Synagoge in Wuppertal Knobloch: "Bedrohlichste Zeit seit 1945"

Wuppertal · Drei Männer haben in der Nacht zu Dienstag mehrere Molotowcocktails auf die Synagoge in Wuppertal geworfen. Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, reagierte fassungslos. Die frühere Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch sagte, Juden sollten sich derzeit nicht als solche zu erkennen geben.

Männer werfen Brandätze auf Synagoge
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Um zwei Uhr morgens meldete einer Anwohnerin einen Brand im Bereich der Bergischen Synagoge an der Gemarker Straße in Wuppertal-Barmen. Polizisten fanden auf der Fahrbahn einen brennenden Gegenstand, am Eingang des Gebäudes lagen mehrere zum Teil zerbrochene Flaschen.

Die Männer hätten die Sprengsätze offenbar auf den Eingang der Synagoge geworfen und seien dann geflüchtet, teilte die Polizei mit. Ein 18 Jahre alter Tatverdächtiger sei in der Nähe des Gebäudes festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal teilte mit, der junge Mann sei im Besitz einer aufenthaltsrechtlichen Duldung. Seine Staatsangehörigkeit sei bislang ungeklärt. Gegenüber der Polizei habe er sich als Palästinenser bezeichnet. Den Tatvorwurf selbst habe er bestritten. Im Eingangsbereich des Gebäudes fand die Polizei mehrere zum Teil zerbrochene Flaschen. Die anderen beiden mutmaßlichen Mittäter sind weiter flüchtig. Die Ermittlungen dauern an.

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Foto: Screenshot Twitter

Laut Polizei wurde niemand verletzt. Auch Sie Synagoge wurde bei dem Vorfall nicht beschädigt. Über die Hintergründe der Tat wurde zunächst nichts bekannt. Die Ermittlungen dauern an.

Jäger verurteilt "Brandanschlag"

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland reagierte fassungslos auf den Vorfall in Wuppertal: "Schon im Vorfeld gab es diverse Drohungen gegen jüdische Einrichtungen, die einer ganz besonderen Aufmerksamkeit der Behörden bedarf. Niemand in Deutschland darf es jemals akzeptieren, dass wie in den vergangenen Tagen zu häufig geschehen, schockierender Hass gegen Juden auf deutschen Straßen offen propagiert und in die Tat umgesetzt wird. Antisemitismus in Deutschland muss mit allen Mitteln bekämpft werden", sagte er unserer Redaktion.

Die frühere Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch sagte, falls die Synagoge in Wuppertal nicht ausreichend geschützt gewesen sei, wäre dies sehr bedenklich. "Was wir derzeit erleben, ist die kummervollste und bedrohlichste Zeit seit 1945. Bei uns stehen die Telefone nicht still, die Mail-Postfächer quellen über. Wir sind konfrontiert mit Beleidigungen und Hassparolen." Juden in Deutschland sollten sich derzeit nicht als Juden erkennbar machen, sagte Knobloch dem "Kölner Stadtanzeiger". Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern forderte die Bundesländer auf, die Sicherheitsmaßnahmen auf das höchste Niveau hochzuschrauben.

Der für Wuppertal zuständige katholische Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp sagte im Kölner domradio, der Anschlag sei eine verabscheuungswürdige Tat. "Von welcher Seite auch immer eine solche Saat des Unfriedens gesät wurde - alle Menschen guten Willens sind jetzt aufgerufen zusammen zu stehen, damit sie nicht aufgeht."

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sprach offen von einem "Brandanschlag", den er scharf verurteilte: "Es handelt sich um eine feige und hinterhältige Tat. Gewalt und Antisemitismus sind durch nichts zu rechtfertigen", sagte er der dpa. Die NRW-Polizei gehe "entschlossen gegen antisemitische Hetze und Gewalttaten" vor.

In sozialen Netzwerken und Internetforen wurde noch am Dienstag zu einer Solidaritätskundgebung mit dem Thema "Solidarität mit der jüdischen Kultusgemeine und Kampf gegen jeden Antisemitismus"aufgerufen. Ab 17 Uhr versammelten sich friedlich rund 250 Personen, die deutlich ihre Verbundenheit mit der jüdischen Kultusgemeinde zum Ausdruck brachten.

Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen

In der vergangenen Woche war die Wuppertaler Synagoge bereits von Unbekannten beschmiert worden. Zudem hatte es in der vergangenen Woche Drohungen gegen eine Synagoge in Essen gegeben. Die Polizei nahm vier Männer ins Visier, die über Facebook mit einer Aktion gegen das Gebäude gedroht hatten. Die Ernsthaftigkeit dieser Drohung ist noch unklar. Vor einer Demonstration gegen die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen vor rund zwei Wochen waren in Essen 14 Menschen vorläufig festgenommen worden. Die Polizei hatte sie in Verdacht, die Kundgebung zu einer Aktion gegen die Alte Synagoge nutzen zu wollen.

Mit Blick auf den Gaza-Konflikt hat die NRW-Polizei die Schutzmaßnahmen an jüdischen und israelischen Objekten nochmals erhöht. Man habe "qualitativ hohe Schutzmaßnahmen" für die Synagoge getroffen, sagte ein Sprecher der Wuppertaler Polizei. Eine Überwachung des Gebäudes rund um die Uhr gebe es jedoch nicht.

Mit Agenturmaterial

(lnw)
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