Diesel-Streit NRW schließt Fahrverbote nicht mehr aus

Düsseldorf · Lange hat die Regierung den Eindruck erweckt, als seien Diesel-Fahrverbote in NRW schon rechtlich gar nicht möglich. Nun rudert sie auf Raten zurück. Und unabhängige Experten rechnen sowieso damit.

 NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU).

NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU).

Foto: dpa/Henning Kaiser

Die Landesregierung rudert beim Thema Diesel-Fahrverbote zurück. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) will nicht mehr ausschließen, dass es auch in NRW dazu kommt. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte zuvor den Eindruck erweckt, Fahrverbote in NRW seien rechtlich gar nicht möglich.

Heinen-Esser sagte im Interview mit unserer Redaktion auf die Frage, ob sie mit Fahrverboten in NRW rechne: „Ich arbeite intensiv daran, sie zu verhindern. Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingt, wenn alle an einem Strang ziehen. Wenn nicht, kann ich es natürlich nicht versprechen, da wir uns in gerichtlichen Auseinandersetzungen befinden. Am Ende entscheiden die Gerichte.“

Damit korrigiert die Landesregierung ihre ursprüngliche Position auf Raten. Im März 2018 erklärte Laschet Fahrverbote noch für „unverhältnismäßig und damit rechtswidrig“ und verwies in diesem Zusammenhang sogar auf die Weisungsbefugnis der Landesregierung gegenüber nachrangigen Behörden. Im November relativierte er diese Aussage als eine Rechtsauffassung, die noch der gerichtlichen Überprüfung bedürfe. Nun drückt sich seine Umweltministerin mit einer auffallend komplizierten Formulierung vor jeglicher Prognose.

Wegen zu hoher Schadstoffbelastungen haben Gerichte Diesel-Fahrverbote für Köln, Bonn, Essen und Gelsenkirchen verfügt und für Aachen als wahrscheinlich bezeichnet. Das Land ist in jedem dieser Fälle in Berufung gegangen. „Es ist zu erwarten, dass die laufenden Berufungsverfahren in 2019 abgeschlossen werden“, sagte Heinen-Esser.

Mehrere von unserer Redaktion befragte Experten gehen davon aus, dass es am Ende zu Fahrverboten in NRW kommen wird. Christofer Lenz, Spezialist für Verwaltungsrecht an der Universität Stuttgart, sagte: „Naheliegend ist nach der bisherigen Rechtsprechung, dass das Oberverwaltungsgericht in Münster die erstinstanzlich verfügten Fahrverbote bestätigt.“ Denkbar sei aber auch, dass Münster den Europäischen Gerichtshof einbindet. Dadurch wäre „viel Zeit gewonnen, in der die natürliche Erneuerung der Fahrzeugflotte zu sinkenden Schadstoffwerten und einer kleineren Zahl von betroffenen Dieselfahrern führt.“

Ursula Steinkemper, Expertin für Umweltrecht bei der internationalen Kanzlei CMS, sagte: „Die rechtliche Großwetterlage deutet darauf hin, dass künftige Fahrverbote in NRW eher wahrscheinlich sind.“ NRW müsse sich jedenfalls darauf einstellen.

Elke Hübner, Juristin beim ADAC, sagte: „Die Kommunen in NRW arbeiten derzeit mit Hochdruck an der Vorbereitung von Ausnahmeregelungen. Deshalb ist zu vermuten, dass die Kommunen selbst von Fahrverboten ausgehen.“

Laut Heinen-Esser haben die Diesel-Fahrer die prekäre Lage „einer allgemeinen Untätigkeit über mehr als zehn Jahre“ zu verdanken: „Dass ab dem Jahr 2010 der Grenzwert einzuhalten sein würde, war lange vorher bekannt“, so die Ministerin. Neben der Automobilindustrie, die diese Sachlage ignoriert habe, trage aber auch die Politik eine Mitverantwortung: „Schon vor einigen Jahren hätte die Politik Druck auf die Hersteller ausüben müssen. Seit 2010 hätten sie die Möglichkeit dazu gehabt“, sagte Heinen-Esser.

(tor)
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