Bezirksregierungen ziehen Bilanz 8794 Verfahren gegen Schulverweigerer in NRW

Düsseldorf · In NRW gab es 2019 ein Fünftel mehr Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen die Schulpflicht als 2016. Grund für das Fehlen sei häufig Angst, sagen Experten. Eltern fordern bessere Kommunikation.

 Ein Kind mit Schulrucksack an einer Straßenlaterne (Symbolbild).

Ein Kind mit Schulrucksack an einer Straßenlaterne (Symbolbild).

Foto: dpa/Arno Burgi

In Nordrhein-Westfalen bleiben immer mehr Schüler regelmäßig dem Unterricht fern. Die fünf Bezirksregierungen des Landes, die für die Schulaufsicht zuständig sind, strengten im vergangenen Jahr 8794 Bußgeldverfahren gegen Schulverweigerer an weiterführenden Schulen an, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergeben hat. Vor vier Jahren waren es noch rund 1500 Verfahren weniger gewesen. „Wir leiten die Maßnahmen erst ein, wenn eine Schule mit dem betroffenen Schüler nicht mehr anders weiterweiß“, sagte ein Sprecher der Bezirksregierung Köln.

Die meisten Schulverweigerer gab es im Regierungsbezirk Arnsberg. 2971 Bußgeldverfahren leitete die Behörde ein, in deren Zuständigkeit das Sauerland und Teile des Ruhrgebiets fallen. Es folgt die Bezirksregierung Düsseldorf, die vom Bergischen Land bis zum Niederrhein die Aufsicht führt, mit 2900 Fällen. Im Regierungsbezirk Münster waren es 1106 Verfahren, in Köln 935, in Detmold 882. Die vergleichsweise kleine Zahl für Köln hänge mit einer „internen Systemumstellung“ zusammen, sagte ein Sprecher der dortigen Bezirksregierung. Man gehe davon aus, dass für 2019 noch bis zu 200 Verfahren hinzukämen.

In NRW werden die Eltern im Vergleich zu anderen Bundesländern eher moderat zur Kasse gebeten. Pro Fehltag des Kindes können zwischen 80 und 150 Euro fällig werden. In Sachsen sind es bis zu 1250 Euro, in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt 1000 Euro und in Rheinland-Pfalz 500 Euro.

Die Behörden unterscheiden zwischen Schulverweigerern und Schulschwänzern, die nur gelegentlich Schulstunden ausfallen lassen. „Deren Zahl und Fehlstunden wären gar nicht zu bemessen“, hieß es vonseiten der Bezirksregierungen. Bei Schulverweigerern liegt das Problem nach Ansicht von Experten tiefer. Eine aktuelle Studie der Krankenkasse DAK kommt etwa zu dem Ergebnis, dass 3,5 Prozent der elf Millionen Schulkinder in Deutschland von Ängsten betroffen sind, etwa wegen Sorge vor schlechten Noten oder Stress mit Gleichaltrigen – Stichwort: Mobbing.

Die Vorsitzende des Elternvereins NRW, Andrea Heck, wünscht sich eine bessere Kommunikation zwischen betroffenen Eltern und den Schulen. „Es ist für Eltern oft sehr schwer, den Klassenlehrer schnell und direkt zu erreichen, um über die Probleme mit dem Kind zu sprechen“, sagte sie. „Häufig landet man bei den Anrufen erst im Sekretariat der Schulen. Und dort weiß man auch nicht immer, wie und ob der jeweilige Klassenlehrer jetzt zu sprechen ist. Vieles verläuft dann im Sande“, kritisierte Heck und forderte: „Eltern müssen feste und verlässliche Nummern und Kontakte haben, an die sie sich ohne großen Aufwand wenden können.“

In die Verweigerer-Statistik sind auch einzelne Fälle von Schülern eingegangen, die kurz vor den Ferien gefehlt haben, damit die Familie günstiger in den Urlaub fliegen kann. Nach Angaben der Bundespolizei stimmt es allerdings nicht, dass Beamte an den letzten Schultagen an den Flughäfen gezielt Ausschau nach abgängigen Schülern hielten. „Dafür haben wir keine Zeit. Wir haben wichtigere Aufgaben, als nach Kindern und Jugendlichen zu gucken, die einen Tag früher aus der Schule genommen worden sind“, sagte der Vizechef der Bundespolizeigewerkschaft, Ernst Walter.

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