"Psy": Akrobatik in die Seele

Auf der Bühne ist keiner normal. Aber ist es ihr Publikum? Wenn die kanadischen Artisten von "Les 7 Doigts de la Main" (Die sieben Finger einer Hand) sich am Ende verbeugen, haben ihre Zuschauer in die eigene Psyche geguckt.

Wer ist nicht manchmal schlaflos oder fühlt sich als Außenseiter? Wie es einem dann ergehen kann, das zeigen die Akrobaten in "Psy" – einer unglaublich temporeichen Inszenierung, die beim "düsseldorf festival!" ihre beeindruckende Deutschland-Premiere feiert. Ihr Dreh- und Angelpunkt ist die wiederkehrende Situation des Patienten auf der Couch des Psychiaters, der bei "Psy" stets einen roten Pullover und einen Notizblock trägt. Jeder Künstler ist mal Psychiater, meist aber Patient und als solcher von Kopf bis Fuß in die unglaublichsten Situationen verwickelt: Eben noch hängt er träumend an einer Schaukel, da muss er sich schon durch eine rempelnde Menge roboterartig laufender Menschen kämpfen, die plötzlich rüde mit ihm tanzen. Oder er wird während des Gesprächs mit dem Seelendoktor in einen Kindergeburtstag seiner Jugend versetzt – wo nicht nur die übermächtige Mutter mit einer Torte auftaucht, sondern auch eine Blondine, die mit gefährlichen Dolchen wirft und jongliert.

Jongliert wird in "Psy" überhaupt viel: mit dem eigenen Körper ebenso wie mit mehr oder weniger Keulen, in der Gruppe auch mal über mehrere Etagen des flexiblen Bühnenhauses hinweg. Eine der anrührendsten Szenen ist diejenige des Paares, das sich ruhelos im Bett wälzt und daraufhin mit schlafwandlerischer Sicherheit ein gelenkiges Duett an einer Stange in der Bühnenmitte turnt. Dabei werden Kleider ebenso wenig geschont wie Muskeln und Sehnen – mancher macht mit einem Riss im T-Shirt ungerührt weiter.

Zum Beispiel bei den Gruppentherapiesitzungen, in denen es darum geht, sich etwas zuzutrauen (wie einen dreifachen Salto) oder den anderen in der Artistengruppe zu vertrauen (wenn man sich von einer Treppe herab in ihre Arme wirft). Jeder wechselt mehrfach die Persönlichkeit, ist multifunktional und dabei trotz des ernsten Themas so energetisch, dass das Publikum im Zelt am Burgplatz jubelt.

Info Nächste Vorstellung heute, 20 Uhr, Theaterzelt am Burgplatz; www.duesseldorf-festival.de

(RP)
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