Bahnhof in Wuppertal Mann springt mit Kind vor Zug — Arzt diagnostiziert Psychose

Wuppertal · Am Bahnhof in Wuppertal greift sich ein Mann einen fremden Jungen und springt mit ihm vor einen Zug. Wie durch ein Wunder überleben beide. Einem Psychiater sagt der Mann später, er höre schon seit einiger Zeit Stimmen.

 Ein Zug steht am Bahnsteig im Bahnhof in Wuppertal. (Symbol)

Ein Zug steht am Bahnsteig im Bahnhof in Wuppertal. (Symbol)

Foto: dpa, mg htf

Der Mann hatte sich den Jungen am Donnerstagabend an Gleis 5 im Wuppertaler Hauptbahnhof gegriffen und war mit ihm vor den Zug gesprungen - vor den Augen der entsetzten Eltern und Geschwister. Der Lokführer der einfahrenden S-Bahn sah den Mann und das Kind zwar noch und löste auch eine Notbremsung aus, konnte aber nicht mehr verhindern, dass die tonnenschwere Lok die beiden Menschen überrolte.

Trotzdem überlebten sie - offenbar weil der 23-Jährige sich mit dem Kind zwischen die Schienen gelegt hatte. Zuerst kletterte der Junge zurück auf den Bahnsteig - äußerlich trug er Schürfwunden davon. Dann tauchte auch sein Peiniger auf. Passanten packten ihn und hielten ihn fest, bis die Polizei eintraf.

Mann ist der Polizei bekannt

Mann und Familie hatten sich vorher nicht gekannt, wie die Ermittlungen ergeben haben. Der 23-järhige Inder soll seit vielen Jahren in Gelsenkirchen leben und der Polizei wegen kleinerer Delikte bekannt sein. "Das waren Aggressionsdelikte und Schwarzfahren", sagte Staatsanwalt Hauke Pahre am Freitag.

Nun wird wegen versuchten Mordes gegen den 23-Jährigen ermittelt. Der Staatsanwalt wirft ihm Heimtücke vor. Die Familie des fünfjährigen Jungen wird von Seelsorgern betreut. Auch der Lokführer ist von dem Geschehen mitgenommen: "Er ist heute krank und wird psychologisch betreut", sagte ein Bahnsprecher am Freitag.

Unterbringung in Psychiatrie

Das Motiv des Täters ist bisher unklar. In der Vernehmung habe er geschwiegen, sagte ein Polizeisprecher. Zunächst wurde ein erweiterter Suizidversuch vermutet. Später wurde ein Psychiater hinzugezogen. Ihm berichtete der 23-Jährige, dass er seit einer Weile Stimmen höre. Der Facharzt attestierte dem Verdächtigen eine schizophrene Psychose.

Der 23-Jährige wurde von einem psychiatrischen Sachverständigen untersucht und auf Antrag der Wuppertaler Staatsanwaltschaft dem Richter vorgeführt, der einen Beschluss zur einstweiligen Unterbringung des Mannes in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung erließ. Wie zudem bekannt wurde, hatte das Amtsgericht Gelsenkirchen den psychisch auffälligen Mann bereits unter Betreuung gestellt.

Dass Mann und Kind nicht schwerer verletzt wurden, liegt am sogenannten Lichtraumprofil. Dieses gilt für den Abstand von Gleisen und Schienenfahrzeugen. Es sieht "lichten" - also freien - Raum zwischen den Schienen und dem Fahrzeugboden vor. "Ein normal großer Mann - 80 Kilogramm schwer und 1,90 Meter groß - kann längs in der Mitte der Schiene liegen, ohne dass er verletzt wird, wenn ein Zug über ihn hinwegrollt", sagte der Eisenbahn-Ingenieur Olaf Scholtz-Knobloch aus Meerbusch unserer Redaktion.

"Ich möchte das nie erleben"

Das gilt für die meisten Züge wie S-Bahnen, Regionalexpresse, IC und ICE. Dort beträgt der Abstand von Gleis zum Fahrzeugboden etwa einen Meter. Die Bahn und private Eisenbahnunternehmen wie etwa National Express setzen aber auch sogenannte Niederflurfahrzeuge ein. Dort ist der Abstand stellenweise etwas geringer, weil dort das Fahrzeugequipment etwas tiefer hängt.

Die Geschwindigkeit, mit der ein Zug fahre, spiele keine Rolle, sagte der Eisenbahn-Sachverständige weiter. Der lichte Raum biete auch bei hoher Geschwindigkeit Schutz. Aber: Je schneller der Zug, desto größer die Angst und desto höher werde das Risiko einer unkontrollierten Bewegung. Denn wer schon von Innen den Schienenrand berühre, könne sich verletzten. Dann komme er mit den Spurkränzen der Räder in Kontakt. "Ich möchte nie erleben, dass so viel massives Eisen über mich hinwegrollt."

(mit Material der Nachrichtenagentur dpa)

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(heif)
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