Wehrhahn-Prozess Verteidiger wollen Freispruch für Ralf S.

Düsseldorf · Der Wehrhahn-Prozess geht in die Schlussphase: Am Donnerstag wurden die Plädoyers vor dem Düsseldorfer Landgericht gehalten. Die Staatsanwaltschaft forderte lebenslange Haft, die Verteidigung einen Freispruch.

 Der Angeklagte versteckt sich im Gerichtssaal des Landgerichtes hinter einem Aktenordner.

Der Angeklagte versteckt sich im Gerichtssaal des Landgerichtes hinter einem Aktenordner.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Im Prozess um den Bombenanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn forderte Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück lebenslange Haft für den Angeklagten Ralf S.. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass Ralf S. hinter dem Sprengstoffanschlag an der S-Bahnhaltestelle Wehrhahn in Düsseldorf vor 18 Jahren steckt. Der 52-Jährige habe aus Fremdenhass gehandelt und sei „zweifelsfrei der Täter“, sagte Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück am Donnerstag in seinem Plädoyer am Landgericht Düsseldorf. Herrenbrück kritisierte das Gericht, das den 52-Jährigen bereits freigelassen hat und offenbar freisprechen will. Die Kammer habe sich sehr früh entschlossen, dem Angeklagten als prahlendem, ständig lügenden „Spinner“ gar nichts zu glauben.Der Prozess am Landgericht hatte vor einem halben Jahr begonnen.

Der Oberstaatsanwalt sieht mehrere Mordmerkmale erfüllt, darunter Heimtücke und besondere Grausamkeit. Die Tatsache, dass es mehrere Opfer gegeben hatte, wiegt für ihn zudem schwer. Dass es bei einem versuchten Mord blieb, sei nicht dem Angeklagten zuzurechnen, sondern auf den verunreinigten Sprengstoff zurückzuführen. Weil zwischen Tatzeit und Prozess so viel Zeit vergangen war, sah die Staatsanwaltschaft davon ab, die besondere Schwere der Schuld festzustellen.

Der Angeklagte „übererfülle“ das von Profilern erstellte Täterprofil. Außerdem ähnele er stark dem Mann, den Zeugen bei der Explosion auf einem Stromkasten sitzen sahen und der nach der Explosion langsam davonging, anstatt sich um die Opfer zu kümmern. „Die Anzahl der Zufälle ist endlich. Der große Unbekannte müsste dann auch noch aussehen und angezogen gewesen sein wie der Angeklagte. Das gibt es nicht“, sagte der Staatsanwalt.

Vor 18 Jahren war in Düsseldorf eine Rohrbombe inmitten einer Gruppe von Sprachschülern explodiert. Angeklagt ist der rechtsradikale Ralf S., der die mit TNT gefüllte Rohrbombe aus Fremdenhass ferngezündet haben soll. Ihm warf die Anklage versuchten zwölffachen Mord vor. Bei dem Bombenanschlag waren am 27. Juli 2000 zehn Menschen aus einer zwölfköpfigen Gruppe verletzt worden, einige von ihnen lebensgefährlich. Ein ungeborenes Baby starb im Mutterleib.

Dem Gericht scheinen die von Polizei und Staatsanwaltschaft zusammengetragenen Indizien aber nicht auszureichen: Für den 52-Jährigen, der seine Unschuld beteuert, zeichnet sich ein Freispruch ab. Vor einigen Wochen war er bereits aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Zuletzt hatte der Prozess eine kuriose Wendung genommen: Ein Mithäftling hatte Ralf S. am 32. Verhandlungstag wieder schwer belastet.

Der Oberstaatsanwalt kritisierte in seinem zweieinhalb stündigen Plädoyer die Entscheidung der Richter, Ralf S. aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Die Begründungen für diese Entscheidung seien für ihn „nicht nachvollziehbar“ gewesen.

Auch die Vertreter in der Nebenkläger sehen die Täterschaft von Ralf S. als erwiesen und forderten lebenslange Haft. Rechtsanwalt Juri Rogner sagte mit Blick auf die Entlassung des Angeklagten aus der U-haft an die Adresse des Landgerichts: "Wenn der Wehrhahn-Anschlag das schwerste Verbrechen in der Düsseldorfer Nachkriegsgeschichte war, ist die Kammer gerade dabei, den größten Fehler der Nachkriegsgeschichte zu begehen."

Verteidiger wollen Entschädigung für Ralf S.

Aus Sicht seiner Verteidiger gehört der Angeklagte freigesprochen. „Die Beweisaufnahme hat den Nachweis für seine Täterschaft nicht erbracht“, sagte Verteidiger Ingo Schmitz. Der Angeklagte sei von völlig unglaubwürdigen Zeugen belastet worden, dabei verfüge er nicht einmal über die Fähigkeiten, eine solche Bombe zu bauen.

Zahlreiche Zeugen hätten ihre Aussagen im Prozess zurückgenommen oder relativiert. Ihnen sei es möglicherweise zuvor bei ihren belastenderen Varianten um Hafterleichterungen oder die Belohnung gegangen. Zu umstrittenen Aussagen des Angeklagten selbst sagte Schmitz: „Er ist ein Dampfplauderer und ein Dummschwätzer, der zu maßloser Selbstüberschätzung neigt.“

Es gebe keine Spuren vom 52-Jährigen am Tatort, sagte Verteidigerin Hülya Karaman. Das Plädoyer des Staatsanwalts sei eine „geschickte und gekonnte Augenwischerei“ gewesen. Die Verteidiger forderten eine Entschädigung für ihren Mandanten. Das Urteil wird voraussichtlich am 31. Juli verkündet.

(dpa/heif/sg)
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