Schwere Unwetter „Müssen mit Wassermassen rechnen, die ich in NRW nie für möglich gehalten hätte“

Wuppertal · Ein Unwetter hat in vielen NRW-Städten enorme Schäden verursacht - insbesondere in Wuppertal. Schon am Donnerstag drohen neue heftige Gewitter, die in Zukunft häufiger werden.

Unwetter in Wuppertal: Aufräumarbeiten in Einkaufszentrum und auf den Straßen
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Aufräumarbeiten nach Unwetter in Wuppertal

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Foto: dpa/Marcel Kusch

Nach den schweren Unwettern in NRW werden die Aufräumarbeiten in Wuppertal wohl noch mehrere Wochen dauern. „In vielen Fällen sind auch der Untergrund und die Kanäle geschädigt“, teilte die Stadt am Mittwoch mit. In ganz Wuppertal seien Mitarbeiter unterwegs, Schäden würden zunächst provisorisch mit Schotter beseitigt. Von den Gewittern, die sich am Dienstagabend über NRW entluden, war die Stadt im Bergischen besonders betroffen. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) kamen in Wuppertal rund 100 Liter pro Quadratmeter herunter – so viel wie sonst in einem ganzen Monat. Hunderte Feuerwehrleute pumpten am Mittwoch vollgelaufene Keller leer, nach Angaben der Stadtwerke waren ganze Straßenzüge am Morgen sicherheitshalber noch stromlos geschaltet.

Durch den Sturm war das Dach eines Universitätsgebäudes eingestürzt, die Schadenshöhe war zunächst weiter unklar. In der Innenstadt knickte ein Tankstellendach weg und beschädigte mehrere Autos. Über die Schadenshöhe konnte ein Aral-Sprecher keine Angaben machen, unterirdische Lagertanks seien aber nicht beschädigt worden. Er habe so etwas in den 21 Jahren, in denen er für Aral arbeite, noch nicht erlebt, sagte der Sprecher. Auch in ein großes Einkaufszentrum in der City drang viel Wasser ein, viele Geschäfte bleiben geschlossen, genau wie einige Schulen.

Auch hier hat das Unwetter zugeschlagen

Aber auch in anderen Städten hat das Unwetter große Schäden angerichtet. Bei Kleve musste Mittwochmorgen ein Autobahnzubringer gesperrt werden, um die Fahrbahn zu reinigen. Überschwemmungen hatten die Straße unbefahrbar gemacht. Düsseldorf registrierte am Morgen 187 Unwettereinsätze – meist wegen vollgelaufener Keller, überschwemmter Unterführungen, umgekippter Bäume und Wasser in Tiefgaragen. Auch in Gangelt im Kreis Heinsberg pumpte die Feuerwehr nach eigenen Angaben Keller leer, Straßen waren voller Wasser und Schlamm.

In Solingen hatte die Feuerwehr am Dienstagabend vor Hochwasser der Wupper gewarnt. „Es gab eine richtige Flutwelle“, sagte ein Sprecher am Tag danach. Demnach hatte der Fluss am Dienstagnachmittag in Solingen einen Höchststand von 2,40 Metern – eine halbe Stunde zuvor seien es 70 Zentimeter gewesen. In Ratingen verzeichnete die Feuerwehr insgesamt 365 Einsätze und bedankte sich bei den Kollegen aus den Nachbarstädten Heiligenhaus, Hilden, Mettmann, Monheim, Velbert und Wülfrath, die bei den Arbeiten geholfen hatten.

Land prüft Soforthilfe

Unwetter in Wuppertal: Einkaufszentrum City-Arkaden überflutet
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Einkaufszentrum in Wuppertal nach Unwetter überflutet

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Foto: RP ONLINE

Die Landesregierung prüft nun, ob besonders stark vom Unwetter betroffene Städte wie Kleve, Aachen und Wuppertal mit Soforthilfen unterstützt werden können. Innen- und Umweltministerium untersuchten zurzeit, ob die Voraussetzungen zur Gewährung von Soforthilfe erreicht seien, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch. Dazu zähle etwa eine Mindestniederschlagsmenge von 100 Millimetern (entspricht 100 Litern) pro Quadratmeter. Dies könnte laut DWD tatsächlich punktuell der Fall gewesen sein. Vor einer endgültigen Entscheidung müsse aber auch die Bezirksregierung noch vor Ort prüfen, ob der Niederschlag die 100-Millimeter-Grenze erreicht habe.

