Gewitter, Starkregen, Tornados So fegte „Emmelinde“ über das Land

Düsseldorf · Sturmtief „Emmelinde“ ist über NRW hinweggezogen. Während der Westen des Landes eher glimpflich davonkam, wurden in Paderborn dutzende Menschen verletzt. Tornados in Lippstadt und Paderborn richteten etliche Verwüstungen an. Auch für Samstag warnt die Polizei vor Gefahr.

Mutmaßlicher Tornado in NRW - Große Schäden in Paderborn und Lippstadt
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Tornado in NRW – große Schäden in Paderborn und Lippstadt

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Foto: AFP/INA FASSBENDER

Starkregen, Blitz und Donner – eine breite Gewitterfront ist am Freitagnachmittag über NRW gezogen. Das Unwetter „Emmelinde“ war in vielen Teilen des Landes aber weit weniger stark als zuvor befürchtet worden war.

In Paderborn allerdings wurden durch schweres Unwetter mit Orkanböen 43 Menschen verletzt, 13 davon schwerverletzt und eine Schwerstverletzte, sagte am Samstag Bürgermeister Michael Dreier (CDU) bei einer Pressekonferenz. Der leitende Polizeidirektor Ulrich Ettler ergänzte, dass die schwerstverletzte Frau lebensgefährliche Verletzungen erlitten habe. Sie werde in einem Bielefelder Krankenhaus behandelt und sei noch in der Nacht operiert worden. „Es geht ihr etwas besser, aber sie schwebt noch in Lebensgefahr“, sagte Ettler. In Lippstadt im Kreis Soest hat es nach Informationen der Polizei keine Verletzten gegeben. Es liege keine Verletztenmeldung vor, sagte ein Polizeisprecher am Samstagmorgen. Es liefen weiter Aufräumarbeiten in Lippstadt.

Unwetter in NRW im Mai 2022: Starkregen und Blitzeinschlag
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Starkregen und Blitzeinschlag - so zog das Unwetter über NRW hinweg

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Foto: dpa/David Young

Angesichts von immer wieder auffrischendem Wind und vielen noch ungesicherten Gefahrenstellen rief die Polizei die Bewohner in den Schadensgebieten auf, zu Hause zu bleiben. Auch für Samstag sei dort „mit erhöhten Gefahren durch starke Winde“ zu rechnen. Zum Ausmaß der Schäden wollen sich Polizei, Feuerwehr und Stadtverwaltung am Samstagvormittag in einer Pressekonferenz äußern.

Zerstörung durch den Tornado in Paderborn

Der Tornado hat in Paderborn nach Schilderung von Bürgermeister Michael Dreier (CDU) mit enormer Kraft in mehreren Stadtteilen massive Zerstörungen angerichtet. Der Tornado verursachte nach Angaben der Behörden am Freitag in einem Korridor von West nach Ost, der ungefähr 300 Meter breit ist und sich über fünf Kilometer Länge mitten durch die Stadt zieht, erhebliche Zerstörungen.

„Im Riemeke-Park sind sprichwörtlich die Bäume umgeknickt wie Streichhölzer. Es sind unzählige Dächer komplett mit den Pfannen entdacht worden. Es sind viele Scheiben eingeschlagen worden durch den Wind“, sagte Dreier am Samstag in einer Pressekonferenz.

Im Herzen der Stadt, wo der neue zentrale Busbahnhof entstehe, seien Ampeln wie Streichhölzer umgeknickt worden. Auf einen Bus seien Bäume gestürzt, dabei sei glücklicherweise kein Mensch schwer verletzt worden. Der Tornado habe rund um das Quellgebiet der Pader unzählige Dächer und Scheiben zerstört, Wohnungen unbewohnbar gemacht.

„Es ist ein unvorstellbares Bild gewesen und ist es nach wie vor“, betonte er.

Die Paderborner Polizei sprach bereits von einer „Schneise der Verwüstung“ und Millionenschäden. Unzählige Dächer wurden abgedeckt, zahlreiche Bäume entwurzelt. Der öffentliche Nahverkehr war schwer beeinträchtigt.

Nach dem Unwetter schaufelten geschockte Mieter in Paderborn am Abend Ziegel ihrer zerstörten Dächer in Mülltonnen. In einem Gewerbegebiet seien Dächer von Hallen abgerissen worden und Bleche und Dämmung kilometerweit geflogen, berichtete die Polizei.

Menschen seien unter anderem von Dachziegeln getroffen und durch umstürzende Bäume verletzt worden, hieß es.

Die Schäden seien noch gar nicht komplett überschaubar, teilte die Polizei am Abend mit. Viele Straßen seien unpassierbar. Unfälle hätten den Verkehr zusätzlich behindert.

Tornado in Lippstadt zerstört Häuser

Im 35 Kilometer entfernten Lippstadt zerstörte ein nach Feuerwehrangaben mutmaßlicher Tornado ebenfalls zahlreiche Dächer im gesamten Stadtgebiet, wie ein Feuerwehrsprecher mitteilte. Herabfallende Dachziegel oder Äste seien aber auch nach dem Unwetter brandgefährlich, warnte der Kreis Soest. Menschen sollten sich nicht im Freien aufhalten und das Autofahren vermeiden. Der Kreis rief eine Großeinsatzlage aus.

