„Starlight Express“ wird 30 Mein Held, die kleine Dampflok

Bochum · Seit 30 Jahren rollt „Starlight Express“ in Bochum über die Bühne und beflügelt die Fantasie eines Millionen-Publikums. Auch unser Autor war als Kind mit leuchtenden Augen dabei. Und er erinnert sich an eine besondere Begegnung.

 Eine Szene aus dem Musical „Starlight Express“ in Bochum (Archivfoto).

Eine Szene aus dem Musical „Starlight Express“ in Bochum (Archivfoto).

Foto: STARLIGHT EXPRESS GmbH/Jens Hauer

Was heutzutage für Kinder wohl Harry Potter, Bibi Blocksberg oder die Transformers sind, war für mich damals Rusty, die kleine Dampflok. In einer Welt der starken und schnellen Eisenbahnen sucht sie ihren Platz, muss Rückschläge hinnehmen und gegen Bösewichte kämpfen. Und am Ende des langen Weges warten der Sieg und die große Liebe. „Starlight Express“ ist schon fast die Blaupause eines Märchens, eine Heldengeschichte mit dem klassischen Kampf zwischen Gut und Böse. Und dazu jede Menge schicke Eisenbahnen. Ein Märchen, das Jungs also nicht peinlich sein muss.

30 Jahre - kein Musical in Europa läuft länger. Mehr als 16 Millionen Besucher - zweimal war ich unter ihnen. Angefangen hat alles irgendwann im Grundschulalter mit einer extrabreiten Doppel-CD-Hülle im Regal meiner Eltern. Auf dem Cover: Ein Sternenhimmel, ein Zug mit Kometenschweif und in großen Lettern der Schriftzug „Starlight Express“. Da geht es um Eisenbahnen, wurde mir gesagt. Das war wohl Grund genug für mich, mal reinzuhören.

Mein Opa war begeisterter Eisenbahn-Sammler und ich selbst hatte auch einen großen Lego-Zug unter meinem Hochbett stehen. Wenig verwunderlich also, dass die Geschichte eines kleinen Jungen, dessen Spielzeug-Eisenbahnen plötzlich lebendig werden und untereinander spektakuläre Wettrennen veranstalten, sofort meine volle Aufmerksamkeit hatte. Doch so eine Art von Geschichte hatte ich noch nie gehört. Die reden ja gar nicht normal miteinander, die singen - mal langsam, gefühlvoll und romantisch, dann wieder schnell und rockig. Letzteres gefiel mir irgendwie besser. Auch wenn ich mit meinen gerade einmal sechs oder sieben Jahren die Geschichte nur zum Teil verstehen konnte. „Pumping Iron“, „Call me Rusty“, „Locomotion“ - mein Englisch war noch gar nicht vorhanden. Wie sollte ich da die Titel verstehen? Zum Glück war das gar nicht nötig. Auch wenn die ausländischen Sänger ihre deutschen Texte mit starkem Akzent sangen, konnte ich mir alles irgendwie zusammenreimen. Und je öfter ich die CD durchgehört hatte, umso leichter fiel es. Spätestens beim zehnten Mal.

Abklatschen mit Rusty

Erst ein Jahr später sah ich meine Helden dann leibhaftig auf der Bühne in Bochum. Das muss irgendwann Mitte der 90er gewesen sein. Ich erinnere mich an einen Abend mit Gänsehaut: Die Schauspieler auf ihren Rollschuhen, in heroischen Rüstungen, mit geschminkten Gesichtern und Helmen, die wie Triebwagen aussahen. Da war „Papa“, die alte und weise Dampflok, „Pearl“, der Erste-Klasse-Waggon und quasi die Prinzessin in der Geschichte und „Greaseball“, die selbstbewusste, smarte Diesellok. Und natürlich Rusty - endlich hatte ich auch ein Gesicht zu der Stimme. Mit bis zu 60 Stundenkilometern rasten sie über die verschnörkelte Bühne, die eher wie eine Achterbahn aussah. Dazu Laserlicht, Nebelschwaden, Orchestermusik - Wahnsinn! Ich war voll dabei. Und das fiel wohl auf.

Denn kurz vor Ende der Show kam eine nette Frau vom Theater-Personal zu mir und meinen Eltern in die Sitzreihe und fragte, ob ich für das finale Schaulaufen nach ganz vorne kommen möchte. Und einige Sekunden später stand ich direkt am Streckenrand. Die Schauspieler flitzten vorbei, streckten ihre Hand zum Abklatschen aus - alle, auch Rusty, der mir sogar zuzwinkerte. Von da an waren wir Kumpels.

Plötzlich war die Bühne kleiner

Knapp zwanzig Jahre später war ich noch einmal da. Die Bühne war inzwischen geschrumpft. Oder vielleicht kam sie mir damals auch nur einfach deutlich größer vor. Auch die Schauspieler waren inzwischen andere. Die große Show jedoch, das Zusammenspiel von Artistik, Tanz und Gesang - das war dasselbe.

„Starlight Express“ gibt es nun seit drei Jahrzehnten. Das Musical hat etliche Rekorde gebrochen, gilt als erfolgreichstes in Europa und hat weltweit die längste Spielzeit an einem Ort. Was sind die Gründe für diesen Erfolg? Die Experten überbieten sich mit Superlativen. Sie sprechen von einem Phänomen, von einem hochemotionalen Publikumsmagneten, von einem Generationen-übergreifenden Dauerbrenner, den man nicht kopieren kann. Das mag alles stimmen. Für mich ist „Starlight Express“ vor allem ein schönes Stück Kindheit.

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