Kampf gegen Clankriminalität „Siko Ruhr“ hilft bei Vernetzung in NRW

Essen/Düsseldorf · Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich die Bekämpfung von Clankriminalität auf ihre Fahnen geschrieben. Seit über einem Jahr hilft im Ruhrgebiet eine neue Dienststelle den Behörden bei der Zusammenarbeit über Stadtgrenzen hinweg.

 Polizeibeamte tragen während einer Razzia gegen Clankriminalität einen Koffer und Kartons aus einem Wohnhaus in Wuppertal. Gut ein Jahr nach dem Start der Siko Ruhr hat die NRW-Landesregierung eine positive Bilanz gezogen.

Polizeibeamte tragen während einer Razzia gegen Clankriminalität einen Koffer und Kartons aus einem Wohnhaus in Wuppertal. Gut ein Jahr nach dem Start der Siko Ruhr hat die NRW-Landesregierung eine positive Bilanz gezogen.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Gut ein Jahr nach dem Start der „Sicherheitskooperation Ruhr“ (Siko Ruhr) zur Bekämpfung von Clankriminalität hat die Landesregierung eine positive Bilanz gezogen. „Wir vernetzen uns, um auf die ebenfalls vernetzten Clans entsprechend zu reagieren“, erklärte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Dass wir hier noch enger und jenseits von Lokal-, Behörden- und Referatsgrenzen zusammenarbeiten, ist der Siko Ruhr zu verdanken. Nur zusammen gewinnen wir gegen die Clans.“ Unter Clankriminalität versteht das Ministerium nach eigenen Angaben „von Angehörigen türkisch-arabischstämmiger Großfamilien ausgehende Kriminalität“.

Die Siko Ruhr soll die Zusammenarbeit aller Behörden verbessern, die im Ballungsraum Ruhrgebiet mit Clankriminalität zu tun haben. Der Sitz der Dienststelle ist in Essen, das als eine Hochburg von Clankriminalität gilt. Vertreter unter anderem von Landespolizei, Bundespolizei, Zoll sowie der Städte Essen, Dortmund und Duisburg sitzen dort in einem Großraumbüro zusammen. Die Siko hat ihre Tätigkeit im April 2020 aufgenommen. Der Kooperation sind mittlerweile zwölf weitere Kommunen sowie die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW beigetreten.

„Es geht im Kern um den Informationsaustausch, um vernetzten Kriminalitätsstrukturen entgegen zu wirken“, erklärt Siko-Leiter Joachim Eschemann. Clanmitglieder tauschten sich sehr intensiv etwa darüber aus, dass man möglicherweise in der einen Stadt leichter einen Aufenthaltstitel bekomme als in einer anderen. „Dann wird der Wohnsitz entsprechend gewählt - und sei es nur auf dem Papier.“ Die Clans tauschten sich auch über polizeiliche und andere behördliche Maßnahmen aus. „Dem müssen wir einen eigenen Informationsaustausch entgegensetzen.“

Eschemann schildert als Beispiel für die Siko-Tätigkeit den Fall eines Mannes, der seit über 20 Jahren in Deutschland lebt. Seiner Kommune sei in sozialen Netzwerken aufgefallen, dass dieser Mann ein erhebliches Einkommen habe. „Das ist an uns herangetragen worden. Wir haben uns diese Struktur angeschaut, so kamen dann andere Partner dazu: die nächste Behörde, die nächste Kommune.“

Es sei ein Bild einer familiären Struktur entstanden, in der zum Teil Ehepartner in unterschiedlichen Städten wohnten, „aber durchaus die Ehe leben“. In dem Fall des Mannes habe sich herausgestellt, dass dessen Frau in einer anderen Kommune für sich und ihre Kinder Sozialleistungen beantragt hatte, ohne das Einkommen des Vaters anzugeben. Bei seiner Kommune habe der Mann sein Einkommen aber für einen Aufenthaltstitel angegeben. „Ein Informationsaustausch hat nicht stattgefunden.“

In der weiteren Untersuchung wurden auch Immobilienkäufe bekannt. Aus der Gesamtschau habe sich dann ein Ermittlungsverfahren ergeben, das nun bei der Steuerfahndung liege. „In dieser Form haben wir schon einige Analysen durchgeführt, die in aller Regel in Ermittlungsverfahren gemündet sind, entweder steuerstrafrechtliche oder rein staatsanwaltschaftlich-polizeiliche Verfahren.“

In der Vergangenheit seien die Möglichkeiten, Daten zwischen den Behörden auszutauschen, häufig nicht ausgeschöpft worden, stellt Eschemann fest. „Dies geschah etwa aus Unsicherheit oder aus Sorge, gegen den Datenschutz zu verstoßen.“ Zudem gebe es kaum behördenübergreifende Datenbestände. Die Siko helfe jetzt dabei, „was rechtlich zulässig ist, auch auszutauschen“.

Auch themenbezogen wird gearbeitet. So hat die Siko bereits mehrere Arbeitskreise etwa zu den Themen Shisha, Rotlicht oder illegales Glücksspiel ins Leben gerufen, in der sich Experten über ihre Vorgehensweisen austauschen. „Die Themen sind sehr, sehr praxisorientiert. Es ist deutlich geworden, wie groß das Interesse der Praktiker ist an diesem Austausch über den eigenen Bezirk hinaus.“

Neben Vernetzung und Fallbetrachtung gehört auch allgemeine Fachinformation zu den Aufgaben der Siko. Auf einer Plattform namens „Siko Ruhr Portal“ können sich Fachleute aller beteiligten Behörden etwa über Gerichtsurteile oder Fallbeispiele informieren. Infos gibt es auch zu Fachgebieten wie „Glückspiel“, „Rotlicht“, „Shisha“ oder „Aufenthaltsrecht“. Über 500 Akteure haben mittlerweile Zugriff auf die Plattform.

Neben Kriminalitätsbekämpfung spielt Prävention für die Siko eine wichtige Rolle: „Unser Ziel ist es, alle präventiven Maßnahmen unter dem Dach der Siko Ruhr zu bündeln“, so Eschemann. So habe etwa der Koordinator des Landes-Präventionsprogramms 360 Grad einen Arbeitsplatz im Siko-Großraum. Geplant sei außerdem, neue Strategien in der kommunalen Präventionsarbeit zu entwickeln.

Die Siko Ruhr ist bei alledem auch selbst vernetzt. Kontakte gebe es etwa nach Berlin-Neukölln, Niedersachsen und auch Schweden, berichtet Eschemann. „Die Probleme sind vergleichbar.“

(siev/dpa)
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