Düsseldorf Polizei kassiert Handy nach Unfall ein

Düsseldorf · NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) kündigt härteres Vorgehen gegen Autofahrer an, die sich nicht an die Vorschriften halten. Außerdem will er die Blitzmarathons fortsetzen. Zu hohe Geschwindigkeit ist Unfallursache Nummer eins.

Autofahrer, die in NRW am Steuer ohne Freisprechanlage telefonieren, müssen künftig mit einem härteren Vorgehen der Polizei rechnen. Wenn bei einem Unfall mit verletzten Personen der Verdacht besteht, dass der Fahrer durch sein Handy abgelenkt war, werde die Polizei das Gerät sicherstellen, kündigte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz 2014 an. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft werde das Mobiltelefon anschließend untersucht. Dabei gehe es nicht um die Inhalte von Gesprächen, sondern ausschließlich um die Frage, ob es zum Zeitpunkt des Unfalls eine Kommunikationsverbindung gab, betonte der Minister. Dieses Vorgehen, das bereits in Köln praktiziert wird, solle landesweit Standard werden.

Die Polizei registriert laut Jäger mit großer Sorge, dass sich Autofahrer zunehmend ablenken lassen. Etwa jeder zehnte Unfall sei darauf zurückzuführen, sagte er mit Hinweis auf eine Schätzung des Automobilclubs Europa (ACE). Eine immer größere Rolle spielten dabei die Smartphones. Etwa drei Prozent der Autofahrer telefonierten ständig verbotswidrig am Steuer, ohne die Folgen zu bedenken: "Wer bei Tempo 50 den Blick für zwei Sekunden von der Straße abwendet, um aufs Display zu schauen, fährt fast 30 Meter im Blindflug", sagte Jäger. Telefonieren am Steuer sei damit genauso gefährlich wie 0,8 Promille Alkohol im Blut. Wer während des Fahrens eine SMS schreibe, reagiere sogar wie ein Fahrer mit 1,1 Promille im Blut.

Autofahrer sollten wissen, dass das Ablesen von Uhrzeit, Telefonnummern oder SMS im Handy-Display ebenso untersagt ist wie das Wegdrücken eines Anrufs. Das Verbot gilt auch für die Bedienfunktionen des Handys als Navi. Wer dagegen an einer roten Ampel den Motor abstellt, telefoniert und dann das Gespräch beendet, bevor er den Wagen wieder startet, kann nicht belangt werden.

Wer bei einem unerlaubten Handy-Gespräch am Steuer erwischt wird, muss ein Bußgeld von 60 Euro zahlen. Außerdem erhält er einen Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei. Auch Fahrradfahrer dürfen beim Radeln nicht mit dem Handy am Ohr telefonieren. Andernfalls müssen sie mit einem Bußgeld von 25 Euro rechnen.

In NRW wird die Handynutzung bei Unfällen mit Verletzten oder hohem Sachschaden seit 1998 ermittelt. Pro Jahr sind es zwischen 115 und 169 Fälle, wobei es laut Jäger "ein sehr großes Dunkelfeld" gibt.

Nach dem historischen Tief 2013 ist im vergangenen Jahr die Zahl der Verkehrstoten in NRW wieder deutlich gestiegen. Auf den Straßen starben landesweit 520 Menschen; das sind 41 (8,6 Prozent) mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der Schwerverletzten stieg um elf Prozent auf 13 490 Fälle. Bei den Leichtverletzten wurde eine Zunahme um 5,5 Prozent von 59 998 auf 63 271 Menschen registriert.

Zu den häufigsten Unfallursachen gehören laut Jäger Alkohol am Steuer (rund zehn Prozent) sowie Missachten der Gurtpflicht (vor allem auf den hinteren Sitzen). Ursache Nummer eins (30 Prozent) bleibe jedoch die zu hohe Geschwindigkeit. Deswegen werde NRW die Serie der Blitzmarathons fortsetzen. Immer mehr Staaten in Europa nutzten dieses Konzept: "Es zählt zu den wirkungsvollsten Aufklärungskampagnen." Den Einwand, die Blitzaktionen beanspruchten zu viele Polizeikräfte, die an anderer Stelle fehlten, wies Jäger zurück. Das eingesetzte Personal stamme fast ausschließlich aus dem Bereich Verkehrspolizei.

Die CDU wendet ein, dass die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten in NRW im vergangenen Jahr trotz der Blitzmarathons gestiegen sei. "Wie das zusammenpasst, ist uns ein Rätsel", so der Verkehrsexperte Klaus Voussem. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wiederum beklagt, dass Polizisten in NRW jedes Jahr tausende Stunden vor Gericht damit verbringen müssten, als Zeugen die Richtigkeit von Messprotokollen zu bestätigen. GdP-Landeschef Arnold Plickert: "Wenn es keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung gibt, macht die massenhafte Befragung der Polizisten keinen Sinn." Jede Stunde, die ein Polizeibeamter nicht vor Gericht, sondern auf der Straße verbringe, sei "ein Gewinn für die Verkehrssicherheit".

(RP)
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