Sprachforscher erklärt Kult-Begriffe aus dem Ruhrgebiet Nix zu knöttern

Köln · Kühmen, betuppen, frickeln, uselig und auf jück - wenn Ihnen das gar nichts sagt, sind Sie vermutlich kein Rheinländer. Das Herkunftswörterbuch "Wo kommt dat her?" hilft weiter und geht dem Ursprung von rund 1500 Wörtern nach.

 Sprachwissenschaftler Peter Honnen.

Sprachwissenschaftler Peter Honnen.

Foto: dpa/Silvia Reimann

Am Oschi ist selbst Peter Honnen verzweifelt. Das Wort bezeichnet im Ruhrgebiet ein dickes Ding, am Niederrhein heißt so auch ein Mixgetränk aus Asbach und Cola. Aber wo kommt der Begriff her?

Eine Ableitung aus dem Jüdisch-Deutschen schließt der Sprachwissenschaftler am Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) aus, auch es wenn eine phonetische Ähnlichkeit gibt. "Aber seine Herkunft ist rätselhaft, und es ist noch gar nicht so alt", sagt Honnen.

Der Oschi ist also eines der wenigen Wörter, deren Ursprung Peter Honnen in seinem Herkunftswörterbuch "Wo kommt dat her?" der Umgangssprache an Rhein und Ruhr nicht klären kann. Dafür hat der gebürtige Duisburger ganz andere Schätzchen enträtselt, rund 1500 Wörter von A wie Aas über B wie Blagen, Ö wie ömmelig, S wie Stuss bis Z wie Zutt.

Dortmund: die Sehenswürdigkeiten
13 Bilder

Dortmund - die unterschätzte Ruhrpott-Metropole

13 Bilder
Foto: dpa, pla

"Die empirische Basis für dieses Buch liegt nicht in Archiven, sondern bei sprechenden Menschen", betont Verleger Damian van Melis. Seit rund zehn Jahren gibt es beim LVR auch ein Online-Mitmach-Wörterbuch, für das Menschen umgangssprachliche Wörter und Redewendungen vorschlagen können.

Kabarettist und Moderator Stefan Verhasselt, geboren in Straelen, arbeitet für seine Programme auch mit seiner niederrheinischen Heimatsprache. "Es gibt so viele Wörter in diesem Buch, die ich aus meinem Elternhaus kenne", sagte er bei der Buchvorstellung in Köln. "Wo kommt dat her?" (Greven, 688 Seiten, 28 Euro) sei ein Buch der Diplomatie, das helfe, zwischen Neuen und Alteingesessenen Brücken zu bauen.

Verhasselt selbst erfreut sich sehr an einem Wort wie "Schummeln", das bundesweit zwar als Begriff fürs Betrügen bei einem Spiel oder einer Klassenarbeit bekannt ist. Am Niederrhein und in Westfalen hat es aber noch die ursprüngliche Bedeutung: Man kann zum Beispiel in Schränken und Schubladen rumschummeln, denn es heißt auch rumsuchen und ausspionieren. Und mit einem anderen seiner Lieblingswörter kann man sicherlich jeden Zuwanderer im Rheinland innerhalb kürzester Zeit enttarnen. Wenn der Rheinländer jückelt, würde ein Kosmopolit vermutlich cruisen - es bedeutet, ohne Zweck und Ziel unterwegs zu sein.

Peter Honnen stört es, dass die Umgangssprache ein solch schlechtes Image hat. Wenn zum Beispiel ein Comedian einen simplen Charakter darstellen wolle, bediene er sich oft umgangssprachlicher Begriffe. "Das heißt, er ist ungebildet und spricht kein richtiges Hochdeutsch. Dabei ist Umgangssprache höchst interessant, zum Teil sogar interessanter als Hochdeutsch."

Vor allen Dingen lässt sich anhand unserer Sprache die Geschichte des Landes ablesen. Es gibt Wörter römischen, keltischen, niederdeutschen und französischen Ursprungs. Manche sind rund 2000 oder sogar mehr als 2500 Jahre alt.

Wenn es im Rheinland zum Beispiel plästert (regnet), man deshalb den Söller (Dachboden) aufräumen kann und danach ein Käppchen (Tässchen) Kaffee trinkt, gehen alle umgangssprachlichen Begriffe auf die Römerzeit zurück. Und wer sich dann noch im useligen Wetter einen Pips geholt hat, der denkt sicherlich nicht daran, dass dessen Ursprung (pituita) im Lateinischen eine katharralische Entzündung der Nase bei Hühnern war. "Dieses Wort verwenden die Menschen hier in der Region seit 2000 Jahren, der Schnupfen ist erst 500 Jahre alt", sagt der Sprachforscher.

Und wenn jemand fragt "Was ist Ambach heute Abend?", will er wissen, was angesagt und los ist. Ambach geht laut Honnen auf das keltische "ambiaktos" für Bote, Diener zurück. Und Charakterloses und Ärmliches nennt der Rheinländer schäbbig (von altnordisch Skabb für Räude). Norddeutsche würden vielleicht auch schäbig sagen, aber nicht mit kurzem Vokal. Am Niederrhein heißt es schließlich auch "Omma" und nicht Oma.

Die Region an Rhein und Ruhr war immer vielen fremden und neuen Einflüssen ausgesetzt. So bereicherte der Handel mit den flämischen Städten nicht nur die Bürger, sondern auch deren Sprache. "Im HochNiederländischen gibt es eine Menge Wörter, die auch eine rheinische Entsprechung hat", sagt Honnen. Blötsch (Delle), knöttern (meckern), laff (fad), verbaseln (verlieren), stickum (heimlich) und nölen (jammern) sind nur einige Beispiele. Zudem gibt es Lehnwörter aus dem Niederländischen wie Bohei, Poller, Rabauke und Profitlich.

Auch das Jiddische hat die Sprache beeinflusst. So mauert ein Skatspieler, wenn er mit guten Karten nicht reizt. "Das hat aber nichts mit unserem Wort mauern zu tun, sondern geht aufs jiddische Mora, das Wort für Angst, zurück", sagt Honnen. Ebenso jüdischen Ursprungs sind Knast, Klamotten und für lau.

Lange hat sich der Duisburger, der schon die Bestseller "Kappes, Knies und Klüngel" sowie "Alles Kokolores" geschrieben hat, gewehrt, solch ein Herkunftswörterbuch der rheinischen Sprache zu veröffentlichen. Das sei schlicht zu mühselig, befand er. "Weil es keine Verschriftlichung gibt, fängt man schnell an zu schwimmen", betont Honnen. Er arbeitete sich durch rheinische und westfälische Wörterbücher. Wurde er da fündig, forschte er weiter in niederdeutschen Sammlungen, dann wiederum in Wörterbüchern des Niederländischen oder des Mittellateinischen.

Eine Sisyphos-Aufgabe. Oder wie der Rheinländer sagen würde: 'ne Fummelsarbeit.

(mso)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort