Interview Warum diese Frau weggeworfene Regenschirme fotografiert

Wuppertal · Die Wuppertalerin Susanne Fischer sah plötzlich überall kaputte Regenschirme – und fing an, sie zu fotografieren. Nun stellt sie die Bilder aus. Alles nur Quatsch? Ein Interview.

 Susanne Fischer hat ihre Regenschirme kürzlich entsorgt - ganz anständig im Restmüll.

Susanne Fischer hat ihre Regenschirme kürzlich entsorgt - ganz anständig im Restmüll.

Foto: Dorothea Hauptstock

Die Wuppertalerin Susanne Fischer sah plötzlich überall kaputte Regenschirme — und fing an, sie zu fotografieren. Nun stellt sie die Bilder aus. Alles nur Quatsch? Ein Interview.

Besitzt du selbst einen Schirm?

Susanne Fischer Mehrere sogar. Auch mehrere kaputte. Jedenfalls bis vor einer Woche. Da habe ich sie alle weggeworfen. Ich wusste einfach nicht, wofür ich sie noch verwenden sollte.

Die Schirme gehen immer an dieser Verbindung zwischen Schirmstoff und Gestänge kaputt, oder?

Fischer Meistens, aber sie können auch knicken. Oder der Knauf bricht ab. Am schönsten sehen die Schirme aus, wenn sich die Schirmhaut an den meisten Stellen vom Gestänge gelöst hat. Ich habe die unterschiedlichsten Formen der Zerstörung gesehen. Je zerstörter, desto schöner. Es gab mal einen Tag im Februar, da ist ein Sturmtief über Wuppertal gezogen. Auf dem Nachhauseweg habe ich 17 weggeworfene Schirme gesehen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie entzückt ich war.

Was hat dich dazu getrieben, an öffentlichen Orten weggeworfene Regenschirme in Wuppertal zu fotografieren?

Fischer Vor einem Jahr ist mir ein unglaublich schönes, kaputtes Schirmexemplar auf der Straße begegnet. Dann habe ich den Schirm noch mal an einer anderen Stelle gesehen. Offensichtlich hat ihn jemand gefunden und mitgenommen, um ihn auszuprobieren, dann festgestellt, dass er nicht mehr funktioniert, und ihn in einem anderen Mülleimer entsorgt. Ab da hatte ich den Schirm auf dem Schirm und habe angefangen, Fotos zu machen. Zunächst nur für mich. Das war zu Beginn der Wuppertaler Regensaison, die diesmal ungefähr von Oktober bis Juni gedauert hat.

Es werden Schirme gebraucht in Wuppertal.

Fischer Ganz genau. Dann hatte ich plötzlich 100 Aufnahmen und dachte: Das ist zu cool, um es für mich zu behalten.

Gibt es denn einen kritischen Ansatz hinter der Ausstellung?

Fischer Das könnte man vermuten aufgrund meines Berufs als Nachhaltigkeitsforscherin — aber nein. Mir sind einfach diese Massen an Schirmen aufgefallen. Es hat nicht mehr aufgehört. Das mag sich verrückt anhören, aber nach einer gewissen Zeit hatte ich den Eindruck, dass jemand die Schirme für mich in der Stadt platziert. Sie lagen überall dort, wo ich entlanggelaufen bin, und sahen teilweise so unglaublich schön aus. Ein roter aufgespannter im grünen Gebüsch an der Wupper ist ein unglaubliches Bild. Allein schon wegen des Kontrasts.

Ich hatte Mitleid mit den Schirmen. Weggeworfen in Wuppertal — was für ein Schicksal!

Fischer Am Anfang hatte ich dasselbe Gefühl, wie sie da so einsam und geknickt lagen. Aber das hat sich gewandelt. Ich habe mich nachher über jeden Schirm gefreut. Ich konnte dem Kaputten etwas abgewinnen.

Hast du schon mal gesehen, wie jemand einen Schirm weggeworfen hat?

Fischer Leider noch nie.

Tun die Leute das heimlich?

Fischer Ich glaube nicht. Bei einigen Schirmen muss das in einer Situation größter Genervtheit darüber geschehen sein, dass der Sturm so doll ist und der Regen, und jetzt bricht auch noch der Schirm, und du pfefferst ihn in die nächstbeste Straßenecke oder den nächstbesten Mülleimer.

Hast du deinen Schirm auch mal so weggeworfen?

Fischer Nein, weil er trotzdem noch seinen Dienst getan hat. Ich wollte ja trocken ankommen.

Was war der ungewöhnlichste Ort, an dem du einen Schirm gefunden hast?

Fischer Aufgefallen ist mir, dass viele Schirme in der Wupper gelandet sind, vor allem rote Schirme. Eine falsche, aber schöne Hypothese wäre: Alle Schirme, die rot sind, haben ein größeres Risiko, kaputt in der Wupper zu landen, als andersfarbige Schirme.

Geben Leute zu wenig Geld für einen Regenschirm aus?

Fischer Ja. Aber es werden kaum noch gute Schirme angeboten. Forscher von der TU Delft in den Niederlanden haben einen sturmsicheren Schirm entwickelt. Der ist eher oval, und sie haben sich auch noch Mühe gegeben mit dem Muster. Schirme, die in Deutschland weggeworfen werden, sind im Großen und Ganzen ziemlich langweilig. Grau, schwarz, dunkelblau.

Hast du einen teuren Schirm?

Fischer Ich habe ganz lange Zeit billige Schirme gekauft, und weil die immer so schnell kaputt gingen, irgendwann einen guten gekauft. Der hat auch lange gehalten, aber irgendwann doch den Geist aufgegeben. Seitdem scheitere ich an dem fehlenden Angebot. Vielleicht schenkt mir die TU Delft einen.

Die Ausstellung "I Don't Give A Schirm" ist bis zum 2. November 2016 im Café "Swane" in Wuppertal, Luisenstraße 102a, zu sehen. Das Café hat täglich ab 18 Uhr geöffnet.

(seda)
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