Waldzustandsbericht 2018 Jeder zweite Baum in NRW ist stark beschädigt

Düsseldorf · Die Wälder in Nordrhein-Westfalen sind in einem so schlechten Zustand wie zuletzt vor 34 Jahren. Rund 80 Prozent des Bestandes ist beschädigt. Grund ist vor allem der Klimawandel. Eine Task Force des Umweltministeriums soll den Schädlingsbefall in den Griff bekommen.

 Die extrem lange Trockenheit hat die Fichten geschädigt (Symbolbild).

Die extrem lange Trockenheit hat die Fichten geschädigt (Symbolbild).

Foto: dpa/Thomas Frey

Dem Wald in Nordrhein-Westfalen geht es schlecht. Sogar so schlecht wie seit 1984 nicht mehr. Und damit seit Beginn der Erhebungen. „Der Zustand unserer Wälder ist leider sehr besorgniserregend und besonders ernst“, sagte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) bei der Vorstellung des Waldzustandsberichts 2018. Fast 80 Prozent des Baumbestandes in NRW ist beschädigt, 39 Prozent der Bäume gelten sogar als stark geschädigt. Damit ist nur jeder fünfte Baum gesund.

In NRW gibt es 935.000 Hektar Wald, 63 Prozent davon befinden sich in privater Hand von insgesamt 152.000 Waldbesitzern. Die Wälder bestehen aus 58 Prozent aus Laubbäumen, meist Buchen und Eichen. Auf 42 Prozent der Fläche wachsen Nadelbäume, vor allem Fichten. „Die Wälder sind wichtig für das Klima, die Luftreinhaltung, den Wasserhaushalt, die Artenvielfalt und die Bodenfruchtbarkeit“, erläuterte die Ministerin. Dass sich der Wald in einem miserablen Zustand befinde, sei eine direkte Folge des Klimawandels. „Die globale Erwärmung ist bei uns längst zu spüren“, sagte Heinen-Esser. Es gebe drei konkrete Gründe, die in diesem Jahr maßgeblich für die schwere Erkrankung des Waldes verantwortlich seien. Erstens der Sturm „Frederike“, der im Januar erhebliche Teile des Waldes in NRW zerstört hat. Zweitens die langanhaltende Hitze- und Trockenperiode im Sommer und drittens der massive Befall mit Borkenkäfern.

Der für die Waldzustandserhebung zuständige Forstwissenschaftler bei Wald und Holz NRW, Lutz Falkenried, wies daraufhin, dass der Wald bekanntlich aus einzelnen Baumarten bestehe, die unterschiedlich auf die veränderten Klimabedingungen reagierten. Das seien vor allem Eichen, Buchen, Fichten und Kiefern. Wobei es besonders hart die Fichten getroffen hätte. „Sie haben die schlechtesten Benadelungswerte seit Beginn der Aufzeichnungen“, sagte Falkenried. „Sie haben mit ihrem meist flachen Wurzelsystem früh und damit wesentlich unter dem Wassermangel gelitten“, so Falkenried. Die Fichten seien durch die Wetterkapriolen derart geschwächt worden, dass sie dem aggressiven Befall von Borkenkäfern schutzlos ausgeliefert seien. „Die Käfer befallen nur geschwächte und kranke Bäume. Gesunde Fichten hingegen können die Käfer mit ihrem Harz bekämpfen. Aufgrund der Trockenheit konnten die Fichten aber keinen Harz produzieren“, sagte der Fachmann.

Der derzeitige Stand der Erhebungen ließe laut Umweltministerium darauf schließen, dass es sich um den größten Borkenkäferbefall seit mehreren Jahrzehnten handele. Auf den Einsatz von Pestiziden will man dennoch verzichten. Nach Angaben des Waldbauernverbandes hat der Borkenkäfer in NRW bereits über zwei Millionen Festmeter Fichtenholz befallen. „Auf den Jahrhundertsommer 2018 folgt nun die Jahrhundertkatastrophe im Wald“, sagte der Vorsitzende des Waldbauernverbandes Philipp Freiherr Heereman. Wegen des massiven Schädlingsbefalls ist sogar eine Task-Force beim Umweltministerium ins Leben gerufen worden. Damit sich die Käfer nicht noch weiter ausbreitet, müssen abgestorbene und befallene Baumstämme aus den Wäldern geschafft werden. Die Holzverarbeitungsbetriebe kommen mit der Arbeit aber kaum nach und sind zum Teil schon überlastet. Deshalb gibt es mittlerweile Lagerflächen auf Wiesen und Äckern außerhalb der Wälder, wo die betroffenen Hölzer hingebracht werden. „Hauptsache, die Stämme sind mindestens zwei Kilometer weit vom Wald entfernt. Diese Distanz kann der Käfer nicht mehr zurücklegen“, sagte der Sachverständige.

Die geschädigten Bäume sind nach Angaben der Experten aber noch nicht verloren. Sie könnten sich auch schnell wieder erholen, selbst wenn sie bis zu 60 Prozent beschädigt seien, sagte Falkenried. „Aber es darf halt nicht noch so ein Jahr folgen wie 2018. Es hängt alles vom Wetter ab“, betonte er. Wie hoch der angerichtete Schaden im Wald in diesem Jahr ist, wird gerade erhoben. Er dürfte aber weit in die Millionen gehen. Und nicht alle Waldbesitzer verfügen über ausreichende Finanzreserven um die Verluste zu kompensieren. „Viele Eigentürmer werden sich gezwungen sehen aufzugeben, wenn keine Zukunfts- und Förderprogramme aufgelegt werden“, sagte der umwelt- und naturschutzpolitischen Sprecher der Grünen,  Norwich Rüße.

Wegen des Klimawandels soll der Wald in Teilen auch ein anderes Gesicht bekommen, etwa mit neuen Arten. „Es ist wichtig, die Wälder auch längerfristig stabiler und widerstandsfähiger zu entwickeln“, sagte Heinen-Esser. Wie genau die Zukunft des Waldes in NRW aussehen soll, will die Ministerin am 7. Dezember erklären. Dann wird das neue Waldbaukonzept vorgestellt.

Eine gute Nachricht gab es aber trotzdem: Trotz allem wird es wohl keine Lieferengpässe bei Weihnachtsbäumen geben. „Ich glaube, dass die Versorgung gegeben sein wird“, sagte Falkenried.

(csh)
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