Haftbefehl erlassen Frau sticht in Siegen auf Busfahrgäste ein – ein Opfer außer Lebensgefahr
Update | Siegen · Wieder ein Messerangriff bei einem Stadtfest in Nordrhein-Westfalen. Diesmal offenbar ohne terroristischen Hintergrund, aber wieder gibt es Schwerverletzte. Der Innenminister informiert sich vor Ort.
Nach dem Messerangriff in einem Bus in Siegen ist die Tatverdächtige in Untersuchungshaft genommen worden. Wie die Staatsanwaltschaft Siegen und die Polizei Dortmund am Samstagabend mitteilten, wurde Haftbefehl gegen die 32-jährige deutsche Staatsbürgerin wegen eines versuchten Tötungsdelikts erlassen.
Eines der schwer verletzten Opfer ist inzwischen außer Lebensgefahr. Der 23-Jährige müsse jedoch noch weiter im Krankenhaus behandelt werden, teilten Staatsanwaltschaft Siegen und die Polizei Dortmund gemeinsam mit. Der Zustand der beiden anderen Männer im Alter von 19 und 21 Jahren, die bei dem Angriff schwer verletzt wurden, sei noch immer lebensbedrohlich, hieß es weiter.
Die Polizei hat angesichts falscher Anschuldigungen zur Mäßigung aufgerufen. „Wir möchten an dieser Stelle ganz deutlich klarstellen: Bei der 32-jährigen Tatverdächtigen handelt es sich um eine Frau mit deutscher Staatsangehörigkeit und ohne Migrationshintergrund“, schrieb die nordrhein-westfälische Polizei am Samstag im Internetdienst X. „Bitte unterlassen Sie die Spekulationen und Anfeindungen in jegliche Richtung!“
Der Bus einer Sonderlinie sollte am Freitag mehr als 40 Passagiere zu einem Stadtfest bringen, als eine Frau plötzlich mit einem Messer auf Menschen einstach. Mindestens sechs wurden verletzt - drei von ihnen lebensgefährlich. „Diese Tat hat bei uns allen absolute Fassungslosigkeit ausgelöst“, sagte der Siegener Bürgermeister Steffen Mues laut einer Mitteilung.
Das Stadtfest soll trotzdem am Samstag weitergehen. Die Veranstalter stützen sich bei ihrer Entscheidung nach Angaben der Stadt auf die „polizeilichen Erkenntnisse der Lage“. Laut Polizei besteht aktuell keine weitere Gefahr.
Drei Verletzte bereits nicht mehr im Krankenhaus
Von den sechs Verletzten seien bereits in der Nacht noch zwei aus dem Krankenhaus entlassen worden. Eine Frau habe sich zudem selbst entlassen, sagte ein Polizei-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Zum genauen Zustand der Verletzten wollte sich der Sprecher zunächst nicht äußern. Sie sollen nach Polizeiangaben zwischen 16 und 30 Jahren alt gewesen sein und alle aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein stammen.
In einer Halle wurden in der Nacht laut Polizei 36 Fahrgäste betreut. Sowohl Notfallseelsorger als auch Feuerwehr und Polizei seien vor Ort. Die Menschen, die zum Zeitpunkt des Angriffes in dem Bus waren, würden vernommen. Es seien zudem Angehörige in der Halle. Nach Angaben der Polizei waren über 40 Erwachsene in dem Bus, dazu zwei oder drei Kinder, die von der Mutter abgeholt worden seien.
Reul in Siegen
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) besuchte am Samstag die Stadt. Wie die dpa erfuhr, wird Reul zunächst an einem ohnehin geplanten Gottesdienst zum Stadtjubiläum teilnehmen und danach mit der Polizei sprechen. Die „Siegener Zeitung“ hatte zuvor berichtet.
Reul feiert am Samstag seinen 72. Geburtstag und hatte eigentlich keine Termine. Er machte sich am Morgen auf den Weg nach Siegen. Vor Ort sagte er, dass er prüfe, ob allgemeine Taschenkontrollen zukünftig auf Festen möglich seien. Mehr dazu lesen Sie hier.
