Volle Praxen im Rheinland Ärzte behandeln so viele Menschen mit Wespenstichen wie lange nicht

Düsseldorf · Derzeit werden viele Menschen von Wespen gestochen. Vier bis fünf Fälle behandeln einige Mediziner in NRW pro Tag. So schlimm sei es zuletzt vor 15 Jahren gewesen, sagt der Hausärzteverband Nordrhein.

 Wespe auf einem Marmeladenbrot (Symbolbild).

Wespe auf einem Marmeladenbrot (Symbolbild).

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Es ist 10.17 Uhr am Mittwochmorgen, als der Notruf bei der Feuerwehr Düsseldorf eingeht. Ein Mann hat infolge eines Wespenstiches einen allergischen Schock erlitten. Er muss mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht werden. Die Alarmierung kommt von einem niedergelassenen Hausarzt, zu dem der Betroffene wegen des Stiches gegangen ist. „Dort hat sich dann wohl herausgestellt, dass es schlimmer ist als zunächst angenommen“, sagt ein Sprecher der Feuerwehr. Solche Einsätze hätten in diesem Jahr deutlich zugenommen, sagt er.

Nicht nur in der Landeshauptstadt, sondern bundesweit melden die Ärzte in diesem Sommer so viele Wespenstiche wie schon lange nicht mehr. „Viele Hausärzte berichten uns, dass momentan verstärkt Patienten mit Wespenstichen in die Praxen kommen“, sagt Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. Der stellvertretende Vorsitzende des Hausärzteverbands Nordrhein, Oliver Funken, ergänzt: „Seit dem Rekordsommer 2003 ist es nicht mehr so schlimm gewesen.“

Diese Insekten und Spinnen krabbeln im Sommer
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Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Ralf Raßmann ist Hausarzt in Düsseldorf. Er sagt, seine Praxis sei derzeit voll mit Patienten, die von Wespen gestochen worden sind. Mindestens vier bis fünf Fälle behandele er jeden Tag. Das sei schon sehr auffällig. Und nicht nur die Zahl der Stiche sei deutlich gestiegen. Auch die Reaktion des Körpers auf die Stiche habe sich verändert. „So sind die sichtbaren Auswirkungen auf der Haut im Durchschnitt 20 mal 20 Zentimeter groß“ sagt Raßmann. Das sei enorm und hätte es früher nicht in dem Ausmaß gegeben. Woran das liege, könne er nicht mit Sicherheit sagen. Er vermutet, dass es mit dem Immunsystem zusammenhängen könnte. Einer verstärkten Abwehrreaktion des Körpers. Im Ärztekreis sei das derzeit ein großes Thema.

Die meisten Betroffenen gehen zu einem Hausarzt, wenn sie von einer Wespe gestochen worden sind. Daher melden die Krankenhäuser wie etwa die Unikliniken in Düsseldorf und Köln keinen Anstieg an Fällen.

Am Bethanien-Krankenhaus in Moers hat man diesen aber sehr wohl festgestellt. „Es ist auffällig mehr geworden. Das gilt für Wespen- und Insektenstiche allgemein“, sagt Georg Milkereit, Leiter der Ambulanz. Wenn man gestochen wird, sollte man nicht in Panik geraten, raten Ärzte. Die Stiche seien zwar schmerzhaft und wegen des heftigen Juckreizes sehr lästig, aber in der Regel nicht gefährlich. „Normalerweise sorgen einfache Hausmittel für Abhilfe“, sagt Hausarzt Funken. „Man sollte die Einstichstelle kühlen – mit Eiswürfeln oder entsprechenden Gels und Salben.“ Aber in Apotheken gibt es derzeit aufgrund von Lieferengpässen kaum noch sogenannte Nofallsets zur Erstversorgung für Wespenstiche.

Am häufigsten stechen Wespen in den Oberarm, ins Bein oder ins Dekolleté. „Wenn eine Wespe in den Mund oder den Rachenraum sticht, besteht für alle Menschen Lebensgefahr“, sagt der Sprecher der Feuerwehr Düsseldorf. Unabhängig davon, ob man allergisch darauf reagiert oder nicht. Aber er warnt: „Niemand kann sicher sein, nicht allergisch zu sein. Selbst wenn man im vergangenen Jahr nachgewiesen kein Allergiker war, heißt das nicht, dass das in diesem Jahr auch noch so ist. Das kann sich schnell ändern“, sagt er. Symp­tome wie Atemnot, Schwindel, Erbrechen und Ohnmacht deuten auf eine schwere allergische Reaktion. „In diesen Fällen sofort den Notarzt rufen“, sagt er. Wespenstiche sind aber nicht gefährlicher als andere Stiche, etwa von Bienen, Hummeln, Hornissen. Es sei die Ausnahme, dass Leute wegen einer Wespengiftallergie darauf so stark reagieren. Das betrifft ungefähr drei Prozent der Bevölkerung.

Die Wespen haben gerade jetzt im Spätsommer Hochsaison und sind vielerorts eine Plage. Experten gehen davon aus, dass die gestiegene Anzahl von Wespenstichen mit der Population zusammenhängt, die besonders groß sei. „In diesem Jahr scheint es zahlreiche Wespen zu geben, denn wir haben schon sehr viele Anfragen zu diesem Thema erhalten“, sagt Michael Stevens, wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der Biologischen Station im Rhein-Kreis Neuss.

„Ursache ist vermutlich die Trockenheit der vergangenen Monate, die eine ungestörte Volksentwicklung ermöglichte“, so der Experte. Die fehlenden Spätfröste im Frühjahr hätten eine hohe Überlebensrate der Jungköniginnen bewirkt. „Und dann gab es noch optimale Witterungsbedingungen für sie“, sagt er.

Eine Methode, um Zwischenfälle mit Wespen zu reduzieren, sei es, das Insekt mit zerstäubtem Wasser zu besprühen. „Dafür benötigt man lediglich eine mit Wasser gefüllte Sprühflasche.“ Bei Kontakt mit Wespen genüge es, ein paar Sprühstöße auf die Wespe abzugeben. „Sie meint dann, es fange an zu regnen und flüchtet zurück in ihr Nest“, sagt Stevens. Außerhalb ihres Nestbereichs seien Wespen nicht aggressiv. Stiche erfolgten nur, wenn das Tier in die Enge getrieben, eingeatmet oder gedrückt werde.

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