Prozess um „Scharia-Polizei“ Sven Lau – der Mann mit zwei Gesichtern

Wuppertal · Sven Lau war das bekannteste Gesicht des radikalen Salafismus in Deutschland. Seit wenigen Tagen ist er wieder ein freier Mann. In Wuppertal trat er erstmals seit seiner Haft wieder öffentlich auf. Als Zeuge vor Gericht.

 Sven Lau (M.) mit der „Scharia-Polizei“ auf einem Bild von 2014. (Archiv)

Sven Lau (M.) mit der „Scharia-Polizei“ auf einem Bild von 2014. (Archiv)

Foto: Screenshot Facebook

Sven Lau will sich verstecken. Das geht aber nicht. Der gläserne Gang, durch den er den Gerichtssaal betritt, zwingt ihn zunächst zu ein paar Schritten in Richtung Publikum, bevor er nach links in den Zeugenstand abbiegen kann. Kameras klicken. Ein gutes Dutzend Journalisten zückt die Kugelschreiber. Wie sieht jemand aus, der jahrelang als Terrorhelfer im Gefängnis saß?

Der Prozess vor dem Wupper­taler Landgericht ist Laus erster öffentlicher Auftritt, seit er vor wenigen Tagen aus der Haft entlassen wurde. Vorzeitig. Weil er dem religiösen Fanatismus abgeschworen hat. Wie sieht das einst bekannteste Gesicht des radikalen Salafismus in Deutschland heute aus?

Niemand wird gerne begafft. Auch Lau nicht. Also verbirgt er sein prominentes Gesicht hinter einer Grimasse. Lau zieht das Kinn nach unten und die Augenbrauen nach oben so weit er kann. Das hellblaue Hemd trägt der 38-Jährige an diesem Freitag leger über einer schwarz-grauen Hose, sein Haar hat er streng zurückgekämmt. Lau nimmt gegenüber dem Richter Platz, stützt die verschränkten Arme auf einen Tisch. Diese Pose wird er in den kommenden knapp zwei Stunden kaum noch verändern.

Anders als in seinem eigenen Terror-Verfahren 2017 ist Lau für das Gericht an diesem Tag nur Randfigur. Denn heute geht es um jene Gruppe muslimischer Eiferer, die 2014 als selbst ernannte „Scharia-Polizei“ mehr oder minder uniformiert durch die Wuppertaler Straßen patrouillierten. Der Trupp wollte das Gesetz Allahs durchsetzen. Lau war beteiligt, ist aber nicht mehr angeklagt . Denn vor dem Hintergrund seiner anderen Straftaten schrumpfte sein Beitrag zur selbst ernannten Scharia-Polizei zur Bagatelle. Heute ist Lau nur ein Zeuge.

Er bedauere die Aktion, sagt Lau. Dabei wippt er mit dem Oberkörper hektisch vor und zurück. Es sei eine „spontane Aktion“ gewesen, und er habe die öffentliche Aufmerksamkeit unterschätzt. Selbst die Bundesregierung machte den Vorfall damals zum Thema. „Ich war überwältigt, was danach passiert ist“, sagt Lau. Ziel sei gewesen, „Muslime an ihre Religion zu erinnern“. Auch zuvor sei er schon auf Bier trinkende Glaubensbrüder in der Wuppertaler Innenstadt zugegangen. „Die habe ich dann umarmt und eingeladen, in die Moschee zu kommen“, erzählt Lau.

Sieht so ein ehemaliger Hassprediger aus, der mit einer Kalaschnikow auf Panzern posierte, ausländische Terroristen mit technischem Gerät versorgt hat und junge Männer an islamistische Kampftruppen vermittelte? Oder ist das eher der brave Feuerwehrmann aus Mönchengladbach, der für kleines Geld das Leben anderer Menschen rettet und sich privat um Frau und Kinder sorgt? Lau war beides. Erst hat er Brände gelöscht, dann geschürt.

Jetzt ist er „arbeitssuchend“, wie er dem Gericht bei der Feststellung seiner Personalien mitteilt. Seine Wohnadresse bleibt geheim. Denn Lau will sich ja verstecken. Ob vor der Rache seiner einstigen Mitkämpfer oder vor seiner eigenen Vergangenheit, bleibt unklar. Aber das geht das Gericht auch nichts an. Lau ist ein freier Mann.

Unter den Zuschauern sitzen Leute wie Bernhard Falk. Der stämmige Mann saß wegen linksterroristischer Verbrechen selbst schon über zwölf Jahre in Haft und gilt heute als Islamist. Falk hat Lau im Gefängnis besucht. „Der war islamischer Prediger und ist heute ein völlig anderer Mensch“, sagt Falk über Lau. Das klingt wie ein Lob. Wenn es jemand wie Falk sagt, ist es aber wohl eher als Vorwurf gemeint. Oder als Drohung? Man ahnt, warum Lau die Öffentlichkeit inzwischen meidet.

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