Importverbot Russischer Boykott trifft Landwirte in NRW

Berlin/Düsseldorf · Der Kreml reagiert mit einem Importverbot für Fleisch, Obst und Gemüse auf westliche Sanktionen. In Europa könnten dadurch die Preise fallen.

Importverbot: Russischer Boykott trifft Landwirte in NRW
Foto: Christoph Goettert (goet)

Zwischen dem Westen und Russland bahnt sich ein Handelskrieg an. Seit gestern dürfen Lebensmittel aus Deutschland und der Europäischen Union nicht mehr nach Russland exportiert werden. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew verhängte einen einjährigen Einfuhrstopp als Reaktion auf westliche Wirtschaftssanktionen gegen das Land.

Das Embargo gilt für Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch sowie Milch und Molkereiprodukte wie Käse aus der EU, USA, Kanada, Norwegen und Australien. "Es war keine einfache Entscheidung, aber wir mussten es tun", sagte Medwedew. Präsident Wladimir Putin hatte russischen Nachrichtenagenturen zufolge seine Regierung angewiesen, Vergeltungsmaßnahmen für jüngste westliche Sanktionen vorzubereiten.

Die Bundesregierung reagierte gelassen. Man habe mit einer Gegenreaktion Russlands gerechnet, hieß es in Regierungskreisen. "Das ist der Preis der EU-Sanktionen gegen Russland." Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) erklärte: "Ich bedaure sehr, dass Russland diesen eindeutig politisch motivierten Schritt unternommen hat." Dieses Vorgehen stelle die Zusammenarbeit zwischen der russischen und der deutschen Regierung auf eine harte Probe.

Das Bundeswirtschaftsministerium betonte, Auswirkungen auf Öl- und Gaslieferungen seien aufgrund langfristiger Verträge nicht zu erwarten. Stabile Lieferbeziehungen seien in gegenseitigem Interesse.

Russland ist für die EU ein wichtiger Abnehmer von Agrarprodukten. Der Einfuhrstopp werde deutsche Exporteure empfindlich treffen, teilte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen mit. Im vergangenen Jahr lieferten deutsche Erzeuger Waren für 1,6 Milliarden Euro nach Russland, davon entfielen 770 Millionen Euro auf Obst und Gemüse, der Rest Fleisch, Fisch und Milchprodukte. Aus NRW wurden nach Berechnungen der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf Nahrungs- und Futtermittel im Wert von 208 Millionen Euro geliefert. Die nach Russland exportierten Waren entsprechen fast vier Prozent des NRW-Exportvolumens.

Umgekehrt muss Putin nun nach neuen Lieferanten für rund zehn Prozent der Lebensmittel suchen. Das russische Riesenreich importiert nach Angaben der Moskauer Universität derzeit 53 Prozent seiner Lebensmittel aus dem Ausland. Russische Experten erklärten, das Embargo sei "äußerst schmerzhaft für beide Seiten".

In NRW trifft der Importstopp vor allem Fleisch-Erzeuger und Verarbeiter. Der Schlachter Westfleisch stoppte gestern die Verladung von Containern mit Fleischwaren. "Die Ware wird jetzt in Europa verkauft werden. Das wird zu Preisnachlässen führen", sagte Westfleisch-Exportleiter Egbert Klokkers: "Wir stehen vor einem Scherbenhaufen." Die Erzeugerpreise für Fleisch fallen seit Monaten und könnten nun zusätzlich unter Druck geraten. Russland hatte im Januar einen Importstopp für Schweinefleisch aus der EU verhängt, weil in Polen die Afrikanische Schweinepest aufgetreten war.

Landwirte in der Region befürchten nun, dass kurzfristig die Lebensmittelpreise in Europa fallen werden. "Was bisher aus der EU dorthin exportiert wurde, fließt jetzt zusätzlich in die überwiegend gesättigten heimischen Märkte", sagte Bernhard Contzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes. "Das betrifft zum Beispiel Tomaten aus Holland, Obst aus Polen oder Fleisch und Milch aus Deutschland." Die Bauern und Zwischenhändler müssen sich nun andere Abnehmer suchen.

Unterdessen wird das Lieferverbot für ein Übungszentrum an Russland durch den Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall wohl vor Gericht landen. Rheinmetall kündigte gestern an, Schadenersatz zu verlangen unter "Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten". Die Bundesregierung erklärte, sich nicht auf freiwillige Zahlungen einlassen zu wollen. "Die Ansprüche müssten vor Gericht geklärt werden", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Rheinmetall werde darlegen müssen, dass ein schutzwürdiges Interesse des Unternehmens bestehe, das von der Bundesregierung ausgeglichen werden müsse.

Russland verhängte gestern zudem ein Überflugverbot für ukrainische Fluggesellschaften. Ministerpräsident Medwedew erklärte, das Verbot könne auch noch auf westliche Fluggesellschaften ausgeweitet werden.

(RP)
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