Corona-Ausbruch in Euskirchen Wer sind eigentlich die Mennoniten?

Euskirchen · Rund tausend Mitglieder der freikirchlichen Gemeinde der Mennoniten in Euskirchen werden auf das Coronavirus getestet. Doch wer sind die Mennoniten und welche Geschichte haben sie in Nordrhein-Westfalen?

 Das Bethaus der Mennoniten-Gemeinde in Euskirchen.

Das Bethaus der Mennoniten-Gemeinde in Euskirchen.

Foto: dpa/Marius Becker

Mennoniten gehören zu den Freikirchen in Deutschland. Diese teils sehr unterschiedlichen christlichen Gemeinschaften haben keine landeskirchlichen Strukturen. Die Mennoniten entstanden Ende des 16. Jahrhunderts und sind nach dem niederländisch-friesischen Theologen Menno Simons benannt. Der katholische Theologe konvertierte um das Jahr 1536 zur reformatorischen Täuferbewegung. Die Bewegung gilt als „linker Flügel“ der Reformation und setzt sich für radikalere soziale Reformen im Christentum ein als etwa Martin Luther.

Ihren Ursprung haben mennonitische Gemeinden in der Reformation und Täuferbewegung: Sie lehnen die Taufe von Säuglingen ab. „Durch die freie Entscheidung eines mündigen Menschen zum Christsein sollte es zur bewussten Taufe und selbstgewählten Kirchenmitgliedschaft kommen“, heißt es auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG).

In mennonitischen Gemeinden gibt es keine klare Kirchenhierarchie und auch kein Lehramt. Nach eigenen Angaben existiert das „Priestertum der Gläubigen“. Auch Kirchensteuer wird in den Gemeinden nicht erhoben. Mennoniten lehnen außerdem die enge Verbindung von Staat und Kirche ab. Sie wünschen sich eine Kirche, die unabhängig von machtpolitischen Interessen des Staates ist und die Regierung auch kritisiert. Aufgrund dessen wurden Mennoniten lange Zeit von Politik und Kirche verfolgt.

Ein Identifikationsmerkmal von Mennoniten ist zudem Frieden. Die Gemeinden werden daher auch als „historische Friedenskirchen“ bezeichnet. Früher verweigerten die Gläubigen den Kriegsdienst, was die Politik als Verrat auffasste. Lediglich Ende des 19. Jahrhunderts sowie im Ersten und Zweiten Weltkrieg gaben die deutschen Mennoniten die Kriegsverweigerung weitestgehend auf. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs dann wieder das Bewusstsein für Pazifismus. Seitdem engagieren sich die mennonitischen Gemeinden verstärkt für Frieden und Gerechtigkeit.

In Deutschland gibt es derzeit rund 40.000 Mennoniten in etwa 200 Gemeinden. In Nordrhein-Westfalen gibt es etwa Gemeinden in Bielefeld, Gronau und Krefeld. Die Geschichte der Krefelder Mennoniten-Gemeinde reicht bis ins Jahr 1607 zurück. Nach eigenen Angaben hat die Gemeinde etwa 600 Mitglieder, die weit verstreut wohnen. In der Krefelder Innenstadt gibt es eine Kirche und ein Gemeindehaus. Ein Pfarrer sowie einige Mitglieder führen dort Gottesdienste durch. Gemeindegruppen feiern Gottesdienste in Bonn, Düsseldorf und Hagen als Gäste in evangelischen Kirchen, Treffen von Hauskreisen finden in Wohnungen in Bonn, Düsseldorf und Aachen statt.

Die Mennoniten waren in Krefeld Motor für den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt, brachten unter anderem Leinenweberei und -handel sowie Spinnerei und Färberei nach Krefeld. Die Hälfte der Krefelder Einwohner war damals in der Seidenfirma einer Mennoniten-Familie beschäftigt. Die Seide wurde aus NRW nach Europa, Asien und Amerika exportiert.

Auch in Mönchengladbach lebten im 16. Jahrhundert viele Mennoniten. Sie galten als fleißig und wurden wegen ihrer hohen Steuerabgaben geschätzt. Sie trugen einen großen Teil zur positiven Entwicklung der Textilindustrie bei. Trotz aller Verdienste wurde die Glaubensgemeinschaft 1654 – rund 120 Jahre nach ihrer Ankunft in Mönchengladbach – von dort vertrieben.

Menno Simons, Namensgeber der Mennoniten, soll Hinweisen zufolge im Jahr 1544 in Kempen getauft worden sein. Unter seinem Einfluss bildete sich in der Stadt eine kleine Täufergemeinde.

Die meisten der in Euskirchen lebenden Mennoniten kamen nach Angaben des Kreises Euskirchen in den Neunzigern aus der Sowjetunion und leben in ihrer Gemeinde eher für sich. Die Kinder bleiben nach Angaben eines Kreissprechers bis zur Schulpflicht in der Familie und besuchen anschließend eine Gemeinde-Schule.

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