In beiden Städten platzten Fensterscheiben, Autos wurden durch herabfallende Äste zerstört. Teils seien die Bäume schon am Stamm umgeknickt, berichtete die Gemeinde Altenbeken bei Paderborn - wie von der Hand eines Riesen getroffen.

Im Lippstadter Ortsteil Hellinghausen stürzte durch den Sturm die Spitze der St. Clemenskirche zu Boden und wurde zerstört. Rund 400 Kräfte waren im gesamten Stadtgebiet am Freitagabend im Einsatz. In Paderborn fiel eine Dachlatte von einem Dach und bohrte sich in die Windschutzscheibe eines geparkten Autos.

Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums sagte, neben Paderborn und Lippstadt seien keine weiteren Orte bekannt, die es ähnlich getroffen habe.

In den meisten Regionen blieb es bei kräftigen Schauern und dunklen Wolken; vereinzelt gab es Windböen. Die Feuerwehr in Düsseldorf meldete einige vollgelaufene Keller, Garagen und überschwemmte Straßen; Dramatisches sei aber nicht passiert, hieß es zunächst. Ähnliches berichteten die Leitstellen aus anderen Städten. In Duisburg schlug ein Blitz in die Landmarke „Tiger und Turtle“ ein und beschädigte die Beleuchtung.

Verspätungen bei der Bahn durch das Unwetter

Die Deutsche Bahn teilte mit, wegen des Unwetters könne es in Teilen Deutschlands zu Verspätungen und Zugausfällen kommen. Bei den ICE- und IC-Verbindungen zwischen Köln, Wuppertal, Dortmund und Hamm wurden mehrere Halte gestrichen, bei den ICE- und IC-Verbindungen zwischen Köln, Hamm und Kassel-Wilhelmshöhe konnte die Strecke zwischen Hamm und Kassel-Wilhelmshöhe nicht befahren werden.

Eine amtliche Unwetterwarnung der Warn-App Nina vor schwerem Gewitter mit heftigem Starkregen und Hagel galt am Freitag unter anderem für die Grenzregion rund um Aachen, den Niederrhein mit Mönchengladbach und Kleve sowie Düsseldorf, Köln, Duisburg und das Bergische Land. Das Land NRW hatte vorsichtshalber eine Landeslage einberufen, um im Notfall schnell reagieren zu können.

Im benachbarten Rheinland-Pfalz ist ein Mann bei dem schweren Unwetter ums Leben gekommen. Laut der Polizei in Koblenz zog sich der 38-jährige Mann am Freitagabend im Ort Wittgert (Kreis Westerwald) einen Stromschlag im Keller von Bekannten zu, der nach einem schweren Gewitter in der Region unter Wasser stand. Der Mann sei nach dem Stromschlag hingefallen und dabei vermutlich mit dem Kopf aufgeschlagen. Wiederbelebungsversuche blieben laut Polizei erfolglos.

Wegen umgefallener Bäume waren in der Region Koblenz mehrere Straßen über Stunden gesperrt. Mehrere Autos blieben zudem in überschwemmten Unterführungen liegen.

Im mittelfränkischen Landkreis Roth stürzte eine Holzhütte ein, in der einige Menschen offenbar vor dem Unwetter Schutz gesucht hatten. 14 Menschen wurden verletzt, die meisten leicht, wie das Polizeipräsidium Mittelfranken mitteilte. Ein Kind sowie eine 37-jährige Frau mussten aber schwer verletzt vom Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Die Einsturzursache der Hütte in Enderndorf am See wurde noch untersucht.

In NRW war am Freitag aus Sicherheitsgründen der Unterricht wegen der angekündigten Unwetterwarnungen in vielen Schulen vorzeitig beendet worden. Im Regierungsbezirk Köln endete die Schule um 11.30 Uhr, damit die Schüler sicher nach Hause kommen konnten. In den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold, Münster und Düsseldorf lag die Entscheidung bei den Schulen oder den einzelnen Kommunen. „Schließen Sie alle Fenster und Türen! Sichern Sie Gegenstände im Freien! Halten Sie insbesondere Abstand von Gebäuden, Bäumen, Gerüsten und Hochspannungsleitungen! Vermeiden Sie möglichst den Aufenthalt im Freien!", hatte der Deutsche Wetterdienst gewarnt.

Auch zahlreiche Veranstaltungen wurden in Hinblick auf das Wetter vorsichtshalber abgesagt. So fiel die in Bad Münstereifel geplante Dankfeier für Helfer der Flutkatastrophe mit Kardinal Rainer Maria Woelki aus. Der Beginn des Weihnachtsmarkts auf Schloss Burg in Solingen, der wegen der Corona-Pandemie im Dezember nicht stattfand und nun nachgeholt werden sollte, wurde auf Samstag verschoben.

In Köln wurden unter anderem der Zoo und der Forstbotanische Garten geschlossen, auch die Friedhöfe sollten ab dem Nachmittag für Besucherinnen und Besucher zu bleiben. Es könnten Bäume umstürzen oder Äste abbrechen, teilte die Stadt mit. Der Dortmunder Zoo blieb den ganzen Freitag geschlossen.

Schon am Donnerstag war ein Unwetter über NRW gezogen. Dabei waren mehrere Bäume umgestürzt und auf Bahngleise gefallen. Deswegen kam es am Freitag zwischen Köln und Wuppertal zu Verspätungen und Ausfällen bei der Bahn.

(csh)
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