Serie Düsseldorfer Geschichten (100) Wie ein Delfin Luca zum Lächeln bringt

Düsseldorf · Wir haben vor einigen Wochen die Geschichte von Luca erzählt, der seit seiner Geburt hochgradig behindert ist. Viele Spenden haben dem Dreijährigen eine Delfintherapie ermöglicht.

Delfintherapie für Luca
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Delfintherapie für Luca

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Foto: Eric Heimann

Sie sind nicht mit großen Erwartungen in den Flieger nach Curacao gestiegen. Seit Lucas Geburt im April 2009 leben Eric Heimann und Susana Gonzalez mit so vielen negativen Prognosen, dass für Erwartungen ohnehin kaum Platz ist.

Luca werde niemals alleine essen können, nie sitzen oder stehen, er werde sein Leben auf dem Rücken liegend verbringen, an die Decke starrend, ohne etwas zu sehen, hieß es nach der dramatischen Geburt, bei der Lucas Atmung ausgesetzt hatte. Seitdem leben sie damit, dass ihr einziges Kind als blind gilt (was sie nicht glauben können), damit, nicht zu wissen, ob Luca weiß, dass sie seine Eltern sind.

Es klingt bescheiden, was sie im Curacao Dolphin Therapy & Research Center (CDTC) als Behandlungsziele formulierten: Ein besseres Gefühl für den eigenen Körper, ein bisschen mehr Kontrolle über den Kopf und den Oberkörper. Und, vielleicht, ein kleines Lachen.

Wer Luca nicht kennt, bloß seine Krankengeschichte hört, der wird den Kopf schütteln. Was sollen Delfine ausrichten gegen Epilepsie und schwerste Hirnschäden? Kann Luca die Tiere überhaupt wahrnehmen? Die Düsseldorferin Kirsten Kuhnert hat das erlebt. Ihr zweijähriger Sohn war in ein Schwimmbad gestürzt. Der Junge überlebte - im Wachkoma. Delfine in einem Therapiezentrum in Florida holten Tim zurück ins Leben.

Und Kirsten Kuhnert gründete 1995 Dolphin Aid, einen Verein, der Eltern in vergleichbarer Lage mit Rat, aber auch mit finanzieller Hilfe zur Seite steht. Delfintherapien sind teuer, mit Flug und Unterkunft für die Familie kommen leicht 15 000 Euro zusammen. Auch den Heimanns hat der Verein, der mit viel prominenter Unterstützung Spenden sammelt, geholfen - und natürlich die Düsseldorfer Feuerwehr, bei der Lucas Vater als Rettungsassistent arbeitet. Dolphin Aid hatte auch das Therapiezentrum empfohlen, eines von vier, mit denen der Verein zusammenarbeitet.

In einer natürlichen Meeresbucht der Karibikinsel Curacao wird ein ganzheitliches Therapie-Konzept verfolgt. Zum internationalen Team gehören Physio-, Sprach- und Ergotherapeuten, Psychologen, Sonderpädagogen und Verhaltenstherapeuten. Sie alle kennen Lucas Krankenakte. Aber keiner von ihnen geht mit Luca um, als sei der ein Junge ohne Bewusstsein. Sie reden mit ihm, knuddeln ihn und zeigen ihm, dass sie ihn mögen. "Alle dort lassen sich auf ganz auf ihre Patienten ein - das ist bewundernswert. Und es ist ganz bestimmt nicht leicht", sagen Lucas Eltern. Die müssen sich für die Physiotherapie von ihrem Sohn trennen. Das fällt ihnen zunächst nicht leicht. Aber es gehört zu den Regeln im Zentrum: Die kleinen Patienten sollen sich voll und ganz auf ihre Übungen konzentrieren, sollen durch die Anwesenheit der Eltern nicht abgelenkt werden.

Während Lucas zehntägigem Therapie-Programm ist eine Physiotherapeutin immer nur für ihn da. Ricarda kommt aus dem westfälischen Borken, und Lucas Eltern vertrauen ihr schnell. Vor allem, weil sie ganz offensichtlich sehr von dem Kind, das nicht lachen kann, angetan ist. "Sie mochte unseren Sohn, das hat man einfach gespürt."

