Polizeipräsident schlägt Alarm Rocker-Schießereien in Köln – „Es kann jeden treffen“

Köln · In Köln tobt ein Rockerkrieg zwischen Bandidos und Hells Angels. Es gibt Schießereien auf der Straße. Für Unbeteiligte besteht laut Polizei Gefahr, von einer Kugel getroffen zu werden.

Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob. (Archiv)

Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob. (Archiv)

Foto: dpa/Oliver Berg

Von seinem Büro in der fünften Etage des Kölner Polizeipräsidiums aus kann Uwe Jacob auf den tristen Stadtteil Kalk blicken: Graue Dächer, Gleise, Züge, ein altes Hochhaus. Was der Polizeipräsident von dort oben nicht sehen kann, ist die organisierte Kriminalität, die in Kalk und anderen rechtsrheinischen Stadtteilen in jüngster Zeit immer häufiger zu Tage tritt. „Als wären wir hier im Wilden Westen, wird hier rumgeballert“, sagt Jacob. Und das mitten in Köln.

Auf Unbeteiligte werde bei den Schießereien im Milieu keine Rücksicht genommen. „Es kann jeden treffen“, sagt der Polizeichef. Zuletzt sind am Freitagabend mehrere Schüsse auf einen belebten Spielsalon in Köln-Buchheim abgegeben worden. Nur durch Zufall ist laut Polizei niemand verletzt worden.

Es ist in der Dimension ein auf Köln begrenzter, aber landesweit nahezu beispielloser Konflikt, der derzeit in Teilen der Millionenstadt zwischen Hells Angels undSo Exzentrisch Bandidos mit aller Brutalität ausgetragen wird. Seit Mai 2017 hat es zwischen den Gruppierungen zehn schwere Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit gegeben. In acht Fällen ist geschossen worden. „Und das nicht nur einmal, die Schussabgabe erfolgte zum Teil mehrfach“, sagt Klaus Stephan Becker, Leiter der Direktion Kriminalität im Kölner Polizeipräsidium. „Dabei wird kreuz und quer auf der Straße geschossen, und sogar aus fahrenden Autos heraus“, betont er.

Kölns Polizeipräsident spricht von einer sehr untypischen und gefährlichen Situation. Denn normalerweise würden solche Streitigkeiten nicht öffentlich ausgetragen - schon gar nicht in der Dimension. Er selbst könne sich in jüngerer Vergangenheit an kaum einen vergleichbaren Fall erinnern. Höchstens eine Auseinandersetzung in Duisburg vor sieben Jahren, in der die mittlerweile in Deutschland verbotene Rockergruppierung Satudarah verstrickt gewesen ist, habe ähnliche Ausmaße angenommen. Wie in allen Bereichen der Organisierten Kriminalität geht es auch in Köln um Macht, Geld und Einfluss.

Entfesselt worden ist der Kölner Rockerkrieg im Mai 2017 durch die Bandidos, die in Köln eigentlich keine Rolle spielen, seitdem aber unter neuer Führung ihren Machtanspruch anmelden. „Es hat mit einer Provokation durch eine Geburtstagsfeier begonnen“, sagt Becker. Der Bandidos-Chef habe damals in einem Lokal seiner Frau, das auf den Ringen, der Kölner Partymeile, liege, seinen Geburtstag gefeiert. Das sei für die Hells Angels einer Kriegserklärung gleichgekommen, da diese seit Jahren die Ringe kontrollierten. Seitdem dreht sich die Spirale der Gewalt in der Domstadt immer schneller.

Becker sagt, dass es sich bei den Rivalen nicht um Rocker im eigentlichen Sinne handeln würde, sondern um kriminelle Banden, die handfeste wirtschaftliche Interessen verfolgten. „Der Chef der Kölner Bandidos ist normalerweise kein Rocker. Er ist vielmehr eine Art Geschäftsmann, der sich die Marke Bandidos zu Nutze macht“, sagt Becker.

In einem Gespräch mit einem szenekundigen Kölner Polizeibeamten soll sich der Bandidos-Chef sogar über die Rockerszene lustig gemacht haben. So soll er sie als „biertrinkende Männer mit Ölbärten“ bezeichnet haben, die „Moped fahren“ würden. Die Banden in Köln werden von Migranten deutlich dominiert, die Polizei selbst spricht von „Migranten-Chaptern“. Deshalb sei es auch kein Zufall, dass sich der Konflikt besonders auf der rechten Rheinseite abspielt. „Dort befindet sich der größte Migrantenanteil der Stadt“, sagt er.

Die Mitglieder stammten zum Teil aus der Türkei, aus dem Kosovo und Nordafrika, die in Shisha-Bars verkehrten. Kontakte zu kriminellen arabischen Familienclans konnte die Polizei bislang aber nicht nachweisen. Die meisten Mitglieder sind polizeibekannt. Das seien „Jungs von hier“, sagt Becker, die in Köln aufgewachsen und zum Teil zusammen zur Schule gegangen seien. Die Chefs der beiden verfeindeten Gruppen würden sich seit Kindesbeinen kennen, so die Polizei.

Begünstigt worden ist der Kölner Rockerkrieg ungewollt durch eine Reihe zurückliegender polizeilicher Maßnahmen, die zu einer Schwächung der Hells Angels geführt haben. „In dieses Macht-Vakuum stoßen die Bandidos jetzt rein“, sagt Jacob, der einräumt, dass man bei den Ermittlungen in der Vergangenheit Fehler gemacht habe. Diese wolle man nicht mehr wiederholen. Vielmehr kündigte Jacob an, nun mit allen Kräften gegen die Rocker vorgehen zu wollen. Dafür würden die erfahrensten Ermittler aus allen Bereichen des Kölner Polizeipräsidiums zusammengezogen werden. „Wir werden ununterbrochen handeln. Wer den Rechtsstaat so herausfordert, dem wird die Polizei auch antworten“, sagt Jacob.

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