Fahrgäste und Busfahrer reagieren schnell
Nach einem Bericht der „Siegener Zeitung“ sollen es drei Frauen mit Migrationshintergrund gewesen sein, die nach dem Angriff im Bus die mutmaßliche Täterin überwältigten. Ein Sprecher der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd sagte der „Siegener Zeitung“, der Fahrer habe geistesgegenwärtig reagiert, den Bus sofort nach dem ersten Tumult im Fahrzeug zum Stehen gebracht und alle Türen geöffnet. Das hätte den Fahrgästen eine schnelle Flucht aus dem Bus ermöglicht.
„Es gibt unheimlich viele aufmerksame, kluge Bürgerinnen und Bürger. Diese Gesellschaft ist viel stärker, als wir glauben. Die Polizei allein wird es nicht richten“, sagte Innenminister Reul. Verantwortung zu übernehmen, wie es die Menschen im Bus getan hätten, sei genau wie die Gemeinsamkeit und Zusammenhalt ein „Schlüssel für vieles“.
Stadtfest soll weiter stattfinden
Trotz des Angriffes wollte die Stadt Siegen ihr Stadtfest nicht absagen. Es werde am Samstag um 11.00 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst auf dem Schlossplatz weitergehen, hieß es in einer Mitteilung in der Nacht.
Bürgermeister Mues hatte nach dem Vorfall in Siegen vor Ort mit Augenzeugen gesprochen und den Ersthelfern, Einsatzkräften und Notfallseelsorgern gedankt, hieß es weiter.
Auch die Bundestagsabgeordnete für Siegen-Wittgenstein, Laura Kraft, wünschte den Verletzten auf der Plattform X eine „schnelle Genesung und den Angehörigen sowie Betroffenen ganz viel Kraft in diesen Stunden.“ Dieser Vorfall werfe einen „Schatten auf die Feierlichkeiten“ in Siegen.
Hintergründe der Tat unklar
„Wir sichern Spuren am Tatort und befragen Zeugen“, sagte ein Sprecher der Polizei in der Nacht zum Samstag. Die Hintergründe der Tat und der genaue Ablauf waren zunächst unklar. Die 32-Jährige sei jedoch polizeibekannt. Nach dpa-Informationen gibt es Hinweise auf eine psychische Erkrankung der Frau. Der Polizei lagen zunächst „keine Hinweise auf ein politisches oder religiöses Tatmotiv vor.“ Die Polizei Dortmund hat die Ermittlungen übernommen. Die Behörde bittet Bürgerinnen und Bürger darum, in den sozialen Netzwerken keine Mutmaßungen über das Motiv zu posten.
Wüst: Schnelle Ermittlungen
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat schnelle Aufklärung gefordert. „Es ist wichtig, dass die Hintergründe, die zu dem Angriff führten, jetzt schnell ermittelt werden“, sagte Wüst in einem Statement.
„Junge Menschen, in ausgelassener Stimmung, auf dem Weg zu einem Fest, werden ganz unvermittelt zu Opfern. Die Vorstellung, einem solchen Angriff in einem Bus ausgesetzt zu sein, lässt erschaudern“, sagte der Ministerpräsident. Er danke den Einsatzkräften und wünsche allen Verletzten schnelle und vollständige Genesung. „Ein besonderer Dank gilt dem Busfahrer sowie den mutigen Fahrgästen, die durch ihr Handeln wohl Schlimmeres verhindert haben“, so Wüst.
Erinnerungen an Anschlag von Solingen
Die Tat weckt Erinnerungen an den Anschlag von Solingen am Freitag vor einer Woche. Am Freitagabend hatte ein Mann auf einem Jubiläumsfest zum 650. Gründungstag der Stadt Solingen offenbar willkürlich auf Umstehende eingestochen. Anschließend entkam er im Tumult und in der anfänglichen Panik. Zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56 Jahre alte Frau starben. Acht Menschen seien verletzt worden, vier davon schwer. Der mutmaßliche Täter sitzt in Untersuchungshaft.
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