NRW Schwimm-Erlass sorgt für Probleme

Düsseldorf · Lehrer müssen künftig alle vier Jahre beweisen, dass sie rettungsfähig sind. Das verlangt das Ministerium. Der Unmut an den Schulen ist groß, denn die neue Regelung könnte auch Klassenfahrten erschweren.

 Schwimmveranstaltungen sind für Schulen in Nordrhein-Westfalen immer schwerer zu organisieren.

Schwimmveranstaltungen sind für Schulen in Nordrhein-Westfalen immer schwerer zu organisieren.

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Schwimmveranstaltungen werden für Schulen in Nordrhein-Westfalen immer mehr zum organisatorischen Alptraum. Schon heute dürfen Lehrkräfte ohne den Nachweis der Rettungsfähigkeit weder den Schwimmunterricht leiten noch Schulfahrten oder AGs betreuen, die mit Wasser zu tun haben. Nun muss dieser Nachweis aber alle vier Jahre aufgefrischt werden. Das regelt ein ministerieller Erlass zur Sicherheit im Schulsport. Er legt Qualifikationen fest, die Lehrkräfte im Sportunterricht besitzen müssen. Das soll auch vor Haftungsansprüchen bei Unfällen schützen.

"Mit dem neuen Erlass soll die Rettungsfähigkeit gerichtsverwertbar nachgewiesen werden, falls tatsächlich einmal etwas passiert", sagt ein Sprecher der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Früher habe ein einmaliger Nachweis gereicht. Das Schulministerium bezeichnet die neue Regelung als "selbstverständliche Absicherung für die Lehrkräfte".

Seit Jahren wächst in NRW die Zahl der Kinder, die nicht gelernt haben zu schwimmen. Nach Angaben der letzten Befragung der DLRG können fast 45 Prozent aller Kinder nach der Grundschule gar nicht oder nicht richtig schwimmen. Viele Schulen seien mit dem Unterricht überfordert. Der Lehrplan in NRW sieht vor, dass die Kinder in der Grundschule ein Jahr lang mindestens eine Stunde pro Woche Schwimmunterricht haben müssen. Oft findet er in der dritten Klasse statt. "Das ist viel zu spät. Kinder müssen spätestens mit Ende des zweiten Schuljahres schwimmen gelernt haben", fordert Sebastian Krebs.

Der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft befürchtet, dass durch den Erlass der Fortbildungsetat vieler Schulen belastet wird. "Die sechsstündige Kursgebühr beträgt 60 Euro pro Person. Es kann nicht sein, dass nur die Schulen dafür aufkommen müssen. Da ist auch die Landesregierung gefragt."

Bei der DLRG glaubt man zudem, dass sich gegen Ende der Frist - bis zum 31. Januar 2016 ist Zeit, die Auffrischung nachzuholen - ein Ausbildungsstau einstellen könnte, da die Informationen nur schleppend zu den Schulen durchdringen.

"Eingriff in das Schulprogramm"

Schuldirektor Horst Obdenbusch spricht schon jetzt von einem "Eingriff in das Schulprogramm". Der Leiter des Krefelder Gymnasiums Fabritianum fürchtet, dass außerschulische Schwimmveranstaltungen künftig seltener oder gar nicht mehr stattfinden.

Denn der Nachweis der Rettungsfähigkeit gilt auch bei Klassen- und Wanderfahrten. Ab einer Wassertiefe von 1,20 Metern ist ein Schwimmabzeichen in Bronze vorgeschrieben. Dafür muss die Lehrkraft eine Distanz von 200 Metern in sieben Minuten schwimmen, Kenntnisse der Baderegeln besitzen, einen Fünf-Kilogramm-Ring aus tiefem Wasser herausholen, zehn Meter tauchen und zwei Befreiungsgriffe anwenden. "Das kann man aber nicht jedem fachfremden Kollegen abverlangen", sagt Obdenbusch. Bei Tagesausflügen - etwa Paddelfahrten auf der Niers - will er deshalb künftig externe Begleitpersonen bezahlen, die einen Ruder- und DLRG-Schein besitzen. "Dann sind wir auf der sicheren Seite."

Gunter Fischer, Schulleiter am Clara-Schumann-Gymnasium in Viersen-Dülken, hält die neuen Anforderungen zwar für sinnvoll. Trotzdem sei die Verwaltungskontrolle mittlerweile enorm. "Lehrer und Schulleiter werden mit immensen Aufgaben beladen. Das führt dazu, dass der Beruf immer unattraktiver wird."

Regine Schwarzhoff, Landesvorsitzende des Elternvereins, nimmt auch die Eltern in die Verantwortung: "Heutzutage wird den Schulen immer mehr aufgebürdet. Kindern das Schwimmen beizubringen, ist in erster Linie Aufgabe der Eltern."

(RP)
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