Erste Hilfe richtig gemacht „Der einzige Fehler ist, nichts zu tun“

Düsseldorf · Gerade einmal jeder zweite Ersthelfer führt in einem Notfall Wiederbelebungsmaßnahmen durch. Notfallmediziner und auch das Land NRW wollen das ändern – unter anderem an den Schulen.

Bei der Wiederbelebung (Situation nachgestellt) muss das Brustbein des Patienten rund 100 Mal pro Minute fünf bis sechs Zentimeter eingedrückt werden. Als Schutz vor Corona sollten Mund und Nase des Patienten bedeckt werden.

Bei der Wiederbelebung (Situation nachgestellt) muss das Brustbein des Patienten rund 100 Mal pro Minute fünf bis sechs Zentimeter eingedrückt werden. Als Schutz vor Corona sollten Mund und Nase des Patienten bedeckt werden.

Foto: DGAI

Wenn ein Mensch zusammenbricht, fühlen sich Umstehende oft hilflos. Nur etwa jeder zweite Ersthelfer führt hierzulande eine Herzdruckmassage aus, teils aus Sorge, etwas verkehrt zu machen, teils in der Hoffnung, dass andere handeln oder professionelle Hilfe bereits auf dem Weg ist. „Der einzige Fehler ist es aber, nichts zu tun“, sagt Professor Jan-Thorsten Gräsner, Leiter des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin in Kiel. „Wenn man nicht handelt, wird der Patient nicht überleben. Als Helfer kann man die Lage also nur verbessern.“ Um viele Menschen für das Thema zu sensibilisieren, hat auch in diesem Jahr wieder bundesweit die „Woche der Wiederbelebung“ stattgefunden.

Gräsner spricht bei der Qualität der Maßnahmen von Bronze, Silber und Gold. Bronze heißt Herzdruckmassage, also drücken, Silber bedeutet drücken und beatmen im Wechsel, Gold meint drücken, beatmen und defibrillieren. Auch letzteres würden Laienhelfer überall hinbekommen. In Skandinavien und in den Niederlanden beispielsweise aber deutlich häufiger als in Deutschland: Während hierzulande nur in gut 50 Prozent der Notfälle Ersthelfer eingreifen (2020 waren es sogar nur etwa 40 Prozent), liegt die Quote in den Niederlanden oder Norwegen laut Gräsner bei knapp 80 Prozent.

Nordrhein-Westfalen setzt sich anlässlich des Internationalen Tags der Wiederbelebung am 16. Oktober für die Laienreanimation ein. Nach dem Willen von Schulministerin Dorothee Feller sollen in Zukunft alle Kinder und Jugendlichen in NRW die entsprechenden Maßnahmen mindestens einmal in ihrer Schullaufbahn einüben, teilt das Land mit. Wie die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) mitteilt, wurden mit einer Investitionssumme von einer Million Euro von 2018 bis heute mehr als 11.000 Reanimationspuppen an über 750 weiterführende Schulen in Nordrhein-Westfalen verteilt.

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Wie verhält man sich richtig, wenn ein Mensch kollabiert?

Der Berufsverband Deutscher Anästhesisten und die DGAI empfehlen als Richtschnur die Stichworte „prüfen, rufen, drücken“. Erst einmal sollte man prüfen, ob der Patient ansprechbar ist. Reagiert derjenige nicht, muss sofort der Rettungsdienst über die Nummer 112 informiert werden. Danach beginnt der Ersthelfer mit einer Herzdruckmassage: Er kniet neben dem Bewusstlosen, verschränkt die Hände auf dem Brustkorb und drückt das Brustbein mit dem Gewicht des eigenen Oberkörpers 100 bis 120 Mal pro Minute etwa fünf bis sechs Zentimeter ein. Gräsner: „Wenn langsamer gedrückt wird, reicht der Blutfluss nicht aus, bei einer höheren Frequenz wird keine gute Füllung des Herzens erreicht, um das Blut auszuwerfen.“

Wieviele Minuten es durchschnittlich dauert, bis die mangelnde Sauerstoffversorgung für eine Menschen kritisch wird, lässt sich laut Gräsner nicht genau sagen. Das hänge von vielen Faktoren ab, etwa den Vorerkrankungen oder dem, was derjenige vor seinem Kreislaufzusammenbruch getan habe. Auf jeden Fall dauere es aber zu lange, darauf zu warten, bis der Rettungsdienst vor Ort ist – vor allem in ländlichen Regionen. Wenn ein Defibrillator greifbar ist, sollte auch der benutzt werden, sagt Gräsner. „Wer ein iPhone bedienen kann, bekommt auch das hin.“ Dabei dürfe aber keinesfalls die Herzmassage vergessen werden, sie sie das Wichtigste, das Fundament jeder Wiederbelebung. „Wenn ich das Drücken weglasse, nutzt der Rest auch nichts.“

Um im richtigen Tempo zu drücken, empfehlen die Ärzte, sich einen Song mit einem entsprechenden Rhythmus ins Gedächtnis zu rufen, zum Beispiel „Stayin’ Alive“ oder „Atemlos durch die Nacht“. „Im Internet gibt es reihenweise Charts mit Songs, die Leben retten“, sagt Gräsner. Als nächster Schritt kommt die Beatmung. Ab einem gewissen Punkt wird laut dem Arzt nur noch sauerstoffarmes Blut verteilt; Kinder würden über eine Herzmassage allein ohnehin nur selten gerettet, weil bei ihnen meistens ein Atemstillstand vorliege. Das Beatmen sollte im Rhythmus 30 mal drücken, zweimal beatmen erfolgen, bis der Rettungsdienst vor Ort ist. „Die Profis holen aber selbst bei bester Therapie das, was bis dahin versäumt wurde, nicht mehr auf“, sagt Gräsner. Heißt ganz simpel in solchen Fällen: Ersthelfer können Leben retten.

Anmerkung der Redaktion: Diesen Artikel haben wir bereits 2020 veröffentlicht. Da größere Teile im Grundsatz weiterhin aktuell sind, haben wir ihn leicht überarbeitet und bieten ihn erneut zum Lesen an.

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