Starkregen in NRW 1. Juni 2016 — als das Rheinland unter Wasser stand

Düsseldorf · 420 Feuerwehr-Einsätze, überflutete Straßen, Tunnel und Keller, aber glücklicherweise keine Verletzten: das war die Bilanz des Abends des 1. Juni 2016 in Düsseldorf. Auch andere Gegenden in NRW, wie zum Beispiel Hamminkeln, waren von schweren Unwettern betroffen. Ein Rückblick.

Der Sommer 2016 begann ungemütlich in NRW. Ende Mai und Anfang Juni folgte ein Unwetter auf das andere. Besonders schwer traf es die Region am Abend des 1. Juni.

Es ist etwa halb acht, als in Düsseldorf kurz die Welt untergeht. Das Gewitter dauert rund eine Viertelstunde, und in der fällt Starkregen. Der Deutsche Wetterdienst gab im Laufe des Tages bereits eine Unwetterwarnung heraus. Die Experten rechneten mit Niederschlagsmengen von bis zu 60 Litern pro Stunde und Quadratmeter - das bedeutet extremes Unwetter und damit die höchste Wettergefahrenstufe.

Was das heißt, wird in Düsseldorf schnell deutlich. Straßen stehen unter Wasser, Bäche schwellen an, die Kanalisation kann die Wassermassen nicht aufnehmen. Im Universitätstunnel der A46 steht das Wasser etwa einen halben Meter noch. Unser Autor Jörg Isringhaus berichtet von seiner Fahrt durch den überfluteten Tunnel:

"Niemand traute sich, in den Tunnel zu fahren, auf der Abfahrt stand schon ein Wagen bis zu den Türen im Wasser, die Warnblinkanlage eingeschaltet. Was tun? Erstmal warten. Dann kam die Polizei, tastete sich mit dem VW-Bully vorsichtig in den Tunnel und gab die Fahrt frei. Eine recht großzügige Einschätzung, wie sich bald herausstellen sollte. (...) Es kommen einem komische Gedanken: Was, wenn du jetzt hier liegen bleibst? Wie hoch steigt das Wasser noch? Und warum hat die Polizei den Tunnel freigegeben?"

Unser Autor ist unter den letzten Fahrern, die an diesem Abend den Tunnel passieren dürfen. Unmittelbar danach sperrt die Polizei ihn für mehrere Stunden. Auch in der Düsseldorfer Innenstadt werden mehrere Tunnel gesperrt, darunter der Rheinufertunnel.

Blick in den überfluteten Tunnel der A46 in Düsseldorf.

Blick in den überfluteten Tunnel der A46 in Düsseldorf.

Foto: Isringhaus, Joerg

Unterdessen ruft die Düsseldorfer Feuerwehr den Ausnahmezustand aus. Alle Einsatzkräfte werden alarmiert. Ihre Hauptaufgabe: Vollgelaufene Keller leerpumpen, überflutete Straßen sperren und vom Wasser befreien. 420 Einsätze zählt die Feuerwehr innerhalb von fünf Stunden.

Auch im Keller unserer Autorin steigen die Fluten unaufhörlich. Das braune Wasser gurgelt, und sie kann dabei zusehen, wie es sich Zentimeter für Zentimeter die Stufen hocharbeitet. Bis zu ihrer Wohnung im Souterrain sind es nur wenige Stufen. Hier lesen Sie, wie unsere Autorin die Nacht nach dem Unwetter erlebte.

"Wir pumpen gerade mit 2000 Litern pro Minute ab", sagt der freundliche Feuerwehrmann. "Aber es reicht nicht, das Wasser steigt weiter."

 Blick in das überflutete Treppenhaus unserer Autorin.

Blick in das überflutete Treppenhaus unserer Autorin.

Foto: Laura Sandgathe

So schnell, wie das Unwetter gekommen ist, ist es auch wieder vorbei. Die Aufräumarbeiten in der Stadt dauern indes noch am Donnerstag an. Am Morgen hat die Feuerwehr an zehn Einsatzstellen die Wassermassen noch immer nicht unter Kontrolle. Schwerpunkt der Einsätze ist der Düsseldorfer Süden mit den Stadtteilen Wersten, Vennhausen, Holthausen, Eller sowie Lierenfeld und auch Benrath.

Düsseldorf ist nicht der einzige Ort in NRW, der an diesem Abend im Wasser versinkt. Besonders schwer trifft es auch Hamminkeln. Der kleine Ort im Kreis Wesel kommt in den nächsten Tagen nicht mehr zur Ruhe. Die Issel, die durch den Ort führt, schwillt infolge des Starkregens bedrohlich an. Am Morgen des 2. Juni 2016 liegt der Pegel bei etwas mehr als zwei Metern. Der Deich droht zu brechen. Ein tagelanger Kampf gegen die Wassermassen beginnt, der Kreis Wesel ruft den Katastrophenfall aus. Helfer schleppen über 68.000 Sandsäcke heran.

