Düsseldorf/ Frankfurt Polizei stoppt Geschäft mit "Ladyboys"

Düsseldorf/ Frankfurt · Eine 59-jährige Frau soll die Chefin einer Bande sein, die vor allem Transsexuelle aus Thailand in deutsche Bordelle eingeschleust und ausgebeutet hat. Beamte der Bundespolizei-Spezialeinheit GSG 9 haben sie in Siegen verhaftet.

Früh um sechs hat die Spezialeinheit die Wohnungstür eines Siegener Paares aufgestemmt. Die 59-jährige Thailänderin und ihr Lebensgefährte (67) stehen im Verdacht, mit Menschen zu handeln und sie zur Prostitution zu zwingen. Die entsprechenden Haftbefehle hatte die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main erwirkt, weitere fünf wurden zur gleichen Zeit in anderen Städten vollstreckt.

1500 Bundespolizisten waren am Mittwochmorgen in zwölf Bundesländern im Einsatz. Allein in NRW hatten 340 Beamte 20 von bundesweit 62 Wohnungen und Bordellbetrieben auf der Durchsuchungsliste, nahmen 35 Verdächtige fest und beschlagnahmten rund 220.000 Euro. "Die Bande, gegen die wir ermitteln, hat ihren Schwerpunkt ganz klar in Nordrhein-Westfalen", sagte Alexander Badle, Sprecher der Frankfurter Behörde. Die hatte Anfang des vergangenen Jahres die Ermittlungen aus Hanau übernommen, wo die örtliche Kriminalpolizei bei einem Fall von Zwangsprostitution auf das gestoßen war, was Innenminister Horst Seehofer ein "bundesweit verzweigtes Netzwerk" nannte.

Konkret legen die Ermittler der Bande zur Last, in fünf Jahren Hunderte Menschen aus Thailand nach Deutschland eingeschleust zu haben, vor allem Transsexuelle und so genannte Ladyboys: Männer, die sich zumindest teilweise Geschlechtsumwandlungen unterzogen haben, um ihre Körper lukrativer verkaufen zu können. "Das ist ein sehr spezielles Marktsegment im Rotlichtmilieu, nach dem offensichtlich eine sehr hohe Nachfrage besteht", sagte Badle. Deshalb nehmen die Menschenhändler offenbar den hohen Aufwand in Kauf, den die Einschleusung aus dem asiatischen Raum bedeutet. Sie müssen auch nicht fürchten, den großen Verbrechersyndikaten in die Quere zu kommen, die das illegale Sexgeschäft ansonsten unter sich aufgeteilt haben. Denn Banden wie die großen Rockergangs sind längst dazu übergegangen, Frauen aus Osteuropa mit Tricks nach Deutschland zu locken und hier mit Gewalt zur Prostitution zu zwingen. Das Geschäft mit den transsexuellen Prostituierten spielt für diese Banden keine Rolle.

Schätzungen zufolge arbeiten deutlich mehr als die Hälfte aller Prostituierten in Deutschland unter Zwang. Zwar trat am 1. Juli 2017 das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Es verlangt aber eine Anmeldepflicht für Prostituierte und eine alljährliche gesundheitliche Beratung. Die Sexarbeiter erhalten dann eine Anmeldebescheinigung mit Lichtbild. Zudem schreibt das Gesetz die Benutzung von Kondomen vor. Doch die Resonanz ist bisher sehr schwach. Verbände und Beratungsstellen weisen daraufhin, dass viele Sexarbeiter in der Registrierung ein Zwangs-Outing sehen. Gerade auch die Gruppe der Migrantinnen, zu denen mehr als 90 Prozent der Prostituierten zählen, wird durch das neue Gesetz nicht erreicht. Viele fürchten, durch den Lichtbildausweis erpressbar zu werden, weil in den meisten Fällen die Familien von der Tätigkeit nichts wissen. Menschenhändler können sich dies leicht zunutze machen.

Im Fall der thailändischen Prostituierten haben sich die Beschuldigten offenbar die Kosten des Transfers von den Opfern zurückgeholt: Zwischen 16.000 und 36.000 Euro sollen sie von den Eingeschleusten verlangt haben, die diese in den Bordellen der Bande abarbeiten mussten. Die Prostituierten seien sich in der Regel zwar vor der Abreise darüber klar gewesen, welcher Tätigkeit sie in Deutschland nachgehen sollten. "Über die Rahmenbedingungen aber wurden sie getäuscht", sagte Badle. Auch der Staat sei so geschädigt worden: Die Prostituierten seien nicht nur nicht bezahlt worden, sondern auch nicht sozialversichert gewesen. "Wir gehen davon aus, dass den Sozialkassen durch die Bande zwischen 2012 und 2017 ein Schaden in Höhe von etwa 1,6 Millionen Euro entstanden ist", so der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft.

Allein in Siegen soll das Paar drei Bordelle betrieben, mit anderen Etablissements eine Art Ringtausch praktiziert haben. In Düsseldorf steht ein Bordell im Stadtteil Oberbilk im Verdacht, zu dem Netzwerk zu gehören. Als die Bundespolizei dort gestern Morgen anklopfte, war allerdings niemand da.

(RP)
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