„Das Sommerhaus der Stars“ Am Morgen schon ein Bier – Diskussion um Alkoholkonsum im TV

Bocholt · Von Trash-TV-Formaten sind Zuschauer bereits einiges gewohnt, doch der enorme Alkoholkonsum im „Sommerhaus der Stars“ auf RTL schockt selbst einige Hartgesottene. Suchthelfer sehen einen verantwortungslosen Umgang.

 Kubilay Özdemir trank bereits am Morgen sein erstes Bier.

Kubilay Özdemir trank bereits am Morgen sein erstes Bier.

Foto: TVNow/RTL

Zum Frühstück erst einmal ein Bier und eine Zigarette – oder auch zwei oder drei. „Ein Bier am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen“, sagt Ex-DSDS-Sternchen Annemarie Eilfeld zu Unternehmer Kubi Özdemir. Der lächelt müde und findet den Spruch ganz passend, wie er sagt. Was nach versteckter Kamera im Ballermann-Urlaub aussieht, nennt sich auf RTL „Das Sommerhaus der Stars“. Und lässt einige Zuschauer fassungslos vor dem Fernseher zurück. „Ist es moralisch vertretbar, einem schwer kranken Alkoholikerpaar 24/7 den ‚Stoff’ frei zugänglich zu machen?“, fragt ein Nutzer auf Twitter.

Es ist schon die fünfte Staffel der RTL-Realityshow „Das Sommerhaus“ und obwohl man meinen mag, man habe bereits alles gesehen, wird man eines Besseren belehrt. Selbst Hartgesottene mussten am Mittwochabend mindestens heftig den Kopf schütteln, als die erste Folge ausgestrahlt wurde. In dem Format geht es um acht halbwegs Prominente, die jeweils mit ihrem Partner in ein spartanisches Bauernhaus ziehen. Dort müssen sie alle paar Tage Aufgaben lösen und sich gegenseitig aus dem Haus wählen. Das Paar, das nach 27 Tagen noch übrig ist, gewinnt 50.000 Euro. Auch in den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Streitigkeiten und Ausrastern zwischen den Bewohnern. Doch in diesem Jahr schockt die Zuschauer nicht nur die vulgäre Sprache der „Promis“, sondern vor allem deren Alkoholkonsum.

Sommerhaus der Stars 2023: Das sind die Kandidaten - Fotos
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Das sind die Kandidaten im „Sommerhaus der Stars“ 2023

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Dass Kubi Özdemir damit bereits ein Problem hat, wurde schon am ersten Tag klar. Seine Freundin, Ex-Bachelor-Kandidatin Georgina Fleur, verkündete gleich zu Beginn, ihr Liebster sei ja schon mal in der Betty-Ford-Klinik gewesen. Die ist bekannt dafür, dass Suchtkranke sich dort in Behandlung begeben.

Wie viel Alkohol den Bewohnern vom Sender zur Verfügung gestellt wird, wollte RTL auf Anfrage unserer Redaktion nicht konkret beantworten. „Sämtliche Lebensmittel sind im Haus zur Selbstversorgung vorhanden, darunter auch Tabak, Softdrinks oder alkoholische Getränke“, teilte ein Sprecher mit. „Jeder verpflegt sich, wie er/sie es im Alltag auch tut. Alle Bewohner sind volljährig, und wir setzen auf die Eigenverantwortung der Bewohner“, heißt es weiter.

Am zweiten Tag eskalierte die Situation bei „Goodbye Deutschland“-Auswanderer Andreas Robens. Der 54-Jährige hatte bereits am frühen Nachmittag fünf Wein intus, wie er selbst nicht müde wurde zu betonen. Dazu kamen dann noch ein paar Schnäpse und weitere Gläser Rotwein. Am Ende des Tages konnte er nicht mehr geradeaus laufen, geschweige denn auch nur einen klaren Satz sprechen. Das sprengte bei zahlreichen Zuschauern die Grenzen der Erträglichkeit. „Ernstgemeinte Frage, RTL. Hätte man diesen Andreas nicht auf der Stelle aus dem Spiel nehmen müssen?“, schreibt ein Nutzer auf Twitter.

