„Weißer Riese“ in Duisburg gesprengt „Das war ziemlich staubig“

Duisburg · 48.000 Tonnen Schutt auf einen Schlag: In Duisburg ist eines der größten Wohnhäuser Nordrhein-Westfalens gesprengt worden. Damit ist das Ende des einstigen Vorzeigeprojekts besiegelt, das sich zum „Schandfleck“ entwickelt hatte.

Letztlich reicht ein Knopfdruck von Martin Hopfe aus, um den „Weißen Riesen“ in Duisburg-Hochheide in die Knie zu zwingen. Gefolgt von einem lauten Knall fällt das Hochhaus am Sonntagmittag wie geplant um 12 Uhr binnen weniger Sekunden in sich zusammen. Eine riesige Staubwolke legt sich über den Berg aus Schutt und Asche und über Teile angrenzender Gebäude. „Das war ganz schön staubig“, sagt der 66-jährige Sprengmeister nach getaner Arbeit. „Jetzt brauche ich erst einmal etwas zu trinken.“

Tatsächlich war die Sprengung Maßarbeit. Wenn man von dem Staub auf einigen Dächern absieht, scheint nur eine Laterne beschädigt worden zu sein. „Der Staub ist aber beim nächsten Regen weg“, versichert ein beteiligter Sprengmeister, als er die angrenzenden Gebäude auf mögliche Schäden hin untersucht. „Das Hochhaus ist so gefallen, wie es fallen sollte“, sagt er. Übrig geblieben von dem 22-stöckigen Bau aus den 1970er Jahren ist ein rund 50.000 Tonnen schwerer Berg aus Schutt, der in den nächsten Tagen weiter zerlegt und dann abtransportiert wird.

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) blickt kurz nach der Sprengung bereits nach vorne. Der Anfang sei jetzt gemacht. „Jetzt müssen wir den Abriss des nächsten Hochhauses in Angriff nehmen“, sagt Link. Der Duisburger SPD-Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir, der in Hochheide aufgewachsen ist, sieht keine Alternative zum weiteren Abriss der Hochhaussiedlung. „Ich kann verstehen, dass es für die Bewohner schwer sein wird. Aber Sicherheit geht vor. Und die ist nicht mehr in den Gebäuden gegeben. Auch was den Brandschutz betrifft“, so Özdemir.

Duisburg: Sprengung des ersten "Weißen Riesen"-Hochhaus - Fotos
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So lief die Sprengung des „Weißen Riesen“ in Duisburg

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Foto: dpa/Christoph Reichwein

Nach der Sprengung vom Sonntag stehen noch fünf weitere „Weiße Riesen“, zwei gehören der Stadt Duisburg. Diese werden vermutlich in absehbarer Zeit gesprengt. Bei den anderen Häusern sind die Besitzverhältnisse offenbar nicht abschließend geklärt. Nach Informationen unserer Redaktion soll die Stadt Duisburg für die Gebäude aber ein Vorkaufsrecht besitzen, sollten diese auf den freien Markt kommen beziehungsweise zwangsversteigert werden.

Anders als beim ersten Hochhaus wird bei einigen anderen mit massivem Protest der Anwohner gegen die Sprengung zu rechnen sein. Schon jetzt hängen an Balkonen eines der Hochhäuser rote Handtücher herunter. „Die stehen für eine rote Linie“, sagt eine Bewohnerin. „Soll heißen: Bis hier hin und nicht weiter.“ Auf dem Gelände der Hochhäuser soll ein Park ohne Wohnbebauung entstehen. Dafür bekommt die Stadt Fördermittel von Bund und Land. Dafür sei jetzt der Weg frei, sagte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU), die der Sprengung beiwohnte. „Der Stadtteil kann neu gestaltet werden. Naherholung und ein attraktives Lebensumfeld sind wichtig – genauso wie modernes und barrierefreies Wohnen“, so die Ministerin. Für sie selbst sei die Sprengung insofern etwas Besonderes gewesen, weil es ihre erste als Ministerin gewesen sei.

Der Großteil der Hochheider ist erleichtert, dass der „Schandfleck“, wie das seit 2003 leerstehende Gebäude auch genannt wurde, endlich weg ist. Insgesamt mussten am Sonntag rund 2500 Anwohner ihre Häuser verlassen. Die Evakuierung verlief nach Angaben der Stadt reibungslos. Ein Teil der Bewohner wurde mit Linienbussen in eine Sammelunterkunft in einen anderen Stadtteil gefahren, wo sie für die Dauer der Sprengung blieben.

Die Hochheider selbst hatten aufgrund der umfangreichen Absperrungen und Sicherheitsmaßnahmen kaum Möglichkeiten, sich die Sprengung vor Ort anzuschauen. Die wenigen, die es konnten, schauten von ihren Balkonen aus zu. Oder sie verfolgten das Ereignis live im WDR-Fernsehen. Dort verpassten die Zuschauer allerdings einen Teil der Sprengung, weil es der WDR versäumte, rechtzeitig auf die entsprechende Kamera zu schalten.

Anwohnerin Heike Hartmann war vor der Sprengung noch schnell mit ihrem Hund Gassi gegangen. Sie wohnt in der Sicherheitszone und kann von ihrer Wohnung aus die Hochhäuser sehen. „Trotzdem habe ich mir das im Fernsehen angeguckt. Das Gedränge am Fenster war mir zu groß“, sagt sie. Pascal Kempfer und Melissa Mangelsdorf hatten sich Plätze in der ersten Reihe außerhalb der Sicherheitszone gesichert. Auf Klappstühlen sitzend verfolgten sie das Spektakel. Während Kempfer froh ist, dass das Hochhaus endlich weg ist, findet Mangelsdorf das etwas schade. „Mit dem Gebäude waren halt Kindheitserinnerungen verbunden“, sagt sie. „Aber wenn da etwas Schönes hinkommt, ist das für mich okay.“

Dass die Sprengung so gut verlaufen ist, scheint alles andere als eine Selbstverständlichkeit zu sein. „Es kann und es geht auch immer wieder mal was schief“, sagt Sprengmeister Martin Hopfe. Bei einer seiner letzten Sprengungen sei zum Beispiel ein Turm stehen geblieben. „Und hier in Hochheide war es gar nicht so leicht, weil direkt an das Hochhaus Wohnhäuser grenzten.“

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