieben. Ich freue mich schon auf die frischen Möll, die ungeschält, aber gewaschen in die Pfanne kommen. Und Rievkoche mag wohl jeder oder Ähpelschload. Oma hatte selbst die Auswahl ihres Schwiegersohnes von einem Kartoffeltest abhängig gemacht, wie Vater schmunzelt erzählte. Er wurde zum „Andienen“, sich nützlich und damit beliebt machen, verpflichtet, um Kartoffel zu setzen. Aber, akkurat, genau in Reih und Glied mussten die Pothäepel (so heißt in Mönchengladbach sogar eine Karnevalsgesellschaft) in die Erde versenkt werden. Vater meinte zwar, das sehe man später eh nicht, aber Oma wollte es preußisch-gerade.

Später wurde auch mir diese Aufgabe zugeteilt. Bei der Genossenschaft im Dorf mit dem Fahrrad gekeimte Pflanzkartoffeln holen und ein Säckchen Dünger, dann mit dem Spaten zehn bis 15 Zentimeter tiefe Löchlein graben, je eine Knolle (Achtung, die Keime nicht abbrechen) mit Dünger (Oma bevorzugte Nitrophoska Blau) hinein, Erde drauf, fertig. Im Herbst wurde geerntet, wurden die Ärpel ausgemacht. Und dann dunkel und trocken im Keller gelagert und nach und nach gekimmelt. Vorher aber musste Oma die Ärpel schelle (schälen) oder schrabbe, koche, rieve, afschödde, brode oder dämpe.

Egal, wie auch immer zubereitet, schmeckt dem Rheinländer seine Leibspeise bestens. Darum heißt es auch: Et jeht nix över ne joode Ärpel. Deshalb: Ob Broatäpel oder mit Sauce, Joode Honger.

Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.