RTL werde seiner gesellschaftlichen Verantwortung keinesfalls gerecht, sagt Jürgen Paschke, Bundesvorsitzender des Blauen Kreuzes in Deutschland. Die christliche Organisation gibt Selbsthilfe bei Suchtkrankheiten. Nach Tabak- sollte auch Alkoholwerbung aus der Öffentlichkeit verschwinden – auch aus Filmen und TV-Sendungen, wo sie eingebettet in eine Geschichte fast noch prägender wirkten als auf bunten Plakaten und Anzeigen. „RTL sollte mit gutem Beispiel vorangehen.“

Der unkritische Umgang mit Alkohol, so wie im „Sommerhaus“ dargestellt, sei verantwortungslos. Er vermittele den Eindruck, als sei alles „easy“ und als könne das Nervengift Alkohol ganz nach Lust und Laune konsumiert werden. „Das aber bleibt nie ohne Folgen“, sagt Paschke. Dass Menschen mit einem kritischen Trinkverhalten in der Sendung gezeigt werden, findet Paschke nicht ungewöhnlich, weil Menschen mit Alkoholproblemen für die meisten zu ihren Alltagsbegegnungen gehören. „Es sollte aber erkenn­bar werden, dass sie Respekt verdienen.“

Im „Sommerhaus der Stars“ kam Özdemir so auf Touren, dass er seinem Kontrahenten, dem Ex-Bachelor Andreij Mangold, während einer Diskussion ins Gesicht spuckte. „Wir sind davon überzeugt, dass auch jüngere Zuschauer selbstständig eine vernünftige Einordnung vornehmen können und das Verhalten der Kandidaten entsprechend bewerten“, teilte der RTL-Sprecher mit. Das Handeln einzelner Kandidaten werde nicht nur von der Gruppe selbst, sondern auch von den Zuschauern entlarvt.

Jürgen Paschke wünscht sich, dass andere einen Menschen mit Alkoholproblemen ernst nehmen und ihr Problem offen anspre­chen. „Das wäre hilfreich und könnte die Filmzuschauer positiv anstecken, sich reif und verantwor­tungsbewusst zu verhalten.“ Denn wer Suchtprobleme habe, brauche Zuwendung, echte Anteilnahme und couragiertes Ansprechen des Problems und der möglichen Hilfe. Zumindest im „Sommerhaus der Stars“ reagieren die Mitbewohner Diana Herold und Martin Bolze auch empathisch auf den Konsum im Haus. Sie sprechen Kubi Özdemir darauf an, wollten ihn unterstützen und ihn davon abhalten, mehr zu trinken. Bolze versuchte gleich, den Unternehmer in Hypnose zu bekehren. Vergeblich. Das nächste Bier folgte wenig später.

Doch nicht nur das Verhalten der Kandidaten wird offenbar von den Zuschauern bewertet: „Ich liebe selbst den größten Trash. Aber was da heute im ‚Sommerhaus der Stars’ abgeht, ist komplett krank. Ich verstehe null, dass das gesendet wird bzw. in der Mediathek zur Verfügung steht. Offensichtlich schwer abhängige Menschen zu zeigen, die gewalttätig werden“, schreibt eine Twitter-Nutzerin. „Krankheiten wie mögliche Alkoholsucht in einem Unterhaltungs-Format bewusst nicht auszusparen, sondern abzubilden, kann und soll durchaus kontrovers diskutiert werden. Das ist uns bewusst“, sagte der RTL-Sprecher. Umso wichtiger sei es für den Sender gewesen, das Thema direkt im Anschluss in „Stern TV“ mit Betroffenen und Experten auch journalistisch aufzuarbeiten.

Aber auch bei anderen TV-Formaten wie „ „Promi Big Brother“ oder „Bachelor“ wird tagsüber schon getrunken, die Champagnerflaschen liegen auf Eis. Das Kalkül ist klar: Alkohol enthemmt, löst die Zunge – und bringt im Zweifel Sendematerial.

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