Zur Dauer der Prüfung machte der Sprecher keine Angaben. Profitieren könnten von einer Soforthilfe des Landes Privatpersonen und Kommunen.

Meteorologen sind überrascht

Dass es lokal ungewöhnlich stark geregnet hat und in unmittelbarer Nachbarschaft kaum, liegt an einem besonderen Phänomen. „Zum einen sind die Gewitterzellen oft sehr klein, zum anderen haben sie sich am Dienstagabend kaum verlagert, sondern an Ort und Stelle abgeregnet“, sagt DWD-Meteorologe Martin Schönebeck. So kamen große Mengen Wasser sozusagen an einem Fleck herunter. Das Niederschlagsgebiet in Wuppertal hatte laut Schönebeck gerade mal einen Radius von vier Kilometern, das Düsseldorfer Gebiet sei sogar noch kleiner gewesen.

Wo sich solche Zellen bilden oder entladen, sei nicht vorherzusagen. Die Schwierigkeit, solche Phänomene zu kalkulieren, liegt an den dynamischen Prozessen in den Tiefdruckgebieten. Schauer und Gewitter bilden sich spontan. Es lässt sich nur eine Wahrscheinlichkeit angeben, dass diese Zellen auftreten. Für bessere Vorhersagen sind die Computermodelle zu ungenau. Relativ unstrittig aber ist, „dass es immer mehr extreme Unwetter in NRW geben wird“, sagt DWD-Meteorologe Franz-Josef Molé. „Wir müssen in Zukunft sogar mit Wassermassen rechnen, die ich in NRW niemals für möglich gehalten hätte.“

Niemals für möglich gehalten hätte Molé, dass es irgendwann regelmäßig zu Niederschlägen von mehreren hundert Litern pro Quadratmeter kommen könnte. „Ich dachte, das absolute Maximum wäre 2014 in Münster erreicht worden. Damals regnete es 293 Liter pro Quadratmeter.“ Ein ungewöhnlicher Einzelfall, dachte der Meteorologe, der sonst so in NRW nicht möglich ist.

Anhand dieser und anderer Daten der vergangenen Jahre lasse sich der Klimawandel ablesen. Seit Jahren gehe beispielsweise die Durchschnittstemperatur in NRW nach oben, erklärt der Experte. Damit werde ein Klima geschaffen, das Starkregen und Gewitter begünstige.

Es wird wärmer

Dazu passt die am Mittwoch veröffentlichte Temperaturbilanz des DWD zum Mai 2018 – die Durchschnittstemperatur lag mit 16 Grad satte 3,9 Grad über dem Durchschnittswert der Vergleichsperiode. Damit sei der Monat ähnlich warm gewesen wie der Mai 1889, der bisher als der Rekordhalter gilt, hieß es beim DWD. In Hamburg und Schleswig-Holstein war er sogar der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881. Deutschlandweit war schon der April 2018 der heißeste jemals gemessene. Mit 275 Stunden Sonnenschein war der Mai 2018 einer der fünf sonnenscheinreichsten seit Beginn der Messungen – trotz der Starkregen-Ereignisse der vergangenen Tage. Der Monat erreichte damit 140 Prozent seines Sollwerts von 196 Stunden Sonnenschein. Der Frühling 2018 ist sogar unter den vier sonnenscheinreichsten.

Die Unwetter-Neigung bleibt auch in den kommenden Tagen bestehen. Das liegt an einer Wetterlage, die als „Tief Mitteleuropa“ bezeichnet wird. Derzeit ist es „Wilma“, das als Tief mit zahlreichen Gewitterzellen festhängt und nicht weiterzieht.

Donnerstag wird es örtlich wohl noch einmal zu heftigen Schauern und Gewittern kommen. „Das kann teilweise ähnlich heftig werden mit Extremmengen wie am Dienstagabend“, sagt Schönebeck. „Wo genau, wissen wir jedoch nicht.“ Morgen sei dann unwetterartiger Dauerregen möglich – allerdings sei das noch etwas unklar. Erst am Samstag werde sich die Situation entspannen. Allerdings ist es dann auch vorbei mit den sommerlich warmen Temperaturen.

(kib, ham,)
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