Missbrauch auf Campingplatz in Lügde 16-Jähriger soll Kinderpornos besessen haben

Lügde · Im Fall des massenhaften Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz bei Detmold gibt es einen weiteren Tatverdächtigen. Ein 16-Jähriger soll kinderpornografisches Material besessen haben, das auf dem Campingplatz entstanden sei.

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Campingplatz in Lügde Tatort in Fällen von Kindesmissbrauch

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Foto: dpa/Guido Kirchner

Im Fall des jahrelangen Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz in Lügde gibt es weitere Verdachtsfälle und Ermittlungen. Die Zahl der Beschuldigten, gegen die die Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit dem Missbrauch ermittle, sei von sechs auf sieben gestiegen, berichtete Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag in einer Sondersitzung des Düsseldorfer Landtags. Dabei handle es sich um einen 16-Jährigen, der kinderpornografisches Material besessen haben soll.

Auch ältere Verdachtsfälle von Sexualstraftaten auf dem Campingplatz an der Grenze von Nordrhein-Westfalen zu Niedersachsen würden neu aufgerollt, sagte Reul. „Es sieht aus, dass es noch schlimmer ist, als ich befürchtet habe.“

Eine der schockierendsten Erkenntnisse sei, dass der heute 56-jährige arbeitslose Hauptverdächtige schon vor 17 Jahren verdächtigt geworden sei, eine Achtjährige missbraucht zu haben, berichtete der Minister. „Im Moment sieht es nicht so aus, dass ein Verfahren eingeleitet wurde. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Opposition, Hartmut Ganzke, stellte fest, dass der Beschuldigte die späteren Taten nicht hätte begehen können, wenn aufgeklärt worden wäre.

Der von Reul eingesetzte Sonderermittler, Kriminaldirektor Ingo Wünsch, skizzierte eine beispiellose Kette des Versagens in der Kreispolizeibehörde Lippe. „Im Ergebnis gab es schwere handwerkliche Fehler, die sich potenziert haben“, bilanzierte er. „Verantwortliche Führung ist nicht erkennbar.“

So sei der eigentlich zu sichernde Asservatenraum meistens offen geblieben. Mit der Sichtung von 155 Datenträgern vom Campingplatz sei ein Polizeianwärter beauftragt worden, der alles in fünf Stunden gesichtet haben will. Dies sei unmöglich.

Wer den Studenten beauftragt habe, sei nicht zu klären. Die Durchsuchungsberichte der Polizeibehörde seien „oberflächlich“, die Dokumentation schlecht gewesen. Das Polizeipräsidium Bielefeld, das den Fall übertragen bekommen hat, habe bei einer erneuten Tatortbesichtigung in der vergangenen Woche weiteres Beweismaterial im Wohnwagen des Hauptverdächtigen gesichtet, darunter 131 CDs.

Bei dem neuen Verdachtsfall handelt es sich nach Angaben des Detmolder Oberstaatsanwalts Ralf Vetter um einen 16-Jährigen aus der Region, der kinderpornografisches Material besaß, das auf dem Campingplatz entstanden sein soll. Der Jugendliche sei am Montag vernommen worden, befinde sich aber wieder auf freiem Fuß. Die Ermittler seien durch die Auswertung sichergestellter Daten auf ihn gestoßen.

Reul berichtete darüber hinaus über einen weiteren Missbrauchsverdacht. Demnach soll ein Dauercamper im vergangenen Frühjahr eine 15-Jährige auf dem Gelände in Lügde vergewaltigt haben. Derzeit werde geprüft, ob dieser Fall zum Tatkomplex gehöre.

Inzwischen seien allein 60 Ermittler mit der Aufarbeitung von über 1000 Missbrauchsfällen beschäftigt. Zudem werde unter anderem wegen Strafvereitelung im Amt und wegen Verletzung der Fürsorgepflicht gegen 14 Beschuldigte bei Behörden ermittelt. Darunter seien zwei Polizisten und acht Jugendamtsmitarbeiter.

Künftig will Reul den Kampf gegen Kindesmissbrauch mit einer neuen Stabsstelle in seinem Ministerium professionalisieren. An der Spitze soll ein erfahrener Kriminalbeamter stehen. „Die Schwächsten brauchen die stärksten Beschützer, und das muss die Polizei sein“, sagte der Minister.

Die Grünen-Abgeordnete Verena Schäffer warf Reul vor, den Landtag nicht früh genug über den Vergewaltigungsfall in Lügde informiert zu haben. Zudem zweifelte sie an, dass der Minister tatsächlich erst kürzlich über die Dimension des Missbrauchs informiert werden sei, da er schon früh von Behördenversagen gesprochen habe.

(mba/dpa)
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