NRW Wie die Kirche Pfarrer aussortiert

NRW · Weil die Evangelische Kirche sparen muss, unterzieht sie Pfarrer ohne Pfarrstelle einem Auswahlverfahren. Wer durchfällt, soll frühpensioniert werden. Die Betroffenen sind entsetzt, fühlen sich lieblos aussortiert. Der Rheinische Pfarrverein sieht die Glaubwürdigkeit der Kirche bedroht.

 Pfarrerin Brigitte Pannen versteht ihre Kirche nicht mehr.

Pfarrerin Brigitte Pannen versteht ihre Kirche nicht mehr.

Foto: Klaus-Dieter Stade

Brigitte Pannen ist 52 Jahre alt und arbeitet seit 1981 für die Evangelische Kirche im Rheinland. Seit 2004 ist sie als "Pfarrerin im Wartestand" — ohne Gemeinde — Krankenhausseelsorgerin. Weil die Kirche solche Stellen abbauen will, musste sich die Theologin einem Auswahlverfahren stellen, das sie als entwürdigend empfand. Unter anderem sollte sie in einem Rollenspiel zeigen, wie kommunikativ sie ist: Sie sollte bei einer gespielten Beerdigungsfeier neben einer "Kirchenfernen" sitzen und "einladend um sie werben".

Am Ende fiel Pannen durch. Nun soll sie frühpensioniert werden. Die Pfarrerin versteht ihre Kirche nicht mehr: "Was mich erschreckt, ist, dass Menschen aussortiert werden. Wir schreiben uns was anderes auf die Fahnen, nämlich Nächstenliebe und Geschwisterlichkeit."

Das Auswahlverfahren hat in der Pfarrerschaft für erhebliche Unruhe gesorgt. Für Friedhelm Maurer, Vorsitzender des "Evangelischen Pfarrvereins im Rheinland", ist das Ganze juristisch und moralisch unhaltbar: "Manche gestandenen Pfarrerinnen und Pfarrer sind regelrecht traumatisiert aus dieser Prozedur herausgekommen. Es ist skandalös, was das für die Glaubwürdigkeit der Kirche bedeutet." Die Kirchenleitung weist diesen Vorwurf entschieden zurück.

Hintergrund: Es gibt in der Rheinischen Kirche rund 120 "Pfarrer im Wartestand", die aus den verschiedensten Gründen keine Gemeinde haben — sei es, dass sie Sonderaufgaben übernommen haben, sei es, dass sie nach einem Zerwürfnis aus ihrer Gemeinde abberufen wurden. Theoretisch galt: Wer nach drei Jahren im Wartestand keine Pfarrstelle fand, musste in den Vorruhestand treten. Faktisch aber wurden über lange Jahre für Pfarrer im Wartestand Stellen mit "Beschäftigungsaufträgen" geschaffen — zehn Millionen Euro ließ sich die Kirche das kosten. 2007 zog die Synode (das Kirchenparlament) die Notbremse und beschloss: Dies ist nicht länger bezahlbar.

Mit dem Segen der Synode wurden 70 neue, auf sechs Jahre befristete Stellen eingerichtet, auf die sich die Warteständler bewerben konnten. Das Kalkül: In sechs Jahren ist es vorbei mit dem Pfarrer-Überhang, und jeder Theologe bekommt seine Gemeinde. Von den Warteständlern, die sich auf die neuen Stellen beworben haben, sind etwa 20 durchgefallen. Nun soll die Regelung greifen, die bislang eher theoretisch galt: Ruhestand nach drei Jahren Wartestand. Das Auswahlverfahren stuft die Kirchenleitung als fair ein.

Das sehen Betroffene wie Brigitte Pannen anders. Schlimmer als drohende finanzielle Nachteile wiegen für sie erlittene menschliche Verletzungen im Auswahlverfahren. Die Bewerbung bestand aus drei Teilen: eine halbstündige Selbstpräsentation; ein Interview, in dem es auch um die Umstände ihrer Abberufung ging, sowie ein Rollenspiel, in dem sie mit einem fiktiven Vater ein Seminar vorbereiten sollte.

Laut Pfarrverein wurden dabei beurteilt: theologische, missionarische und kybernetische Kompetenzen, Planungs-, Kommunikations-, Kooperations- und Teamfähigkeit, Belastbarkeit sowie Lern- und Veränderungsbereitschaft. 14 Pfarrer haben gegen ihre Ablehnung geklagt — vor der "Verwaltungskammer", dem Kirchengericht, das mit staatlichen Richtern besetzt ist. Das Thema ist für die Kirche noch nicht ausgestanden.

(RP)
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