Täglich übt Ricarda mit Luca Sitzen, Knien, den Kopf heben. Anfangs ist das nicht leicht, immer wieder lässt sich Luca fallen. Doch nach einer Weile wird er zusehends sicherer. "Er arbeitet sehr hart", bescheinigt ihm die Therapeutin, die versucht ihn mit schönen Klängen und Lob zu motivieren. Der erhobene Kopf, das Sitzen, sind nicht bloß kleine Fortschritte. Die aufrechte Haltung wird Luca ermöglichen, seine Umwelt wahrzunehmen. Und das ist ein Riesenfortschritt.

Er war kaum auf der Welt, als er zum ersten Mal Hilfe brauchte. 100 unvorstellbare Minuten lang war das winzige Baby reanimiert worden. Das er nach fünf Wochen von alleine atmete, sich füttern ließ und nicht durch eine Sonde ernährt werden musste - auch das waren Meilensteine seiner Entwicklung. Auf Curacao zeigt sich Luca erneut als Kämpfer.

Die Übungen im Therapiezentrum bereiten auf die eigentliche Delfin-Therapie vor. In der Bucht gibt es mehrere Behandlungs-Docks, an denen die Eltern ebenfalls keinen Zutritt haben. Sie beobachten von einem Steg aus Lucas erste Begegnung mit seinem Delfin - Papito. Mit ihm setzt Ricarda fort, was sie mit Luca vorher schon geübt hat. Der Delfin findet mühelos zu dem kleinen Jungen. Luca, sonst sehr schreckhaft, fühlt sich offensichtlich wohl mit dem Tier. Nicht einmal wenn Papito ganz plötzlich neben ihm auftaucht oder mit der Schwanzflosse Wasser spritzt, zeigt Luca Angst.

Auf Papitos Bauch liegend schwimmt Luca mit seinem Delfin. Nach einer Weile braucht er nur noch eine leichte Stütze der Therapeutin und sitzt, mit Hut und Sonnenbrille, ganz selbstständig auf Papito. Immer wieder tasten seine Hände über die glatte Haut des Tieres. Und das erste, was Luca nach dreieinhalb Jahren zu greifen lernt, ist Papitos Rückenflosse.

Delfine sind keine Zaubertiere, hatte man den Heimanns gesagt. "Aber sie sind irgendwie nah dran", sagt Eric. Vom Steg aus beobachten er und Susana jede Bewegung ihres Sohnes, immer zwei Kameras bereit. Mehr als 2000 Fotos haben sie gemacht. "Ich wollte auf keinen Fall etwas verpassen", sagt Eric und meint Lucas Lachen, das sie sich so wünscht. Doch Ricarda ist die einzige, die Luca lächeln sieht. "Zweimal", sagt Susana, und das Glück darüber überwiegt die kleine Traurigkeit, nicht dabei gewesen zu sein.

Lucas heimliches Lächeln gibt seinen Eltern Zuversicht. Und nicht nur das. In der Physiotherapie hat Luca angefangen, seine Beine nach vorn zu bewegen - eine erste Krabbelbewegung. "Das ist der größte Erfolg der Therapie", sind sich Eric und Susana einig. "Wir sind mit einem neuen Luca zurück nach Hause gekommen." Entspannter ist er, fühlt sich wohl und nimmt seinen eigenen Körper besser wahr. Im Kindergarten hat er neulich ein Spielzeug gepackt und festgehalten. Das hat er vorher nicht gekonnt.

Die Intelligenz der Delfine ist wissenschaftlich erwiesen. Wie sie es aber schaffen, die Aufmerksamkeit kranker Kinder um ein Vielfaches zu erhöhen, sie in ihrem Leistungsvermögen zu stärken - das bleibt ein Geheimnis, das nun auch Luca mit Papito teilt.

(ila)
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