Interview mit Jasmin Dickmanns Vielen Menschen fehlt der Hundeverstand

Mönchengladbach · Im RP-Interview verrät die Leiterin des Gladbacher Tierheims, weshalb die Tier-Vermittlung schon immer schwierig und undankbar war, wieso die Sommerferien besonders viel Arbeit bedeuten – und welche Hunderasse gerade in Mode ist.

 Tierheimleiterin Jasmin Dickmanns brachte ihre kleine Hündin Lilli mit zum Redaktionsgespräch.

Tierheimleiterin Jasmin Dickmanns brachte ihre kleine Hündin Lilli mit zum Redaktionsgespräch.

Foto: Detlef Ilgner

Im RP-Interview verrät die Leiterin des Gladbacher Tierheims, weshalb die Tier-Vermittlung schon immer schwierig und undankbar war, wieso die Sommerferien besonders viel Arbeit bedeuten — und welche Hunderasse gerade in Mode ist.

 Beim Sommerfest im Tierheim gingen die Besucher auf Tuchfühlung mit Hund und Katze. Mitnehmen durfte niemand ein Tier.

Beim Sommerfest im Tierheim gingen die Besucher auf Tuchfühlung mit Hund und Katze. Mitnehmen durfte niemand ein Tier.

Foto: Detlef Ilgner

Dickmanns Mambo geht es schon wieder viel besser. Seine Haut ist nicht mehr so gerötet und der Juckreiz lässt nach. Allerdings müssen wir ihn leider aufgrund der Milben noch immer isoliert halten. Wir hoffen, dass die Milben in zwei Wochen komplett abgetötet sind. Dann kann er zu seinen Artgenossen.

Geschieht es häufig, dass verwahrloste Tiere bei Ihnen abgegeben werden?

Dickmanns Das ist nicht selten. Die Tierschutz-Verbände haben aber eine ganz gute Aufklärungsarbeit geleistet. Zumindest die klassischen Weihnachtsgeschenke sind weniger geworden. Dafür werden immer mehr Katzen zu uns gebracht.

Der traurige Klassiker, das Anbinden an einer Raststätte, geschieht auch nicht mehr so häufig?

Dickmanns Nicht mehr so häufig, wie es mal war, aber das ist immer noch saisonabhängig. Zur Sommerferienzeit kommt es noch vor.

Ist das Tierheim voll belegt derzeit?

Dickmanns Ja, wir pflegen circa 30 Hunde und 60 Katzen. Hinzu kommen weitere Kleintiere.

Mit wie vielen Mitarbeitern?

Dickmanns Acht, darunter drei Auszubildende.

Aber ohne Ehrenamtler ginge es nicht, oder?

Dickmanns Nein. Viele Menschen helfen uns. Einige kommen sogar täglich vorbei und gehen mit den Hunden Gassi. Wir sind ebenfalls sehr dankbar um jeden Praktikanten, der zu uns kommt.

Gerade die Sommerferien bedeuten für Sie Schwerstarbeit. Weshalb?

Dickmanns Wir pflegen zum einen viele Pensions-Tiere, nicht nur Hunde und Katzen, sondern zum Beispiel auch Kaninchen und Meerschweinchen. Im Sommer bringen darüber hinaus mehr Menschen Fund-Tiere zu uns. Ganz zu schweigen von den vielen Katzenbabys, die geboren werden. Oft werden verwaiste Jungtiere zu uns gebracht, die unsere Mitarbeiter dann mit der Flasche aufziehen. Leider passiert es in den letzten Jahren auch immer häufiger, dass Tiere während des Verreisens in Wohnungen zurückgelassen werden.

Zurückgelassen? Einfach so?

Dickmanns Ja. Wenn sie Glück haben, ruft ein Nachbar das Ordnungsamt, und die Tiere werden aus der Wohnung geholt.

Ist das Thema Kampfhunde noch aktuell?

Dickmanns Aktuell leider immer noch. Doch kann sich das Tierheim Mönchengladbach über eine recht gute Vermittlungsquote auch dieser Hunderassen freuen. Bei uns leben zurzeit drei. Dafür werden immer häufiger Belgische Schäferhunde abgegeben. Sie sind sehr in Mode, für den Halter aber auch eine große Herausforderung.

Warum ist gerade diese Rasse so gefragt?

Dickmanns Weil Malinois eigentlich ganz tolle und unglaublich schlaue Hunde sind. Die Leute sehen sie bei der Polizei und beim Zoll. Nur: Wenn sie unterfordert sind, ihnen langweilig wird, reagieren sie sehr schnell nervös. Damit können viele nicht umgehen.

Vor nicht allzu langer Zeit waren Chihuahuas der letzte Schrei...

Dickmanns Die Menschen suchen bei Tieren immer das Exotische, das Ausgefallene. Oft fehlt es dann aber leider an den notwendigen Vorkenntnissen. Und die Hunde werden nach kurzer Zeit wieder abgegeben.

