Diebe auf NRW-Baustellen "Wenn ihr nicht abschließt, klauen wir euch nur den Diesel"

Düsseldorf · Werkzeuge, Metallkabel oder sogar Bagger - auf Nordrhein-Westfalens Baustellen haben Diebe im vergangenen Jahr Beute von fast zehn Millionen Euro gemacht. Sogar an den Lkw-Sperren auf der A1 wurden schon Bauteile abmontiert. Die Täter entkommen oft – und werden immer dreister.

 Blick auf die A1, wo an der Lkw-Sperre immer wieder Batterien oder Lampen gestohlen werden.

Blick auf die A1, wo an der Lkw-Sperre immer wieder Batterien oder Lampen gestohlen werden.

Foto: Miserius, Uwe

Werkzeuge, Metallkabel oder sogar Bagger - auf Nordrhein-Westfalens Baustellen haben Diebe im vergangenen Jahr Beute von fast zehn Millionen Euro gemacht. Sogar an den Lkw-Sperren auf der A1 wurden schon Bauteile abmontiert. Die Täter entkommen oft — und werden immer dreister.

Die Diebe kamen, als niemand auf der Baustelle in Soest arbeitete: Irgendwann zwischen Samstagmittag und Montagmorgen brachen sie einen Container auf einer Großbaustelle an der Waisenhausstraße auf, nahmen Werkzeuge und Maschinen mit. Schaden: 10.000 Euro.

Gerade erst hatte der Landesbetrieb Straßen.NRW auf die zunehmenden Diebstähle in Baustellen aufmerksam gemacht. Rund um die Leverkusener Rheinbrücke werden etwa immer wieder Batterien, Blitzlampen oder Solarpaneelen gestohlen. Der Betreiber der Lkw-Sperren an der A1 kommt mit den Reparaturen der Schäden kaum nach, ein Sprecher des Unternehmens Volkmann und Rossbach beziffert sie mit rund 60.000 Euro.

Verschwand früher mal eine Säge oder eine Bohrmaschine von der Baustelle, so sind es heute meterweise Metallkabel, teure Spezialwerkzeuge, Kraftstoff oder sogar ein Bagger wie im vergangenen Jahr in Mettmann. Die Täter transportierten den tonnenschweren Bagger mit einem Tieflader ab, Ermittler konnten ihn in den Niederlanden sicherstellen. Auf der A44 nahmen Metalldiebe 90 Meter Starkstromkabel von einer Baustelle mit — wegen des Kupferkerns, den sie zu Geld machen können.

"Das sind keine Bagatelldelikte mehr, wir haben es mit professionellen Raubzügen zu tun", sagt Tobias Siewert vom Bauindustrieverband NRW in Düsseldorf. In der Polizeistatistik werden Diebstähle aus Rohbauten, Baubuden oder von Baustellen zusammengefasst. 2015 zeigten Bauunternehmer 5808 Fälle an, 2016 waren es 4832 Fälle. Das sind zwar 976 Delikte weniger, doch der Schaden liegt in beiden Jahren bei jeweils fast zehn Millionen Euro. Die Polizei konnte 2016 noch nicht mal 400 Fälle aufklären. Die Täter sind oft längst über die Landesgrenzen verschwunden, bis der Diebstahl auffällt.

Große Bauunternehmen wie Strabag wollen sich zu dem Problem und wie sie die Diebstähle verhindern wollen, nicht im Detail äußern. "Wir ergreifen alle branchenüblichen Sicherheitsmaßnahmen, um Baustellenkriminalität zu verhindern", heißt es nur. Viele Unternehmer überwachen ihre Baustellen mit Kameras, ziehen die Zäune höher oder statten teure Maschinen und Spezialfahrzeuge mit GPS-Sendern aus, wie Oliver Meichsner vom Bauunternehmen PORR Oevermann sagt. "Je näher die Baustellen zur niederländischen oder polnischen Grenze liegen, desto öfter wird dort gestohlen", sagt der Baufachwirt. Die Schadensquote sei 25 bis 30 Prozent höher als noch vor zehn Jahren.

Die Täter sind dreist. In Düsseldorf wurde ein Container mit Bau-Material innerhalb kürzester Zeit gleich zweimal ausgeräumt — trotz neuer Schlösser. Und Baufachwirt Meichsner berichtet von Tätern in Warnwesten, die nachts mit eigenem Tieflader Baustellen auf Autobahnen leer räumen, die sie voll ausleuchten. "Das ist an Dreistigkeit fast nicht zu überbieten." Eine acht Kilometer lange Baustelle lasse sich kaum einzäunen. Einige Firmen setzen deshalb Sicherheitsdienste ein. "Aber wenn zwei Männer eine große Streckenbaustelle bewachen, kann es passieren, dass sie an einem Ende der Baustelle stehen, während am anderen Ende etwas gestohlen wird", klagt Meichsner.

Eine Folge: kostspielige Verzögerungen der Bauarbeiten. "Wenn die Werkzeuge weg sind, stehen die Mitarbeiter erst einmal da und können nichts tun", sagt Verbandssprecher Siewert. Bis Leihgeräte beschafft oder neues Werkzeug gekauft sei, herrsche dann Stillstand auf der Baustelle. Die Firma Oevermann beziffert allein den Schaden, der durch den Diebstahl von Diesel-Kraftstoff entsteht, auf bis zu 60.000 Euro jährlich. Viele Spezialfahrzeuge haben große Tanks, um im Dauerbetrieb eingesetzt werden zu können. "Auf einer unserer Baustellen haben Täter die Reifen eines Radladers demontiert und einen Zettel daran gehängt, auf dem stand: 'Wenn ihr den Tank nicht abschließt, nehmen wir nächstes Mal nur den Diesel mit'."

Beate Wiemann, Geschäftsführerin des Bauindustrieverbandes NRW, forderte im März von der Politik: "Wer neue Wohnungen, Straßen und Leitungen will, muss unsere Baustellen besser schützen." Um Kriminelle abzuschrecken, brauche es mehr Polizisten und zügigere Strafverfahren.

"Auf den Diebstahl auf einer Baustelle folgt für das Bauunternehmen in der Regel immenser bürokratischer Aufwand und die Auseinandersetzung mit einer zwar bemühten, aber unterbesetzten Justiz", sagt Wiemann.

(hsr)
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