Wissen Sie noch? Als der März minus 19 Grad hatte

Düsseldorf · Vor zehn Jahren bestimmte hauptsächlich ein Thema die Schlagzeilen: der Winter, der nicht enden wollte. Etliche Länder ächzten unter Schnee und Eis, NRW bangte um sein Lieblingsgemüse. Ein neugieriger Blick zurück.

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März 2013 – der Winter, der nicht aufhören wollte

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Foto: Endermann, Andreas (end)

Von einer „kleinen Eiszeit“ war die Rede, Zugvögel und der Start der Spargelernte waren in Gefahr – der März vor zehn Jahren war der kälteste seit vielen Jahrzehnten. Mit minus 19 Grad in Brandenburg und immerhin minus sieben in NRW zog sich seinerzeit der Winter ungewöhnlich lang hin. Ganz Europa stöhnte damals unter tiefen Temperaturen und starken Schneefällen. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew etwa fielen innerhalb eines Tages mehr als 24 Millionen Tonnen Schnee. Davon können die Skigebiete dieser Tage nur noch träumen. Wir blicken mit einem Jahrzehnt Abstand auf den März 2013 zurück.

Massive Kältewelle in Europa

Eisig kalte Luft aus Skandinavien und Russland strömte im Frühjahr 2013 Richtung Westen und hielt Europa damit über Monate im Kälte-Griff. Bei Eis, Schnee und Minusgraden gehörte NRW dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zufolge immerhin noch zu den „wärmsten“ Regionen Deutschlands. In anderen Ländern ging es deutlich verheerender zu. In der Ukraine etwa mussten Räumpanzer und Soldaten helfen, der Schneemassen Herr zu werden, Flughäfen mussten Flüge absagen und mehr als 500 Dörfer waren von der Außenwelt abgeschnitten.

In Großbritannien starb ein 27-Jähriger, der auf dem Heimweg vom Pub im Schnee stecken geblieben war. Hunderttausende britische Haushalte hatten keinen Strom, weil die Leitungen unter der Schneelast zusammengebrochen waren. Das Fußball-WM-Qualifikationsspiel zwischen Nordirland und Russland musste abgesagt werden.

Der Blick in die Temperatur-Historie des DWD zeigt, dass der März 2013 mit einer durchschnittlichen Temperatur von 0,1 Grad wahrlich aus dem Rahmen fiel. Sowohl im Jahr davor als auch danach lag der Durchschnitt bei 6,9 Grad Celsius, zuletzt im Jahr 2022 waren es 5,1 Grad. Auch kurzfristig fiel das Frühjahr 2013 aus dem Rahmen. Noch an Weihnachten 2012 zeigte das Thermometer milde zehn Grad.

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Foto: Visiodrom

Ostern ohne Spargel

Der Ostersonntag lag im Jahr 2013 auf dem 31. März. Kurz zuvor waren die Temperaturen in NRW auf immerhin drei bis fünf Grad angestiegen. Graupel und der kalte Ostwind blieben den Osterspaziergängern aber erhalten – zusätzlich zur Prognose, dass es in einigen Tagen wieder kälter werden könnte. Spargel war zum Feiertag ebenfalls keine Option, Spargelbauern in der Region kämpften mit teils dreifacher Thermofolie um jeden Zentimeter Wachstum. Die wenigen Erträge aus Treibhäusern oder von durch Fernwärme beheizten Feldern kosteten 20 Euro pro Kilogramm.

Die gesamte Erntemenge an Spargel in Deutschland fiel im Jahr 2013 dann letztlich aber mit 103.000 Tonnen sogar noch etwas größer aus als im Vorjahr (102.000 Tonnen) – war aber auch kein Vergleich zu den 133.000 Tonnen im Rekordsommer 2018.

Grippewelle kostet Milliarden

Bedingt durch den langen Winter konnten sich auch Grippe und grippale Infekte ausgiebig verbreiten. Die kaufmännische Krankenkasse rechnete mit einem Verlust aufgrund der hohen Krankenstände von bis zu sechs Milliarden Euro im ersten Quartal des Jahres. Ein Drittel mehr Arbeitnehmer als sonst musste aufgrund von Erkältungskrankheiten zu Hause bleiben. Die Postbank berichtete seinerzeit, dass mehrere Filialen wegen Erkrankungen der Mitarbeiter geschlossen bleiben mussten.

