Wasserspaß in Duisburg (3) Über Kanus und die Kunst der Balance

Duisburg · Dutzende von bunten Flaggen schmücken das Ufer, hunderte Bojen schaukeln im dunklen Wasser der Regattabahn. Die Tribüne ist geputzt und ein riesiges Zelt wird gerade errichtet.

 Gemeinsam mit Fabian Kux im Kajak sieht alles aus wie ein Kinderspiel. Zu dem Zeitpunkt ist Janna Hoppe aber schon nass bis auf die Haut.

Gemeinsam mit Fabian Kux im Kajak sieht alles aus wie ein Kinderspiel. Zu dem Zeitpunkt ist Janna Hoppe aber schon nass bis auf die Haut.

Foto: Hohl, Ralf (hohl)

Kurzum, Duisburgs Regattabahn ist so gut wie gerüstet für den Ansturm der knapp tausend Athleten und zig tausend Besucher.

 Schon das Einsteigen ist eine wackelige Angelegenheit. Wie gut, dass Fabian Kux das Kanu festhält und somit stabilisiert.

Schon das Einsteigen ist eine wackelige Angelegenheit. Wie gut, dass Fabian Kux das Kanu festhält und somit stabilisiert.

Foto: ralf hohl

Inmitten des Getümmels stehe ich: 1 Meter 68 groß und mit einem riesigen Paddel in der Hand. Vor mir liegt ein ebenso riesiges Boot. Und da soll ich rein. Nicht etwa fahren, denn es ist allgemein bekannt, das wirkliche Rennkanus nicht für den normalen Menschen gebaut sind.

 Platsch. Keine Sekunde hat sich Janna Hoppe im Kanu gehalten, da bekommt es auch schon Schlagseite.

Platsch. Keine Sekunde hat sich Janna Hoppe im Kanu gehalten, da bekommt es auch schon Schlagseite.

Foto: Hohl, Ralf (hohl)

Die erste Voraussetzung ist, dass der Hüftumfang kaum mehr als 80 Zentimeter betragen darf, sonst hat Mann (oder eher Frau) überhaupt keine Chance in das schmale Boot zu passen. Zweite Voraussetzung ist ein unglaublicher Gleichgewichtssinn. Ich musste lernen: Fahrrad fahren oder auf einem Seil balancieren zu können, qualifizieren einen nicht, in einem solchen Kanu zu sitzen.

"Ich gebe dir fünf Sekunden", sagt Fabian Kux, mein Lehrer und U-23 Vizeweltmeister im Zweier-Kajak. Damit wollte er mir wahrscheinlich nur Mut machen, denn die knapp dutzend Herren am Ufer, die sich ein solch unmögliches Unterfangen wohl nicht entgehen lassen wollten, schauen halb skeptisch, halb belustigt in unsere Richtung.

Um meine Leidensgeschichte abzukürzen: Es war eine Sekunde, die ich mich über Wasser hielt. Wahrscheinlich eher eine halbe. Gut, ich bin baden gegangen, das Foto ist gemacht; die Anweisung der Redaktion ist somit erfüllt. Die Zuschauer am Ufer sind auch auf ihre Kosten gekommen. Wie schön für sie. Des Erfolgserlebnisses wegen ist Fabian so nett und dreht in einem Zweier-Kajak mit mir ein paar Runden. Das geht erstaunlich leicht. Kein Wunder, denn Fabian hat Muskeln, von denen viele Männer nur träumen können. Drei bis vier Trainingseinheiten absolviert der 23-Jährige jeden Tag. Von nix, kommt nix.

Der Bauingenieurwesen-Student aus Essen holte dieses Jahr mit seinem Teamkollegen David Schmude bei der U-23 Weltmeisterschaft in Kanada über 1000 Meter Silber. Der Kajak-Zweier ist bei der Weltmeisterschaft in Duisburg allerdings nicht mit am Start. Dennoch will Fabian seine Sportsfreunde unterstützen und paddelt ansonsten Medienvertreter äußerst geduldig durch die Gegend.

Das pinke Kajak, das es so gar nicht gut mit mir meint, hat auch schon die ein odere andere Goldmedaille gewonnen. Sowohl in Sydney 2000, als auch in Athen 2004 hat es die Leistungssportler über die Ziellinie gefahren. Mittlerweile gehört es zu den alten Eisen und ist aufgrund seiner Breite (Breite ist relativ!) nicht schnell genug, um mit den inzwischen noch schlanker gewordenen Booten mitzuhalten. Die diesjährige Kanu-Flotte ist mit ihrem weißen Rumpf und den pinken Streifen eine Hommage an die berühmt-berüchtigte "Pinke Flotte", die damalige Formel-1 unter den Rennkanus.

Für die Weltmeisterschaft vom 27. August bis zum 1. September werden an allen Wettkampftagen zusammen etwa 20 000 Besucher erwartet. Zahlende Besucher versteht sich, denn in den vergangenen Jahren zeigte sich, dass das Ufer bei derartigen Sportevents und passablem Wetter von Schaulustigen dicht besetzt war.

Und übrigens: Der Mann, der uns auf den Plakaten zur WM begegnet, fährt einen sogenannten Canadier. Und das Fahren im Canadier ist nicht etwa den Kanadiern vorbehalten, sondern wird als Disziplin von Sportlern aus der ganzen Welt betrieben. Damit sei man jedoch langsamer, meint Fabian. Warum man sich freiwillig in ein ebenso schmales Boot noch unbequemer kniet, um dann auch noch langsamer zu sein, ist mir unbegreiflich.

Nichtsdestotrotz: Alle Kanuten verdienen aus meiner Sicht unglaublich viel Respekt. Und zwar nicht nur für die Kunst im Kajak oder Canadier zu sitzen, sondern auch für die unglaublichen Zeiten, in denen sie eine Strecke zwischen 200 und 5000 Meter zurücklegen. Zuschauer sollten sich das am Dienstag beginnende Spektakel mit Athleten aus über 78 Nationen und 50 deutschen Kanuten nicht entgehen lassen.

Und ich — ich werde um eine Idee davon zu bekommen, wie es ist, im Kanu sitzen zu bleiben, nach Kanus für normale Menschen mit unterdurchschnittlich vielen Muskeln und überdurchschnittlich breiten Hüften Ausschau halten.

(RP)
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