Anwalt dementiert Medienberichte Verurteilter Mörder von Nicole-Denise Schalla doch nicht untergetaucht

Düsseldorf · Der verurteilte Mörder der Dortmunder Schülerin Nicole-Denise Schalla soll nach Medienberichten untergetaucht sein. Sein Anwalt stellt nun klar: Ralf H. ist in Münster. Einen Grund für das Missverständnis nannte er auch.

 Ralf H. im Sommer 2020 im Gerichtssaal im Dortmunder Landgericht. (Archivbild)

Ralf H. im Sommer 2020 im Gerichtssaal im Dortmunder Landgericht. (Archivbild)

Foto: dpa/Bernd Thissen

Mehr als 27 Jahre nach dem gewaltsamen Tod der Dortmunder Schülerin Nicole-Denise Schalla verurteilte das Landgericht den 56-jährigen Ralf H. Ende Januar wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Der Mann blieb aber auf freiem Fuß, weil das Urteil nach einer Revision des Angeklagten noch nicht rechtskräftig ist, und das Gericht keine Fluchtgefahr sah. Diese Entscheidung hatte nicht nur bei den Angehörigen des getöteten Mädchens für Unverständnis gesorgt.

Am Wochenende berichteten verschiedene Medien nun, Ralf H. sei untergetaucht. „Das ist völliger Unsinn“, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Udo Vetter, der Ralf H. vertritt. „Mein Mandant konnte einfach einen Termin, zu dem er nicht ordnungsgemäß geladen war, nicht wahrnehmen, weil er schlicht nichts davon wusste.“ Die Ladung zum Termin beim Amtsgericht Münster sei wohl versehentlich an eine alte Adresse geschickt worden. „Dort wohnt mein Mandant schon seit eineinhalb Jahren nicht mehr“, sagt Vetter. Sämtlichen Behörden sei die neue Meldeadresse aber bekannt gewesen. Sein Mandant lebe mit einer Lebenspartnerin zusammen und habe eine feste Adresse. „Insgesamt ist er nicht verpflichtet, in Münster zu sein. Er ist ein freier Mann und hätte auch nach Mallorca fliegen können.“

Bei dem Termin handelt es sich um eine Anhörung, weil das Polizeipräsidium Münster eine elektronische Fußfessel für Ralf H. beim Gericht beantragt hat – aber offenbar eine veraltete Adresse angegeben hatte. Der Brief vom Gericht kam also zurück mit dem Hinweis, dass er nicht zugestellt werden konnte. Und wurde dann noch einmal verschickt. „Wir hatten noch eine andere Adresse“, sagt ein Polizeisprecher. Die Polizei möchte Ralf H. die elektronische Fußfessel anlegen, „weil wir nicht ausschließen können, dass eine Gefahr von ihm ausgeht“, wie der Sprecher sagt. H. war in der Vergangenheit schon mehrfach gewalttätig gegen Frauen geworden, hat deshalb auch schon einige Jahre im Gefängnis verbracht. Die Fußfessel sei eine reine Sicherheitsmaßnahme. „Wir gehen nicht von einer konkreten gegenwärtigen Gefahr aus.“

Das Amtsgericht Münster will Ralf H. nun bei einem zweiten Termin am 31. März dazu anhören. Der zweite Brief konnte nach Angaben von Polizei und Gericht nun auch zugestellt werden.  „Nach der Anhörung entscheiden wir über den Antrag der Polizei“, sagt ein Sprecher des Amtsgerichts. Sollte Ralf H. nicht zum Termin erscheinen, kann das Gericht auch ohne seine Anhörung entscheiden, ob er eine Fußfessel bekommt oder nicht. Für die Vollstreckung dieser Maßnahme ist dann die Polizei zuständig – und die würde dann auch nach Ralf H. fahnden, wenn er nicht anzutreffen wäre.

Das wird aber nicht nötig werden, wie sein Anwalt sagt: „Ich gehe am Mittwoch mit ihm zum Termin – wir werden uns diesem Verfahren genauso stellen wie allen anderen Verfahren.“ Ralf H. ist bereits seit vergangenem Jahr auf freiem Fuß und war bislang unauffällig. Wegen der Erkrankung einer Richterin war ein erster Prozess geplatzt und H. aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Aus Sicht des Oberlandesgerichts Hamm hatten sich die Dortmunder Richter zu viel Zeit gelassen, um den Prozess wieder neu zu beginnen – was nicht dem Inhaftierten zum Nachteil werden darf. Auch während des zweiten Prozesses, der nun im Januar endete, war H. ein freier Mann und zu allen Gerichtsterminen erschienen.  

Ralf H. war 2018 festgenommen worden, nachdem nachträgliche DNA-Analysen von Tatortspuren im Fall Nicole-Denise Schalla einen Treffer ergeben hatten. Das Mädchen war 16 Jahre alt und besuchte die 11. Klasse eines Dortmunder Gymnasiums, als es im Oktober 1993 vergewaltigt und getötet wurde. Die Leiche der Jugendlichen lag nur wenige Meter von der Bushaltestelle entfernt, wo sie abends ausgestiegen war und nach Hause gehen wollte. Eine Hautschuppe von Ralf H., die an der Toten sichergestellt werden konnte, überführte ihn schließlich vor drei Jahren. Das Gericht konnte das Tatgeschehen nicht ganz aufklären, hielt aber zwei Abläufe für möglich. Nach Überzeugung der Richter folgte Ralf H. der Schülerin damals auf dem Heimweg aus dem Bus und fiel über sie her – entweder heimtückisch oder um sie sexuell zu nötigen und dies durch das Töten zu verdecken. Ralf H. hat im Prozess bestritten, das Mädchen ermordet zu haben. Der Bundesgerichtshof muss nun über seine Revision entscheiden.

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