Seniorin ertrinkt in Geldern So schützen Seniorenheime in NRW Demenzkranke vor Unfällen

Geldern · In Geldern konnte eine 80-Jährige nur noch tot aus einem Gewässer geborgen werden. Die Frau war aus einem Seniorenheim verschwunden. Die Einrichtungen in NRW unternehmen viel, um so etwas zu verhindern.

 In dieses Wasserbecken ist die 80-Jährige in Geldern gefallen.

In dieses Wasserbecken ist die 80-Jährige in Geldern gefallen.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Der Notruf geht am Samstagmorgen gegen 7.15 Uhr bei der Feuerwehr ein. Pflegekräfte haben eine 80-Jährige leblos aus einem künstlich angelegten Gewässer nahe einer Seniorenresidenz gezogen. Der alarmierte Notarzt versucht vergeblich, die Frau zu reanimieren.

Die an Demenz erkrankte Frau soll motorische Unruhe verspürt haben und sei immer wieder aus dem Seniorenheim gelaufen, heißt es. Das hätten auch die Pflegekräfte gewusst. Nach Angaben der Polizei habe man am Samstagmorgen um 5.15 Uhr noch einmal in ihrem Zimmer nach ihr geschaut, da habe sie noch in ihrem Bett gelegen.

 Ob sie in dem flachen Gewässer ertrunken ist oder der Tod eine andere Ursache wie einen Herzinfarkt hatte, muss eine Obduktion klären. Einen Verdacht auf fahrlässige Tötung gebe es aber nicht, sagt eine Polizeisprecherin. „Ein Seniorenheim ist keine geschlossene Einrichtung, sondern ein offenes Haus, in dem jeder ein- und ausgehen kann“, betont sie. Wenn es keine Hinweise auf eine Fremdeinwirkung gibt, geht man bei der Polizei von einem Unglücksfall aus.

Immer wieder verlassen an Demenz erkrankte Personen Senioreneinrichtungen oder Privathaushalte. Und nicht immer enden diese Ausflüge glimpflich. So wurde ebenfalls am vergangenen Wochenende eine 78-Jährige in Borken tot in einem Gebüsch gefunden. Nach ersten Erkenntnissen war die Frau, die als verwirrt und orientierungslos galt, auf einem Weg nahe einem Grünstreifen gestürzt und hatte sich nicht mehr aus eigener Kraft aus ihrer Notlage helfen können, wie es hieß. Die Polizei hatte seit Tagen öffentlich mit einem Foto nach der Vermissten gefahndet. Auch ein Mantrailer-Hund kam bei der Suche zum Einsatz.

Sobald in einem Seniorenheim auffällt, dass ein Bewohner nicht mehr da ist und deshalb Grund zur Sorge besteht, wird in der Regel die Polizei informiert. Dort entscheidet man dann über den Umfang der Suchmaßnahmen. „Das kann von der Streifenwagenbesatzung bis zum Einsatz von Tauchern, Hubschraubern und eines Zuges einer Hundertschaft gehen“, sagt ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei. „Wir mobilisieren dann alles, was nötig und möglich ist. Die Gefahrenabwehr zählt zu den wichtigsten Aufgaben der Polizeiarbeit“, sagt er. Im Großteil der Fälle verliefen die Suchaktionen erfolgreich. Die Kosten für solche Einsätze trägt der Staat.

„Zwei Drittel aller Bewohner von Senioreneinrichtungen leiden mittlerweile an Demenz“, sagt Herbert Maul, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste. Dementsprechend gebe es auch häufiger solche Fälle. Nur durch eine dichte Betreuung und sinnvolle Unterhaltungsangebote wie Gymnastik, Singen oder Musizieren könne man halbwegs sicherstellen, dass die Patienten die Einrichtungen nicht verlassen würden. „Man muss dafür sorgen, dass die Erkrankten keinen Grund haben, um zu gehen. Wir können schließlich nicht einfach die Türen abschließen“, sagt er.

Geschlossene Senioreneinrichtungen sind eher die Ausnahme. „Es sollte möglichst vermieden werden, Demenzkranke einzusperren“, sagt Stephan Reitz, Referent für Altenpflege bei der Caritas. Nur wenn nachweislich Gefahr für Leib und Leben bestehe, müsse man diese Maßnahme ergreifen. Aber das sei nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts und auf Basis entsprechender Gutachten möglich. „Die Senioren laufen ja eigentlich nicht weg, sondern zu Orten, die ihnen vertraut sind – etwa ihr Zuhause“, sagt Reitz.

Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums gibt es eine Reihe von Gründen, wieso Demenzkranke Einrichtungen verließen. Neben Stress, Angst oder Schmerzen spiele häufig die ungewohnte Umgebung eine Rolle. Stimmen fremder Menschen könnten Erinnerungen an unangenehme Erlebnisse in früheren Jahren hervorrufen. Bei manchen sei es der Wunsch nach Bewegung, nach frischer Luft. Bei diesen sogenannten Spaziergängern könne auch das Anbringen eines GPS in der Kleidung, im Schuh oder der Uhr helfen, die erkrankte Person schnell zu finden und die Situation zu entschärfen, rät das Bundesfamilienministerium.

In der Seniorenresidenz in Geldern hat es schon einmal einen ähnlichen Todesfall wie am vergangenen Wochenende gegeben. Im August 2017 war ein 90-jähriger Bewohner aus dem Heim „abgehauen“ und galt eine Woche lang als vermisst. Ein Landwirt hatte den Mann schließlich tot am Ufer der Niers gefunden, nur wenige Hundert Meter entfernt von der Seniorenresidenz.

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