Rheinische Lösung Was Rheinländer wach hält
Meinung | Düsseldorf · Bei manchen Themen kann man sich im Rheinland ungeteilter Aufmerksamkeit sicher sein: Wenn es um den Bierpreis beim Schützenfest geht zum Beispiel. Da gibt es sogar überraschende Nachrichten aus dem Dorf mit K.
Wer gar nichts von dem mitbekommt, was sich um ihn herum tut, wer den Eindruck vermittelt, nicht bei der Sache zu sein, muss sich im Rheinland die Anmerkung gefallen lassen: „Du kickst met de Ore, wo die angere mit schloope.“ Was meint: Deine Augen sind wohl schon auf Gute-Nacht-Stellung. Wache Aufmerksamkeit aber ist das, was hierzulande erwartet wird. Und sie wird gleichgesetzt mit geschicktem Taktieren. So sind Luuschhöhnches Menschen, die alles mitkriegen (dafür auch gerne lauschen) und jegliches erlangte Wissen für ihren Vorteil nutzen.
Bei uns im Dorf mit K. wurde so das bestgehütete Geheimnis publik, das alle bewegt, die demnächst im Festzelt ihr Gläschen heben wollen: der Bierpreis. Die Zeltwirtin, die zu zapfen und zu rechnen versteht, hat ihre eigene Kundenanalyse betrieben. Sie sagt: Höherer Preis bedeutet weniger Umsatz. So spart die kluge Frau sich trotz Inflation den Aufschlag. Andernorts müssen die Konsumenten bis zu 30 Cent Aufpreis schlucken. Im Dorf mit K. aber gibt es in der 0,2-Liter-Klasse keine Veränderung: 2,10 Euro. Das rechnet sich wohl trotzdem – bei geschätzten 50.000 Glas Bier Mindestumsatz an den Festtagen. Die Wirte drum herum kommentieren die Preisentscheidung rheinisch: „Du weißt ja, wie et is.“ Heißt konkret: Da sach ich nix zu.
Der Wirt meines Vertrauens, der traditionell gut einschenkt und den Durst seiner Stammkundschaft preismindernd einkalkuliert, liebt die Schötzebrooderschaff und ihren Könning. Dazu gehören auch treue Freunde, die gern und kräftig ihren Trinkspruch vortragen: „Ferkes – Tünn, Tünn, Tünn.“ Wer jetzt glaubt, da werde ein kleines Schwein (Ferkel) und ein schlichter Mensch (Tünnes) besungen, irrt gewaltig. Angestimmt wird (typisch rheinisch) ein Lobgesang auf einen Heiligen: Antonius mit dem Schwein – im Dorf mit K. als „Ferkes Tünn“ mit einer eigenen Kapelle geehrt, die der trinkfreudige Schützenzug St. Antonius liebevoll pflegt. Da kann man gerne schmunzeln, dem Pastor an der Theke zuprosten oder mit den Augen zwinkern. Kurzum: De Öchskes zoknibbele.
Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.