Vorerst kein Kulturerbe Warum die Schützen bei der Unesco durchgefallen sind

Düsseldorf · Die Unesco hat den Antrag der Europäischen Gemeinschaft Historischer Schützen (EGS), als immaterielles Kulturerbe anerkannt zu werden, zurückgestellt. Grund ist wohl die Debatte um einen muslimischen Schützenkönig.

 Der Schützenkönig Mithat Gedik und seine Frau Melanie beim Schützenfest in Werl-Sönnern im Juli. Gedik ist Muslim, die Schützenbruderschaften aber sind christlich. Das hatte zu einer Debatte geführt.

Der Schützenkönig Mithat Gedik und seine Frau Melanie beim Schützenfest in Werl-Sönnern im Juli. Gedik ist Muslim, die Schützenbruderschaften aber sind christlich. Das hatte zu einer Debatte geführt.

Foto: dpa

Die Bewerbung der christlichen Schützenbruderschaften, von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt zu werden, ist ins Stocken geraten. Das zuständige Komitee der Deutschen Unesco-Kommission hat die Bewerbung der Europäischen Gemeinschaft Historischer Schützen zurückgestellt. Grund ist wohl der Fall des muslimischen Schützenkönigs Mithat Gedik aus dem westfälischen Werl-Sönnern.

Gedik hatte im vergangenen Jahr beim Schützenfest den Vogel abgeschossen. Als er sich zum Schießen auf Bezirksebene anmelden wollte, stellte sich heraus, dass der neue Schützenkönig Muslim ist. Der Bund der Historischen Schützenbruderschaften (BHDS) verweigerte Gedik daraufhin die Teilnahme am Bezirksschützenfest, da der Verein nur Christen vorbehalten sei. Auch das Amt als Schützenkönig dürfe er nicht innehaben. Erst nach einer öffentlich geführten Debatte entschied der BHDS, dass Gedik sein Amt ausnahmsweise behalten dürfe. Das Schießen auf Bezirksebene wurde ihm aber untersagt.

Unesco-Experten kritisieren ausgrenzende Reaktionen

Auf diese Entscheidung bezieht sich das aus unabhängigen Experten bestehende Komitee Immaterielles Kulturerbe der Unesco wohl in einem Schreiben an die Europäische Gemeinschaft Historischer Schützen (EGS) — explizit genannt wird der Fall aus Werl-Sönnern aber nicht. Die EGS hatte den Antrag gestellt.

In dem Brief kritisieren die Unesco-Experten schroffe und ausgrenzende Reaktionen der Schützen, nur weil ein Schützenkönig nicht "biodeutschen Maßstäben" entspreche. Ein solches Verhalten widerspreche einer zugänglichen und offenen Traditionspflege, zudem sei es nicht nachvollziehbar, warum "eine religiöse Öffnung den christlichen Gründungszweck der Schützenvereine gefährde". Aus diesen Gründen habe die Kommission die Bewerbung der EGS nicht abgelehnt, aber zurückgestellt.

Die EGS wollte laut einer Sprecherin am Dienstag keine Stellungnahme dazu abgeben. Man befinde sich in einem laufenden Abstimmungsprozess. Die Gremien des Verbands sollen sich in ihren nächsten Sitzungen mit dem Thema befassen. Auch der BHDS äußert sich nicht offiziell zu dem Schreiben. Allerdings beziehen die Schützen privat Stellung, wie Rolf F. Nieborg vom BHDS. Für ihn sei der Ausdruck "biodeutsch" eindeutig rassistisch, sagt er.

"Dieses Verhalten einem europäisch ausgerichteten Verein zu unterstellen, der unter anderem aus Niederländern, Belgiern, Franzosen und Polen besteht, ist absolut unverständlich", sagt Nieborg. In allen Bruderschaften gebe es Mitglieder mit ausländischen Wurzeln. Dass das Komitee zudem die Schützen verurteile, weil diese den christlichen Glauben als Leitlinie voranstellten, erinnere ihn fatal an das Verbot der Schützenbruderschaften durch die Nationalsozialisten im Jahr 1935. Damals hatten sich die Schützen mit Hinblick auf ihre katholische Tradition geweigert, dem Reichssportbund beizutreten. Rolf Nieborg betont: "Für mich ist die Reaktion des Unesco-Komitees nicht nachvollziehbar."

Vogelschuss beim Stadtschützenfest in Mönchengladbach 2014
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Debatte um Fall Gedik

In der Stellungnahme der Unesco-Kommission zu dem Vorgang heißt es, dass die Unesco-Konvention zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes explizit die "Achtung vor der kulturellen Vielfalt" fordert. "Dieser Anspruch gilt unabhängig von Geschlecht, Religion, Sexualität oder Herkunft", heißt es weiter. Allerdings distanziere man sich nachdrücklich vom Zitat "biodeutsche Maßstäbe". "Diese Formulierung widerspricht den Grundsätzen der Deutschen Unesco-Kommission. Sie ist unangemessen und ihre Verwendung höchst bedauerlich."

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In der damaligen Debatte um den Fall Gedik hatten die Schützen immer darauf hingewiesen, dass der Muslim nach der Satzung gar nicht Mitglied des Vereins in Werl hätte werden dürfen. Schützenbruderschaften seien kirchliche Vereine. Der BHDS verteidigte daher das Recht, nur Christen aufzunehmen und kündigte an, am Recht auf positive Religionsfreiheit festzuhalten. Dies habe nichts mit einer "integrationsfeindlichen Kultur" zu tun.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hatte die Haltung der Schützen damals als intolerant und diskriminierend kritisiert. Das Gerangel um den muslimischen Schützenkönig hatte auch deshalb außerhalb der Schützen-Szene bei manchen für Unverständnis gesorgt, weil Mithat Gedik mit einer Katholikin verheiratet ist und vier katholisch getaufte Kinder hat. Sein Schützenverein hatte sich in der Debatte von Anfang an hinter ihn gestellt. Laut Unesco-Kommission sind die Schützen dazu eingeladen worden, ihre Bewerbung bis zum 30. April zu überarbeiten. Dann würden die unabhängigen Experten wohl im Herbst über das Anliegen der Schützen befinden.

(isr)
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