Auf den Jahreskrankenstand hatte der lange Winter aber keine große Auswirkung: Mit durchschnittlich 3,78 Prozent waren unter den gesetzlich Krankenversicherten nur geringfügig mehr Menschen krankgemeldet als in den Jahren davor (3,64 Prozent) und danach (3,68 Prozent). Die Zahl der Grippetoten im Jahr 2013 lag mit 447 allerdings deutlich über den Jahren 2012 (72) und 2014 (79).

Der Einzelhandel war über die Mini-Eiszeit auch nicht glücklich: Einkaufsbummel blieben bei frostigem Ostwind aus, Sommer- und Frühjahrskollektionen blieben unangetastet in den Regalen hängen. Einzig der Dünge- und Salzhersteller K+S freute sich über den hohen Bedarf an Auftausalz.

Eine der wenigen Branchen, die flexibel auf das Wetter reagieren konnte, war die Reisebranche. Wer nicht in den Skiurlaub wollte, buchte die Kanaren oder Ägypten. Dort herrschten, anders als in Mitteleuropa, frühsommerliche Temperaturen.

Baubranche im Stillstand

Gebäude- und Straßenbau kamen im Winter 2013 lange nicht voran. Der Tiefbau lag weitestgehend komplett brach. Die deutsche Industrie- und Handelskammer berechnete einen Verlust von rund zwei Milliarden Euro und ging nicht davon aus, dass die Verzögerungen im laufenden Jahr wieder aufgeholt werden könnten.

Der Landesbetrieb Straßen.NRW musste zudem Reparatur- und Sanierungsarbeiten verschieben. Löcher, die der Frost in so manche Straße gerissen hatte, konnten nur notdürftig geflickt werden. Der ausgiebige Winterdienst kostete das Land hingegen mehr als 30 Millionen Euro.

Viele Zugvögel schon auf der Rückreise

Kraniche, Rauchschwalben und Störche hatten sich aus ihren Winterquartieren bereits auf den Weg gemacht, als klar wurde, dass der Boden hierzulande nicht auftauen würde. Einige Arten, wie etwa Rauchschwalben, legten in Italien einen Zwischenstopp ein. Kraniche, die eigentlich bis Skandinavien fliegen, machten in Niedersachsen halt.

Heimische Tiere wie Igel und Hasen mussten sich notgedrungen auf einen längeren Winterschlaf einstellen oder sogar die Entwicklung des Nachwuchses verzögern. Andere wiederum, wie Störche und Eulen, ließen sich nicht von der Kälte beeindrucken und begannen wie gewohnt mit dem Nestbau.

Wie es zur ungewöhnlichen Kälte kam

Was sich wie ein nicht enden wollender Winter anfühlte, war vorrangig ein kalter Frühling. Denn Dezember und Januar waren beide wärmer als der Durchschnitt ausgefallen, erklärte Friedrich Karsten vom DWD auf Nachfrage. „Der März 2013 war der fünftkälteste Märzmonat seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen in Deutschland, die 1881 beginnt“, so der Experte weiter.

Am Ende eines jeden Winters sei die Atmosphäre in polaren Breiten stark ausgekühlt, führt Karsten weiter aus. Erst langsam schaffe die Sonne es wieder, diese Bereiche zu erwärmen. Kann sich die kalte Luft dann nach Mitteleuropa ausbreiten, so wie das im März 2013 der Fall war, führe das in diesen Bereichen zu sehr niedrigen Temperaturen. Die starken Winde aus Norden und Osten damals hatten genau diesen Effekt.

Was das für die Zukunft bedeutet

Auch in Zukunft könne es immer mal deutlich kühlere Witterungsphasen geben, sagt Karsten, die sich aber meist in den bisher beobachteten Bereichen bewegten. „Bei den wärmeren Witterungsphasen erreichen wir aber bisher nie gesehene Abweichungen. Auch beobachten wir eine Verschiebung der kühlen Phasen in den Winter- und Frühjahrsmonaten.“

Im Zuge des Klimawandels bedeutet das also nicht, dass es gar nicht mehr kalt wird. Stattdessen verschieben sich Wetterphasen im Kalender, und während Kälteereignisse seltener werden, steigt die Wahrscheinlichkeit für Hitzeperioden.

Wie haben Sie den März 2013 in Erinnerung? Schreiben Sie es uns gerne in die Kommentare.

In einer früheren Version dieses Artikels stand in der Überschrift, dass es in NRW minus 19 Grad kalt gewesen sei. Das ist ein Fehler, den nicht der Autor des Artikels verursacht hat. Wir bitten um Entschuldigung.

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