Pilotprojekt in NRW Ruhrgebiet profitiert am meisten von neuen „Talentschulen“

Düsseldorf · Rot-Grün wollte in NRW „kein Kind zurücklassen“. Schwarz-Gelb will dieses Versprechen nun mit sogenannten Talentschulen einlösen. Zum kommenden Schuljahr gehen 35 dieser Schulen an den Start.

Das sind die ersten 35 Talentschulen in NRW
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Foto: obs/TalentMetropole Ruhr

Das Ruhrgebiet ist der Gewinner des neuen Schulversuchs mit sogenannten Talentschulen an sozialen Brennpunkten. 22 der 35 besonders ausgestatteten ersten Talentschulen seien aus der Region Ruhr ausgewählt worden, berichtete der nordrhein-westfälische Schulstaatssekretär Mathias Richter am Freitag in Düsseldorf. Davon stammten 17 „aus dem Kern-Ruhrgebiet“. Bei insgesamt 149 Bewerbungen bekam kein anderer Landesteil mehr Zusagen. Die Schulen beginnen ab dem kommenden Schuljahr mit ihren Förderkonzepten.

„Eines der zentralen Projekte der Landesregierung wird mit Leben gefüllt“, sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bei der Vorstellung der Gewinnerschulen. Ziel sei es, „den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen von ihrer sozialen Herkunft und den Einkommensverhältnissen des Elternhauses zu entkoppeln“.

Dafür werde die Landesregierung jährlich 22 Millionen Euro investieren, um über 400 zusätzliche, unbefristete Lehrerstellen und 150.000 Euro für Fortbildung in das Modellprojekt zu geben. Weitere 25 Talentschulen sollen zum übernächsten Schuljahr an den Start gehen.

Eine Zusage bekamen, quer über das Land verteilt, jeweils sechs Gymnasien, Hauptschulen und Berufskollegs, zehn Gesamtschulen, fünf Realschulen und zwei Sekundarschulen. Die allgemeinbildenden Schulen erhalten 20 Prozent mehr Personalausstattung gemessen am Grundbedarf, Berufskollegs mindestens vier zusätzliche Stellen. Sie sollen unter anderem eingesetzt werden, um Fachunterricht auszubauen, Ausfälle zu mindern und Schüler intensiver zu beraten. An jeder Talentschule soll mindestens eine Stelle für Sozialarbeit eingerichtet werden.

Lehrergewerkschaften reagieren kritisch. „Einzelne Leuchttürme zu fördern, schafft keine Chancengerechtigkeit“, stellte der Landeschef des Verbands Bildung und Erziehung, Stefan Behlau, fest. „99 Prozent aller Schulen profitieren vorerst nicht vom Schulversuch.“ Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nannte es ein Rätsel, wie das kleine Pilotprojekt den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg auflösen solle.

„Schulministerin Gebauer steht im Wort und muss die Zusagen für mehr Personal und bessere Ausstattung auch wirklich einhalten“, mahnte die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. Im Koalitionsvertrag verspricht die schwarz-gelbe Regierung, sie werde Talentschulen „mit exzellenter Ausstattung und modernster digitaler Infrastruktur in Stadtteilen mit den größten sozialen Herausforderungen einrichten“.

Ein Ausstattungsbudget hat die Landesregierung dafür allerdings nicht vorgesehen. „Die Schulträger haben zugesichert, dass sie mehr in die technischen und baulichen Voraussetzungen investieren“, erklärte Staatssekretär Richter.

Beworben hatten sich die Gewinnerschulen mit den Förderprofilen Kultur, gewerblich-technische Gestaltung oder „MINT“ (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Gerade die MINT-Fächer sind aber an den meisten Schulen Mangelware.

„Wir haben generell Lehrerknappheit“, sagte die Ministerin. Die neuen Stellen müssten aber nicht mit grundständig ausgebildeten Lehrern besetzt werden. Seiteneinsteiger aus der Kunst seien ebenso willkommen wie Leute aus Unternehmen. Die Ministerin hofft, dass jüngste Entlassungen in einigen Konzernen geeignete MINT-Experten in die Schulen bringen werden. „Wir werben aber nicht aktiv an.“

Die GEW erinnerte die Landesregierung an ihre Ankündigung im Koalitionsvertrag, die Schüler-Lehrer-Relation in sozial schwierigen Stadtteilen zu verbessern. Die Koalition habe bereits rund 2800 Lehrerstellen unter Berücksichtigung eines solchen Sozialindexes verteilt - doppelt so viele wie die rot-grüne Vorgängerregierung, betonte Gebauer. Sie überlege derzeit, ob der Index, der die soziale Belastung in Schulamtsbezirken bemisst, künftig auch „schulscharf“ ausgerichtet werden könnte, um die Ressourcen noch gezielter zu verteilen.

Alle Talentschulen werden sechs Jahre in dem Modellprojekt arbeiten, das auch wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden soll. Für SPD-Fraktionsvize Jochen Ott ist bereits klar: „Jede Schule sollte eine Talentschule sein.“ Mit ihrem Ansatz verschärfe die Ministerin bloß die soziale Spaltung. Gebauer setzt hingegen darauf, dass die Talentschulen „eine Sogkraft entwickeln, die über die einzelne Schule hinausgeht“. Auch der Verband Lehrer NRW sieht hier einen „Schulversuch mit Signalwirkung“.

(mba/dpa)
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