Unwetter in Düsseldorf: A46 gesperrt
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Juni 2016: Unwetter trifft Düsseldorf

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"Der aufgeweichte Damm war nicht das einzige Problem in Hamminkeln. Der Abstand vom Wasser zu den Brücken lag nur noch bei zehn bis 50 Zentimetern. Sollte der Pegel die Brückenkanten erreichen, würde das Wasser den Damm überschwemmen. Feuerwehr und Anwohner maßen alle halbe Stunde den Abstand."

Am Nachmittag des 2. Juni kommt die Meldung, der Deich sei gebrochen. Doch das stellt sich schnell als falsch heraus, tatsächlich war der Deich nur kurzzeitig kontrolliert geöffnet worden, um Wasser abzulassen. Weil es in den ersten Juni-Wochen immer wieder Gewitter gibt, droht der Deich noch mehrere Male zu brechen. Feuerwehr und Freiwillige sind tage- und nächtelang im Einsatz. Erst Ende des Monats beruhigt sich die Lage.

Der Deich in Hamminkeln ist mit Sandsäcken gesichert.

Der Deich in Hamminkeln ist mit Sandsäcken gesichert.

Foto: Christoph Reichwein

Auch im Rhein-Kreis Neuss ist die Feuerwehr in der Nacht zum 2. Juni ununterbrochen im Einsatz. Minütlich melden Hausbesitzer Keller, die unter Wasser stehen. Unterführungen sind unpassierbar. Autos bleiben auf überfluteten Straßen stecken. Die Wasserrettungseinheit der Feuerwehr rettet einen Hund vor dem Ertrinken, der ins Neusser Hafenbecken gefallen ist. Border-Collie-Mix "Duncan" verkroch sich zwischen einem Lastkahn und der Kaimauer in einem Loch der Spundwand. "Duncan" ist stark unterkühlt und kann nicht mehr schwimmen. Kurz nach seiner Rettung wird er seinem Besitzer zurückgebracht.

Besonders hart trifft es den Stadtteil Dormagen-Nievenheim. Hier ist der Ortskern komplett überflutet. Auch in Ratingen stehen Tunnel und Straßen unter Wasser. In einer Bahnunterführung muss die Feuerwehr ein junges Paar aus seinem Auto retten, das im etwa 80 Zentimeter tiefen Wasser ins Schwimmen geraten ist. Bei Xanten bleibt ein Regionalzug stecken, weil der Regen Schlamm auf die Gleise gespült hat. Ganz in der Nähe sitzen Schüler auf einem Xantener Bauernhof fest, weil die Wassermassen die Zufahrtsstraßen unpassierbar gemacht haben.

Issel in Hamminkeln im Kreis Wesel steigt - Damm nicht gebrochen
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Hochwasser an der Issel in Hamminkeln

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Im Kreis Kleve rückt die Feuerwehr in der Nacht zu 220 Unwetter-Einsätzen ausgerückt. Meist geht es um überflutete Straßen und vollgelaufene Keller. In Kevelaer steht die Innenstadt auch am nächsten Morgen noch unter Wasser.

Während in einigen Regionen die Welt untergeht, regnet es nur einige Kilometer entfernt kaum oder bleibt sogar trocken. "So eine Gewitterzelle hat in der Regel eine Breite von wenigen Kilometern, manchmal sogar nur 100 Meter", erklärt Cornelia Urban, Meteorologin beim DWD in Essen, am Tag nach dem Unwetter unserer Redaktion. Unter bestimmten Bedingungen "schüttet die Zelle ihr Wasser auf einmal aus und es kommt zu extrem starken Schauern - aber eben nur innerhalb eines relativ kleinen Gebiets."

 Einsatzkräfte der Feuerwehr arbeiten sich zu dem Hund im Neusser Hafenbecken vor.

Einsatzkräfte der Feuerwehr arbeiten sich zu dem Hund im Neusser Hafenbecken vor.

Foto: Feuerwehr Neuss

Für den heutigen Jahrestag des Unwetters sagt der Deutsche Wetterdienst (DWD) trockenes Wetter voraus. Eine Wetterwarnung gibt es nicht. Doch schon am Freitag wird das Wetter unbeständig, es kann vereinzelte Gewitter geben. Für Samstag rechnen die Meteorologen dann mit kräftigen Schauern und Gewittern mit Starkregen in der gesamten Region. "Unwetterartige Entwicklungen können vor allem wegen des Starkregens nicht ausgeschlossen werden", heißt es beim DWD.

(lsa)
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