Sie sagten eben, dass schon jetzt 60 Katzen bei Ihnen heimisch sind. Und es werden immer mehr?

Dickmanns Ja, beinahe täglich. In Deutschland herrscht bereits das gleiche Elend wie in den Südländern. Viele Katzen sterben qualvoll auf offener Straße. Hier muss insbesondere die Stadt endlich handeln. Die freilaufenden Tiere müssen geimpft, kastriert und registriert werden.

Es werden allerdings auch exotischere Tiere zu Ihnen gebracht...

Dickmanns Ja, in der Feuerwehrbox fanden wir morgens mal eine Vogelspinne und eine Natter. Ein anderes Mal lag eine Königspython in einer Gefrierbox vor unserem Eingang.

Reptilien pflegen Sie aber doch gar nicht...

Dickmanns Nein, dafür sind wir nicht ausgerüstet. Wir haben die Tiere gleich in eine andere Einrichtung gebracht. Reptilien, man kann das nicht oft genug betonen, sind auch keine Tiere, die in einer Wohnung artgerecht gehalten werden können.

Die Feuerwehr hat eine eigene Box bei Ihnen?

Dickmanns Und einen Schüssel, damit sie nachts Tiere bringen kann.

Ist es heute eigentlich schwieriger, Tiere zu vermitteln?

Dickmanns Nein, das war schon immer sehr schwierig. Es muss einfach passen. Einen sportlichen Hund kann man nicht an jemanden vermitteln, der den ganzen Tag auf dem Sofa liegt. Man muss sich dessen bewusst sein, dass ein Tier Zeit und Kosten macht. In Gesprächen zwischen Tierheim und Interessent lässt sich so einiges herausfiltern.

Kann man Fehlvermittlungen also nicht verhindern?

Dickmanns Jeder, der Interesse zum Beispiel an einem Hund hat, muss einen umfassenden Fragebogen ausfüllen. Wir führen Gespräche. Dann geht die Person mit dem Hund spazieren, um das Tier auch außerhalb des Tierheims zu erleben. Falls wir das Tier dann vermitteln, führen wir auch Nachkontrollen durch.

Sie besuchen die neuen Halter in deren Wohnung?

Dickmanns Ja. Wir machen Nachkontrollen. Wir wollen sehen, wie sich der Hund eingelebt hat, wie wohl er sich fühlt und ob der Partner Mensch mit dem Tier zurechtkommt. Vielen Menschen fehlt der Hundeverstand.

Gab es schon mal einen Fall, in dem Sie ein Tier zurückfordern mussten?

Dickmanns Ja, einen Husky. Eine junge Frau kam mit ihm absolut nicht zurecht.

Spielen die häuslichen Verhältnisse eine große Rolle bei der Vermittlung?

Dickmanns Keine große, aber Fund-Tiere — gerade Katzen — brauchen Wohnungen oder Häuser mit Freilauf. Ein großer Rottweiler hat nichts im vierten Stock zu suchen. Solche Regeln beherzigen wir natürlich. Unsere Kaninchen vermitteln wir zudem immer mindestens zu zweit und in Außenhaltung. Das sind keine Käfigtiere!

Ist das Tierheim finanziell gut gerüstet?

Dickmanns Der Zuschuss der Stadt deckt nur ein Drittel unserer Kosten. Den Rest müssen wir durch Spenden und Fördermitglieder einsammeln. Uns unterstützen zum Glück sehr viele Menschen.

Sind die Räume denn ausreichend. Oder bräuchten Sie mehr Platz?

Dickmanns Wir können uns über die großflächigen Hundefreiläufe freuen. Unsere Kleintiere dürfen in großen Gehegen und Ausläufen leben. Die Katzen dürfen frei herumlaufen. Wir legen Wert darauf, den Tieren den Aufenthalt im Tierheim so angenehm wie möglich zu gestalten. Natürlich gibt es auch Dinge, die unbedingt bald renoviert werden müssen. Insbesondere der Fußboden in den Katzengehegen und des Büros. Er ist seit 50 Jahren nicht mehr erneuert worden und inzwischen vollkommen zerkratzt und beschädigt.

Gibt es etwas, dass Sie sich vom Staat, von der Stadt wünschen?

Dickmanns Ein großes Problem ist, wie schon gesagt, die Katzen-Population. Sie muss dringend eingedämmt werden. Darüber hinaus besteht weiterhin Aufklärungsbedarf im Tierschutz: Vielen Menschen, die sich ein Tier zulegen, fehlt nach wie vor das nötige Wissen.

Können Sie sich persönlich eigentlich noch ein Leben ganz ohne Tiere vorstellen?

Dickmanns (lacht) Nein, auf keinen Fall. Das Tierheim ist mein zweites Zuhause. Ich arbeite dort ja auch inzwischen seit zwölf Jahren. Überhaupt war die Tierpflege für mich nie nur Beruf, sondern schon immer auch Berufung.

INGE SCHNETTLER, ANNE PETERS UND FABIAN EICKSTÄDT FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(apd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort