Folgen der Trockenheit Bäume in NRW gehen vorzeitig in Herbst-Modus

Düsseldorf · Bereits seit Mitte August werfen viele Bäume ihre Blätter ab. Schuld daran ist die anhaltende Trockenheit. Nicht nur Fichten, auch andere Arten sind stark gefährdet. Experten fordern daher, vermehrt klimatolerantere Sorten zu pflanzen.

  Der Düsseldorfer Stadtreinigungsdienst Awista muss auf den Straßen schon das Laub beseitigen. Ab Mitte September starten reguläre Laubtrupps.

Der Düsseldorfer Stadtreinigungsdienst Awista muss auf den Straßen schon das Laub beseitigen. Ab Mitte September starten reguläre Laubtrupps.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Für Christoph Dirksen lautet das Zauberwort Wasser. Weil das fast flächendeckend in den Böden fehlt, sterben landauf, landab Bäume, und das in erschreckendem Tempo. „Die Lage ist dramatisch“, sagt der Vorsitzende des Baumschulverbands NRW. So schlimm wie momentan sei es an etlichen Standorten noch nie gewesen. Viele Bäume werfen seit Mitte August ihre Blätter ab, in den Wäldern sieht es teilweise schon aus wie im Herbst. Dies geschehe, weil die Pflanzen sich wegen der anhaltenden Trockenheit nicht mehr ernähren könnten und auf diese Weise versuchten zu überleben, erklärt Dirksen. „Viele Bäume sind aber so stark geschädigt, dass sie im nächsten Jahr nicht mehr austreiben.“

Weil das Wasser tiefere Bodenschichten in den meisten Regionen nicht mehr erreicht, droht nach Flachwurzlern wie den Fichten nun auch anderen Arten das Aus. Bergahorn, Vogelkirsche und Eberesche seien bereits gefährdet, sagt Dirksen, auch den Buchen gehe es mancherorts schlecht. Als Folge der drei extrem trockenen Sommer hintereinander konnte sich zudem der Borkenkäfer als sogenannter Sekundärschädling ausbreiten; er befällt hauptsächlich Fichten. Das liege auch an der Vegetationsperiode, die in den vergangenen Jahren früher begonnen habe und wärmer gewesen sei, sagt der Leiter des Thünen-Instituts für Waldökosysteme in Eberswalde, Andreas Bolte. Dadurch können sich mehr Larven entwickeln als sonst. „Jetzt sehen wir gerade die dritte Generation, die sich bereit macht. Damit haben wir in vielen Regionen einen deutlichen Überschuss an Borkenkäfern“, erklärt er. Da die Käfer zuletzt auch massenhaft überwinterten, sei zudem die Anfangsgeneration im Frühjahr 2020 bereits groß gewesen. „In diesem Jahr ernten wir damit die bitteren Früchte aus 2018 und 2019.“

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 Vertrocknete Blätter liegen auf einem Waldboden, der von Rissen durchzogen ist. Der Wald leidet unter der anhaltenden Trockenheit (Symbolbild).

Vertrocknete Blätter liegen auf einem Waldboden, der von Rissen durchzogen ist. Der Wald leidet unter der anhaltenden Trockenheit (Symbolbild).

Foto: dpa/Sebastian Gollnow
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Foto: dpa/Markus Klümper

Den deutschen Wäldern geht es ohnehin nicht allzu gut, wie zuletzt neue Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums belegten. Demnach haben Stürme, Dürre und Schädlinge den Wäldern noch heftiger zugesetzt als bekannt. So hat sich beispielsweise die Rußrindenkrankheit bei Ahornbäumen, ein Pilzbefall, so weit ausgebreitet wie noch nie. „Einen derartigen Befall kannte man früher kaum“, sagt Dirksen. Rund 285.000 Hektar müssen bundesweit aufgeforstet werden – das ist mehr als die Fläche des Saarlandes. Bislang war die Bundesregierung von Januar 2018 bis Juni 2020 von 245.000 Hektar ausgegangen. Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als elf Millionen Hektar Wald.

Bolte zufolge bräuchte es mindestens zwei „ganz kühle und feuchte Jahre“, um die Situation zu lindern. „Das wäre zum einen nötig, um die Widerstandskraft der Bäume zu stärken, zum anderen aber auch, damit die Population der Borkenkäfer zurückgeht“, sagt Bolte. Es sei eher wahrscheinlich, dass der Befall noch Jahre auf hohem Niveau bleibe. Daher wird intensiv darüber nachgedacht, in Städten, aber auch in bewirtschafteten Wäldern auf andere Baumarten zurückzugreifen, erklärt Baumschulverbands-Chef Dirksen. Geforscht werde seit mehr als zehn Jahren, um hitzeresistentere und generell klimatolerantere Arten zu finden. „Das sind etwa die Silberlinde, deren silbrige Blätter Hitze besser absorbieren können, der Schnurbaum oder der Feldahorn“, sagt Dirksen. Zukunftsbäume nennt er diese Kandidaten – bis sie sich aber etwa im Stadtbild durchsetzen, dauere es 25 bis 30 Jahre.

Um diesen Prozess zu beschleunigen, fordert der Bund deutscher Baumschulen zusätzlich eine nationale Forschungsplattform, die ein deutschlandweites Testnetz ermöglicht. „Dazu gehört auch, großflächig Baumbestände zu erfassen und in eine solche Plattform einzuspeisen. Wir müssen rasch handeln, um jene Bäume zu finden, die in unseren Städten und den Wäldern wachsen und ihre Funktion erfüllen“, fordert Guhl. Um das Grün zu erhalten, müsse eben auch Geld in die Hand genommen werden, ergänzt Dirksen. „Neue Bäume müssen gepflanzt werden, brauchen Wasser und Dünger, also intensive Pflege“, sagt der Experte. „Das muss uns gutes Klima in den Städten wert sein.“ (mit dpa)

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