Augenzeugenberichte aus Volkmarsen „Der fuhr einfach in die Leute“

Volkmarsen · Katharina A. sah, wie der Mercedes-Kombi in Volkmarsen ungebremst in eine Menschenmenge des Karnevalzugs fuhr. Die junge Frau und viele Menschen in dem hessischen Dorf sind schockiert. Auch der Polizist Christian Bültemann hat den Schreckmoment miterlebt.

Volkmarsen / Nordhessen: Auto fährt in Volkmarsen in Karnevalsumzug
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Auto fährt in Volkmarsen in Karnevalsumzug

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Foto: dpa/Uwe Zucchi

Katharina A. steht am Fenster und schaut auf die ersten Karnevalswagen, die unten auf der Straße am Haus vorbeiziehen. Der jungen Frau fällt ein silberner Mercedes-Kombi auf, der am Straßenrand an der Zugstrecke abgestellt ist. „Plötzlich fuhr der Wagen los – mitten auf die Zuschauer und Zugteilnehmer“, sagt A. zwei Stunden später am Telefon unserer Redaktion. „Der Wagen hat nicht abgebremst, sondern weiter beschleunigt. Der fuhr einfach in die Leute, nahm alles mit, was ihm in den Weg kam. Das hat der meiner Meinung nach absichtlich gemacht“, schildert die Augenzeugin. Der Wagen sei dann in Höhe eines Supermarktes zum Stehen gekommen. „Ich bin dann raus auf die Straße, um den Verletzten zu helfen“, erzählt A.

Hunderte Menschen mussten am Montag in Volkmarsen hilflos mit ansehen, wie ein Mann ohne Vorwarnung und ungebremst in eine Menschenmenge des Fastnachtzuges fuhr und dabei rund 30 Menschen verletzte, einige von ihnen schwer.

Unter den Verletzten befinden sich auch Kinder. Viele in Volkmarsen, einem 6800-Einwohner-Dorf in Hessen nahe der nordrhein-westfälischen Grenze, brachen unmittelbar nach dem Vorfall in Tränen aus; weinten zum Teil hemmungslos.

Auch der Polizist Christian Bültemann hat den Unfall mitangesehen. Auf seiner hobbymäßig betriebenen Internetseite „Nordhessen Journal“ berichtet er von den „quietschenden Reifen“ des Mercedes und „wie das Auto an ihm vorbei schoss“. Wie auch Katharina A. ist er davon überzeugt, dass die Tat „kein Versehen war“, sondern „bewusst und gewollt“. Er beschreibt weiterhin, wie der Fahrer des Wagens direkt in den Festzug rast. „Überall liegen Verletzte rum, man hört Menschen schreien. Viele Menschen laufen in die Richtung, um zu helfen und flüchten nicht in Panik.“ Er sei fassungslos, darüber wie man so etwas machen könne.

Der zuständige Landrat Reinhard Kubat sagte, dass ihm weinende Menschen entgegengekommen seien. Es hätten verletzte Kinder auf der Straße gelegen, sagte Kubat. „Kinder kamen zu mir und sagten, es habe ,Plopp, plopp, plopp‘ gemacht, immer wenn das Auto einen Menschen überrollt hatte“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Elmar Schulten, Lokalreporter der „Waldeckischen Landeszeitung“, bestätigte: „Als ich ankam, lagen 15 Personen am Boden, darunter viele Kleinkinder. Überall verheulte Gesichter, darunter gestandene Männer. Väter, die ihre Kinder am Boden haben liegen sehen.“

Am Rathaus der kleinen Gemeinde richtete die Polizei ein Informationszentrum für Betroffene und Angehörige ein. Leichtverletzte wurden in einer Apotheke versorgt, die unmittelbar am Ort des Geschehens liegt.

Der Fahrer, bei dem es sich um einen 29 Jahre alten Deutschen handeln soll, war am Montag laut hessischem Innenministerium nicht vernehmungsfähig. Der Mann sei noch vor Ort vorläufig festgenommen worden. Er sei ebenfalls verletzt und in ärztlicher Behandlung. Zum Motiv könne man derzeit nichts sagen.

Ein zweiter Mann wurde festgenommen. Er soll hinter dem Auto, das in die Menschenmenge fuhr, gefilmt haben. Der Fahrer war nach ersten Erkenntnissen den Behörden nicht als Extremist bekannt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr. Allerdings war der Mann der Polizei nach dpa-Informationen in der Vergangenheit durch Beleidigung, Hausfriedensbruch und Nötigung aufgefallen.

Obwohl die möglichen Beweggründe des Autofahrers in Volkmarsen unbekannt sind, denken viele Einwohner an den vergangenen Mittwoch zurück. Die Nacht von Hanau hat sich bei vielen in Hessen schmerzlich ins Gedächtnis eingebrannt. Augenzeugin Katharina A. sagt: „Das ist so entsetzlich. Wir wollten doch nur Karneval feiern, und dann passiert so etwas Schreckliches.“

Feuerwehrleute und Notfallsanitäter stehen hinter einem Absperrband an der Stelle, an der das Auto in den Rosenmontagszug gefahren ist.

Feuerwehrleute und Notfallsanitäter stehen hinter einem Absperrband an der Stelle, an der das Auto in den Rosenmontagszug gefahren ist.

Foto: dpa/Uwe Zucchi
Volkmarsen: Augenzeugen berichten über die Auto-Attacke in Nordhessen
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Mittlerweile hat sich auch Bundeskanzlerin Angela Merke zu dem Vorfall in Volkmarsen geäußert. Sie bekundete am Montag ihr Mitgefühl mit den Opfern und sprach den Polizisten ihren Dank aus. Auf Twitter teilte ihre stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer mit: „Meine Gedanken sind bei den Verletzten von #Volkmarsen und ihren Angehörigen. Ich wünsche allen baldige und vollständige Genesung. Einen herzlichen Dank an die Polizei und alle medizinischen Einsatzkräfte.“

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