Rheinische Gesprächsfloskeln Erleuchtung am Tresen

Meinung | Düsseldorf · Rheinländer können ausführlich über nichts reden – allein wegen des Gemeinschaftsgefühls. Bisweilen führt aber auch ein einfaches Gespräch an der Theke zur Erleuchtung – vor allem, wenn es um Zukunftsfragen geht.

 Beim Plausch an der Theke kann es um alles und nichts gehen.

Beim Plausch an der Theke kann es um alles und nichts gehen.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Das Begrüßungsritual im Rheinischen erfordert Geduld und Geschick und endet nicht selten im gekonnten Drumherumgerede. Es kommt dabei weniger darauf an, was gesagt wird. Entscheidend ist allein, dass man seinem Gegenüber glaubhaft Aufmerksamkeit vermittelt. So wird selbst im wortreichen Nichtssagen eine positive Grundstimmung vermittelt, manchmal sogar Politik gemacht: „Jut, dass wir darüber gesprochen haben!“ Worüber eigentlich? Egal!

Das habe ich jüngst auf der Steinstraße in meinem Heimatdorf mit K erfahren. Der Dialog in Kurzform: „Wie isset?“ – „Jood!“. – „Dann es jo jood, dat et jood ist.“ Wer sich auf solche Wortgeplänkel nicht einlässt, gilt schnell als Klötsch (ungehobelter Klotz). Zu Recht. Für Spökskes und Palaver müssen Mann und Frau jederzeit bereit sein: Dafür kommt der Rheinländer sogar auf einen Sprung vorbei und hört gern die Aufforderung „Setz dich enne Schlach“. Das ist ein Willkommensangebot für 15 Minuten – bis zum nächsten Schlag der Kirchturmuhr. Natürlich heißt es zu Beginn „Tach zusammen“ oder „Tachestiet“, selbstverständlich wird gefragt: „Wat saare se?“ und damit um Bericht gebeten, was derzeit Thema vor Ort ist. Die nächste Kirmes wird angesprochen („Wat hant die dann för en Musick?), der Bierpreis wird heftig debattiert, Landwirte sorgen sich um die Ernte, Gartenfreunde stöhnen „Könnt et net ens räene“. Am Ende wird festgestellt, wer – so lautet die korrekte rheinische Formulierung - „tot geblieben ist“.

Alle, die auf dem Trottoir oder am Tresen, in der Stube oder beim Sport mitreden wollen, achten aufmerksam darauf „nicht verkohlt zu werden.“ Im Rheinland ist es durchaus erlaubt, die Wahrheit den Gegebenheiten anzugleichen, aber es gibt Grenzen: „Vörr Doll verschliete“ (für dumm verkaufen), lässt sich niemand gern. Deshalb wurde dieser Tage beim Wirt meines Vertrauens die Frage „Wie isset mit Weihnachten?“ zunächst nicht ernst genommen. Als aber die Thekendebatte auf die Energiekrise kam, war zumindest einigen klar: Die Elektroleuchten am Tannenbaum könnten dunkel bleiben. Beim „Tschöh“ hatte dann doch einer die Erleuchtung: „Wer maake wie fröher Kähze aan.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort