Terrorgefahr Wie sicher Jülichs Atomfässer sind

Jülich · Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden wird das Kernforschungszentrum in Jülich gut bewacht. Nur bei schweren Erdbeben könnte es ernsthafte Probleme geben. Auf dem Areal wird radioaktives Material in Fässern gelagert.

In den im Forschungszentrum Jülich zwischengelagerten Castor-Behältern befinden sich radioaktive Brennelemente aus dem ehemaligen Kugelhaufen-Hochtemperaturreaktor.

In den im Forschungszentrum Jülich zwischengelagerten Castor-Behältern befinden sich radioaktive Brennelemente aus dem ehemaligen Kugelhaufen-Hochtemperaturreaktor.

Foto: Andreas Endermann

Ein kilometerlanger Zaun aus Stachel- und Maschendraht umgibt den abseits der Stadt Jülich in einem Wald gelegenen Gebäudekomplex. Das Areal, auf dem das Forschungszentrum Jülich steht, gleicht einer militärischen Sperrzone. Der Zugang ist abgeriegelt wie ein Hochsicherheitsgefängnis. Der einzige Weg dorthin wird mit Kameras überwacht.

Nur wer sich als Mitarbeiter ausweisen kann oder eine Sondergenehmigung für das Betreten des Geländes hat, wird von den Sicherheitsleuten vorbeigelassen. Eine fast schnurgerade, 2500 Meter lange Privatstraße führt von dort zurück in die Stadt Jülich. Verkehrsschilder warnen die Autofahrer auf dem Weg vor Rollsplitt. Der Sicherheitsdienst der Forschungseinrichtung sieht jeden, der auf der Straße unterwegs ist.

Auf dem Gelände wurde bis 1988 ein Forschungsreaktor betrieben. Dessen Rückbau dauert noch an und soll bis 2022 abgeschlossen sein. Die radioaktiv belasteten Reaktorbehälter und die hochstrahlenden Brennelemente lagern dort in einem Zwischenlager. Seit Jahren fordert die Atomaufsicht, dass diese Elemente dort verschwinden, weil Jülich in der Niederrheinischen Bucht liegt, einem Erdbebengebiet. Und gegen schwere Erschütterungen sei das Zwischenlager nicht ausreichend geschützt, meint die Aufsichtsbehörde.

Berichte über Unterlagen von Jülich bei Abdeslam dementiert

Erschüttert reagierten die Verantwortlichen des Forschungszentrums am Donnerstag auf eine Meldung des Berliner Redaktionsnetzwerkes Deutschland (RND), wonach der mutmaßliche Paris-Attentäter Salah Abdeslam Unterlagen über das Forschungszentrum in seiner Wohnung gehabt haben soll. Doch dabei handelte es sich offenbar um eine Falschmeldung. "Uns selbst liegen keinerlei Hinweise vor. Wir stehen hierzu in Kontakt mit den zuständigen Sicherheitsbehörden und der Atomaufsicht", teilte ein Sprecher mit.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat ebenfalls bestätigt, dass an der Meldung nichts dran sei. Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen habe in dieser Angelegenheit keine Gespräche mit Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums geführt, erklärte seine Behörde in einer Stellungnahme. Auch die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden haben keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Terroristen das Jülicher Zentrum ins Visier genommen haben können. "Da liegt uns überhaupt nichts vor. Wirklich nicht", betont ein Sprecher des Innenministeriums.

Das Redaktionsnetzwerk hatte behauptet, Maaßen habe mehrere Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages über entsprechende Anschlagspläne unterrichtet. Demnach sollten ausgedruckte Internet-Artikel über die ehemalige Kernforschungsanlage und Fotos des Vorstandschefs gefunden worden sein.

Experten: Islamisten versuchen an radioaktive Elemente zu gelangen

Auch wenn an dieser Meldung nichts dran zu sein scheint, steht Terrorismusexperten zufolge fest, dass radikale Islamisten weltweit versuchen, an radioaktive Elemente zu gelangen, um damit eine "schmutzige Bombe" bauen zu können. Besonders nach den Brüsseler Anschlägen gerieten die Atomanlagen in Belgien, aber auch in Deutschland in den Fokus einer öffentlichen Sicherheitsdebatte.

So waren im belgischen Atomkraftwerk Tihange sofort nach den Anschlägen alle Mitarbeiter, die man nicht für den unmittelbaren Betrieb des Meilers benötigte, aus Sicherheitsgründen nach Hause geschickt worden. Man befürchtete, dass sich Terroristen unter ihnen hätten befinden können. Dem war aber nicht so, wie sich später herausstellte.

Nach Angaben des Bundesumweltministeriums sind deutsche Atomkraftwerke und Einrichtungen wie das Zentrum in Jülich gut gegen Terrorangriffe geschützt.

Die Umweltorganisation BUND kritisiert jedoch, dass die Meiler gegen Attacken aus der Luft wie etwa am 11. September 2001 in den USA nicht ausreichend gerüstet seien. Sollte etwa ein Flugzeug gezielt in ein Atomkraftwerk gesteuert werden, würden die Mauern einstürzen und radioaktives Material austreten. Zur Abwehr würden Vernebelungsanlagen angeworfen, die das AKW in dichten Rauch hüllen. Das soll den Piloten so irritieren, dass er sein Ziel verfehlt. Einen solchen Fall hat es aber noch nicht gegeben.

(csh)
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