Kritik an Betreuungsangeboten und fehlender Digitalisierung Offener Brief der „Working Moms“ an Ministerien in NRW

Düsseldorf · Der Düsseldorfer Niederlassung des Vereins „Working Moms“ hat sich in einem offenen Brief an mehrere Ministerien in NRW gewandt. Die berufstätigen Mütter stellen darin klare Forderungen an das Land.

„Sehr geehrte Frau Gebauer, sehr geehrte Frau Scharrenbach, sehr geehrter Herr Dr. Stamp,

Frauen, die auch mit Kindern ambitioniert ihren Karriereweg verfolgen, sind in Deutschland noch immer die Ausnahme. Die Working Moms stehen dafür, dass Frauen selbstverständlich beides haben können – Kinder und Karriere. Als Vorbilder und Mentorinnen ermutigen wir Mütter zur beruflichen Weiterentwicklung und ambitionierte Frauen zur Familiengründung (www.workingmoms.de). Deutschlandweit sind wir fast 600 Mitglieder, viele unserer Mitglieder haben Führungspositionen inne.

In unserem Verein in Düsseldorf breitet sich zunehmend Unmut aus: Wir sehen uns als Familien, in denen (auch) die Mütter ambitioniert berufstätig sind, durch die politischen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise in besonderem Maße belastet. Neben einer anspruchsvollen Berufstätigkeit war und ist die Betreuung und Ausbildung unserer Kita-und Schulkinder über Wochen und Monate nicht zu leisten –auch nicht im Homeoffice.

Wir wenden uns dabei direkt an Sie als Landesminister, da die Themen sowohl Familie und Kleinkinder, Schulbetrieb sowie nicht zuletzt die Gleichstellung der Eltern und Förderung weiblicher Führungskräfte betrifft. Bitte helfen Sie uns, dass Frauen nicht ob der monatelangen Überlastung wieder faktisch in alte Geschlechterrollen hineingepresst werden, ihre Karriere hintenanstellen und Chancen vorbeigehen lassen (müssen). Viele innovative Ideen wie die Einbindung von Lehramtsstudenten, Vereinen und Freiwilligen und die Nutzung von Museen und Hochschulen für den erhöhten Raumbedarf der Kitas und Schulen wurden Ihnen sicherlich bereits unterbreitet. Vieles findet unsere volle Zustimmung. Wir begrüßen auch sehr, dass in NRW nunmehr die Kindergärten und Kindertagesstätten einen eingeschränkten Regelbetrieb wieder aufgenommen haben und nun auch die Grundschulen wieder starten.

Doch wir wollen mehr. Wir wollen eine Perspektive, in der die Kinder im Mittelpunkt stehen, wie auch immer die zukünftige Pandemiesituation im Sommer, im Herbst, Winter oder im nächsten Jahr aussehenmag:

Wir brauchen Mindestbetreuungszeiten an Kitas und Schulen, die es Familien ermöglichen, den Anforderungen im Beruf gerecht zu werden. Diese sollte allen berufstätigen Eltern offenstehen, die eine Betreuung benötigen. Die Wiederöffnungen vor den Sommerferien müssen engmaschig vonepidemiologischen Studienbegleitetwerden, um dasPersonal dieser Einrichtungennichtzu gefährden und eine eindeutige Datenlage für weitere Schritte nach den großen Ferien zu schaffen.

WirbrauchenMindeststandardsfürdigitalenUnterricht.EinjenachCorona-Szenariovariabler Anteil an digitalem und Präsenz-Unterricht muss einen vergleichbaren Qualitätsanspruch erfüllen. Bildung ist systemrelevant! Eine hohe Qualität des Unterrichts ist eine elementare Grundvoraussetzung, um die Chancengleichheit in unserem Bildungssystem zuverbessern.

WirbrauchenzuverlässigesFeedbackfürdieSchülerinnenundSchüler.Lernenfunktioniertam effektivsten über Rückmeldungen. Korrigierte Hausaufgaben, persönliche Rückmeldungen und Lob stärken nicht nur den Lernerfolg, sondern auch dieMotivation.

Wir brauchen Lösungen für die Ferienbetreuungen, die aktuell komplettentfallen.

WirbraucheneinefunktionierendedigitaleInfrastruktur.BisnachdenSommerferiensollteder Zugriff auf Lernplattformen und Onlineunterricht zuverlässig möglich sein. Lehrer und Schüler sollten technisch ausreichend ausgestattet sein. Die Schulen benötigen hier mehr Unterstützung,einelandesweiteinheitlicheLösungscheintunssinnvollunddringendnötig.Der Etat des Digitalpaktes ist nach unserem Verständnis genau dafürda.

Wir brauchen digital gebildete und motivierte Lehrerinnen und Lehrer. Digitale Ausbildungsformate für digitalen Unterricht sollten bei den Lehrenden als lernerprobten Akademikern schnell und wirkungsvoll einzusetzensein.

Wir brauchen einen landesweiten Think Tank für digitale Lehrinhalte. Damit die besten KonzepteVerbreitungfinden.DamitfürdieeinzelnenLehrermehrZeitfürdiePräsenzlehreund die dringend nötigen Rückmeldungen und persönlichen Kontakte mit den Schülernbleibt.

Wir brauchen eine Online-Lehre, die den Präsenz-Unterricht ergänzt, langfristig auch über die Corona-Zeit hinaus genutzt werden kann und allgemeine Medienkompetenz vermittelt. Nach der Krise ist vor derKrise.

Wir brauchen Bildungspläne, die Zukunftskompetenzen trainieren: Lernen lernen, Selbstorganisation, digitale Führerscheine, Recherche im Internet, Prüfen und Bewerten von Informationen, Meinungsbildung und Kreativität.

Sehr herzlich laden wir Sie zu einem digitalen Clubabend mit uns Working Moms in Düsseldorf ein – oder, sobald möglich, auch gerne ganz analog mit gebührendem Sicherheitsabstand. Bitte betrachten Sie uns als lösungsorientierte Diskussionspartnerinnen, die die Situation vonFamilien mit berufstätigen Eltern vertreten und damit von vielen, vielen Familien in NRW. Wir haben alle Maßnahmen und Schließungen mitgetragen, unsere Kinder von Kontakten mit Gleichaltrigen und ihren Großeltern abgehalten. Jetzt ist es an der Zeit, dass Sie kurz-, mittel-und langfristige Szenarien entwickeln und innovative Maßnahmen ausrollen, um den Familien eine planbare Perspektive zu geben und für zukünftige Krisensituationen gerüstet zusein.

Es grüßen Sie aus dem Homeoffice, der Notaufnahme und vielen anderen Einsatzorten mit Homeschooling und Homekindergardening die Working Moms aus Düsseldorf.“

(dtm)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort